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Der Profi von übermorgen schwitzt nicht mehr

Elektrowerkzeuge der Zukunft: leichter, leistungsfähiger – und kommunikativ
Der Profi von übermorgen schwitzt nicht mehr

Vielleicht wird der Handwerker künftig Robomanager heißen und sein Wissen an dreiarmige, roboterähnliche Helfer vermitteln: Selbstständig bohrende, schleifende und fräsende Elektrowerkzeuge könnten schweißtreibende Handarbeit ersetzen. Experten der Branche zeigen, welche Visionen sie bis 2010 für möglich halten und welche Trends sich schon früher durchsetzen könnten.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Bettina Keck – bettina.keck@konradin.de

Heute, am 25. April 2010, ist es ungewöhnlich warm. Bis zum Mittag müssen die Lüftungskanäle für die neue Halle fertig werden. Noch vor einem Jahr hätte Felix selbst an der Montagelinie gestanden und schwitzend Löcher in das Blech gebohrt. Damit ist jetzt Schluss. Mittlerweile erledigt die mühsame Handarbeit jemand anderes für ihn: Ein kurzer Blick auf den grünen Rücken der Bohrmaschine Alpha verrät, dass sie auf neue Aufgaben wartet. Die entsprechende Konstruktionszeichnung hat Felix schon im Computer abgelegt. „Alpha starten“, bestimmt er. Die schildkrötenartig aufgebaute Bohrmaschine fährt ihre drei Teleskoparme aus und macht sich auf den Weg. Per Infrarot findet das Gerät präzise seinen Startpunkt und saugt sich mit seinen kreisförmigen, flexiblen Schuhelementen quasi am Untergrund fest. Ein integrierter Sensor identifiziert das Material. Dann beginnt Alpha zu bohren, gleichzeitig saugt ein kleinerer Motor den Staub ab. Saubere Arbeit. Über die gerippte Oberfläche des zylinderförmigen Korpus wird die Wärme ohne zusätzliche Belüftung abgeführt. Das robuste Gehäuse fungiert als Display: Jetzt, im Betriebszustand, ist es gelb.
Erst vor kurzem hat Felix sein ergonomisch gestaltetes Elektrowerkzeug gegen eine Computermaus getauscht. Am Schreibtisch sitzend denkt er darüber nach, wo sich an seinem neuen Projekt die Bohrlöcher am besten platzieren lassen. Bezahlt wird er für sein Wissen und gute Ideen, nicht mehr für monotones Bohren, Schrauben, Schleifen, Fräsen. Felix hat die Krawatte schon umgebunden, gleich folgt ein Termin mit seinem Chef. Doch gerade meldet das rot blinkende Gerät Delta eine Störung: Beim Fräsen von Schlitzen in die Wand hat ein Sensor ein Elektrokabel entdeckt und schlägt deshalb eine neue Position vor. Per Mausklick bringt Felix die Sache in Ordnung. In seine Tasche steckt er noch schnell die zusammengeklappte Beta, die nachher auf der Baustelle gemäß seiner Programmierung einen Boden schleifen soll. Die erforderlichen Daten werden dazu per Funk direkt vom Notebook auf das Elektrowerkzeug übertragen.
So – oder so ähnlich – könnte die Welt der Elektrowerkzeuge im Jahr 2010 aussehen, wenn die Visionen der Ammerbucher Firma Design Tech wahr werden. Ihr Modell einer multifunktionalen Bohrmaschine von übermorgen basiert auf Anwenderwünschen. „Im professionellen Bereich wird nicht mehr die Arbeit mit bloßen Händen, sondern das Wissen spezialisierter Fachkräfte den Ausschlag geben“, ist Jürgen R. Schmid, Unternehmer und Designer mit Weitblick, überzeugt: „Das Elektrowerkzeug der Zukunft entwickelt sich zu einem computergesteuerten Roboter.“
Ein mit Hilfe der Ammerbucher entwickeltes Gerät hat den Sprung in den Markt bereits geschafft: Der Mini-Akkuschrauber Power Grip von der Metabowerke GmbH, Nürtingen, ist tropfenförmig und besonders leicht.
Die neue Designstudie einer Bohrmaschine soll der Elektrowerkzeug-Branche weitere wichtige Impulse geben. Schmid hält aber auch eine andere Alternative für möglich: „Vielleicht werden später nicht mehr Unternehmen wie Bosch, sondern Hersteller wie Kuka roboterähnliche Werkzeuge herstellen.“
Elektrowerkzeuge passen sich an die Bedingungen an
Bis das selbstständig agierende Elektrowerkzeug auf den Markt kommt, wird es wohl noch etwas dauern. Dass sich die Geräte jedoch in absehbarer Zeit selbst an die Arbeitsbedingungen anpassen, steht für Diethard Fohr von der Atlas Copco Electric Tools GmbH in Winnenden fest: „Integrierte Sensoren werden beispielsweise die Schlagstärke rückkoppeln. Dadurch erkennt das Gerät das Material – Fliesen werden mit Soft-, Beton dagegen mit Hartschlag bearbeitet.“ Für Akkugeräte sollen Leistungen bis 1000 W möglich sein, so dass sie weitere Felder der Netzgeräte erschließen. Weil Batterien aus Nickel-Cadmium ab 2008 verboten sind, werden Nickel-Metallhydrid oder andere Zelltechnologien viele Anwendungen ersetzen. „Zwischen den Anforderungen an Lithi-umbatterien für Powertools und für Geräte wie Telefon oder Laptop liegen derzeit Welten“, gibt Fohr zu bedenken. In einer „Corner of Visions“ hat Atlas Copco auf der Eisenwarenmesse in Köln im März alternativ den elektrochemisch angetriebenen Doppelschichtkondensator Ultra Capacitor vorgestellt. Dieses Konzept will das Unternehmen in naher Zukunft realisieren.
Bereits Stand der Technik ist für die Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen, der Einsatz von Elektrowerkzeugen beim Schweißkantenformen von bis zu 15 mm dicken Edelstahlblechen. „Was jenseits der 15 mm liegt, ist heute noch nicht machbar“, bedauert Werner Cloos. „Der Werkzeugtausch an unseren Nibblern wird künftig in jedem Fall flexibler und schneller sein“, macht der Leiter von Vertrieb und Marketing des Geschäftsbereichs Elektrowerkzeuge hingegen Lust auf die Arbeit von morgen. Bei der Schlitzschere C 160 ist ein Werkzeugwechsel ohne Hilfsgeräte komplett per Hand schon möglich – bei anderen Geräten, wie Bohrschraubern, ohnehin längst üblich. Wenn in der Elektronikindustrie robuste Sensoren und LCDs für Display-Anzeigen billiger werden, kann sich Cloos durchaus vorstellen, werkzeugbezogene Diagnosefunktionen zu integrieren. „Der Handwerker wird für eine Diagnose kaum mehr als zehn Euro extra ausgeben“, grenzt Cloos jedoch die Bedeutung der Extrafunktionen ein.
Auch Heinz Dolzer von der Stuttgarter C. & E. Fein GmbH & Co. ist davon über-zeugt, dass Kunden nicht für Gimmicks wie Spracherkennung, sondern nur für echten Mehrnutzen Geld ausgeben werden. „Die Servicefreundlichkeit von Fein-Maschinen wird weiter zunehmen: Ich denke beispielsweise an eine bessere Identifizierung der Lebens- und Benutzungsdauer und damit verbundene Warnhinweisen“, macht der Produktmanager klar. Der Werkzeugwechsel soll schneller und einfacher werden: „Künftig wird nicht mehr geschraubt, sondern geclipst oder gespannt.“ Nach Ansicht Dolzers liegen viele Technologien schon heute in der Schublade. „Bei Akkugeräten sehe ich keine Leistungsgrenze und behaupte heute, dass sie bis 2010 in den meisten Anwendungen konkurrenzfähig zu Netzgeräten sein werden“, ist sich Dolzer sicher. Er spielt außerdem mit dem Gedanken, bald nicht nur in Winkelschleifer, sondern in jedes Elektrowerkzeug eine Bremse einzubauen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Geräte kommen quasi sofort zum Stehen, sie werden dadurch sicherer und die Arbeit schneller.
In einem sind sich alle Hersteller einig: Profis, die von morgens bis abends Elektrowerkzeuge bedienen, legen Wert auf Komfort. Damit noch effizienter gearbeitet werden kann, werden die Geräte an spezielle Anwendungen angepasst, so eine weitere generelle Meinung. Auf einen Nenner gebracht: Die Elektrowerkzeuge werden 2010 leichter und ergonomischer sein, weniger vibrieren und mit einem leistungsfähigeren Motor arbeiten. Und wenn es nach Felix geht, lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, betrachtet seine präzise arbeitende Bohrmaschine und nickt bei deren Frage: „Machen wir jetzt Mittagspause?“
Industrieanzeiger
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