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Designer-Hülle bringt bei Hitze wie Kälte die rechten Maße

Fräs- und Bearbeitungszentrum Parpas LHS
Designer-Hülle bringt bei Hitze wie Kälte die rechten Maße

Präzision bis auf den letzten Mikrometer ist mit der LHS auch bei offenem Hallentor kein Problem. Die thermisch sensiblen Komponenten des Fahrständerzentrums stecken im luftgefluteten Thermomantel oder sind per Ölkühlung stabilisiert. In den Linearachsen liefert die Highspeed-Maschine der italienischen Parpas SpA bis zu 40 m/min Vorschubtempo sowie 3 m/s² Beschleunigung.

Von Chefreporter Wolfgang Filì chefreporter@fili.net

Zunächst war es nur die Sache mit dem kalten Luftzug gewesen, die Vladi Parpajola keine Ruhe gelassen hatte. Wiederholt war dem Chef der norditalienischen Parpas SpA von Kunden aus dem Werkzeug- und Formenbau berichtet worden, dass ihre ansonsten tadellos fräsenden Fahrständermaschinen aus der Toleranz liefen, sobald ihre Umgebung nicht mehr durchgehend temperiert war. Vom Grundsatz her ebenso bekannt wie erklärbar, ergab sich das Problem vorwiegend in kälterer Jahreszeit und quer durch alle Fabrikate. So reichte schon ein wenige Minuten lang offen stehendes Werkstatttor, um die Maschinen auf der Außenseite abzukühlen und ganze Mikrometer Maßabweichung zu provozieren. Klimatisierte Hallen hätten insoweit zwar abhelfen können. „Aber wer kann sich die schon leisten“, fragt der Geschäftsführer des in Cadoneghe bei Padua ansässigen Unternehmens mit Blick auf seine Stammkundschaft. Zu 80 % sind dies kleinere Special Tooler. Weitere 10 % zählen zum allgemeinen Maschinenbau. Lediglich jeder zehnte kommt aus dem Umfeld der investitionskräftigeren Luft- und Raumfahrtbranche.
Parpajola erklärte das Problem zur Chefsache. Anfang 2000 bekamen seine Mitarbeiter Weisung, die Klimatisierung der Maschine vom Kunden auf Parpas als Hersteller zu verlagern und dem damals gerade in Entwicklung befindlichen Bearbeitungszentrum LHS eine Art Thermohülle zu verpassen. Sie sollte die Linearachsen im Fahrständer auf konstanter Temperatur halten. Für Serienmaschinen war das technisches Neuland. Weil Präzision bis zum µm-Bereich jedoch als das Parpas’sche Verkaufsargument schlechthin gilt, gehörte die Sache in Angriff genommen. Ergebnis der knapp 1,8 Mio. Euro schweren Entwicklungsarbeiten war unter anderem ein Verdichtersystem, das thermostatisch auf 21 °C gehaltene Luft unter einer schick zugeschnittenen Aluminiumhaut um die Maschine strömen lässt. Zusammen mit einer ebenfalls temperaturgeregelten Schmieranlage, die auch die Führungen des Bohrschiebers versorgt, garantiert sie die thermische und geometrische Stabilität aller beweglichen Komponenten. Die Lösung hat sich bei zugiger Kälte wie auch im brüllend heißen Sommer 2003 bewährt und ist international patentiert.
An Dauerproblem Nr. zwo – wie bei allen anderen Zentren-Herstellern auch: ein Plus an Maschinendynamik bei gleichzeitig besserer Abtragsleistung – arbeiteten Parpajolas’ Ingenieure ohnehin. So sollte der Fahrständer der LHS zwar auf Vorschubgeschwindigkeiten bis 40 m/min beschleunigt werden, durfte der Bearbeitungsgenauigkeit wegen aber kein Jota kippen. Da hohes Spanvolumen bei kartesisch aufgebauten Maschinen jedoch stets eine Funktion der Steifigkeit und damit letztlich der Masse ist, hat man sich einen Kunstgriff einfallen lassen.
So wird der Fahrständer der LHS in Längsrichtung über zwei auseinander liegende Motoren bewegt – eine unter dem Namen Twin Torque zwischenzeitlich ebenfalls patentierte Lösung, die in der Längsachse X zum einen butterweich anfährt und mit 3 m/s² beschleunigt, zum anderen jedoch bei Richtungsumkehr ohne jedes Spiel arbeitet. Die vertikale Y-Achse verfährt auf drei Linearführungen, die Querachse Z wiederum auf Gleitschuhen über acht gehärtete und geschliffene Bahnen. Sie werden angetrieben von digitalen Siemens-Motoren.
X-, Y- und Z-Achse betragen je nach Ausführung zwischen 3000 und 20 000 mm, ferner 2000 mm sowie 1250 mm. Der maximale Arbeitskubus ergibt sich demnach zu 50 m³. Die stufenlos arbeitende C-Achse rotiert um ± 180 °. Sie ist in den Bohrschieber integriert. Als optionale B-Achse stehen Bi-Rotationsköpfe mit Gabel oder Elektrospindel zur Verfügung. Ein NC-gesteuerter, quadratischer Spanntisch zwischen 1250 und 3000 mm Seitenlänge sowie mit kontinuierlicher Positionierung macht die Teilebearbeitung auf fünf Seiten möglich. Zwei separate Bedienfelder – eines am Fahrständer angebracht sowie das andere zum Ende der Y-Achse am ausladenden Galgen montiert – lassen dem Bediener beim Anfahren voluminöser Teile den Überblick.
Nicht weniger Gedanken als zu Freiheitsgraden und Dynamik hat man sich bei Parpas in Sachen Zerspanungsleistung gemacht sowie über den flüssigen Wechsel zwischen unterschiedlichen Bearbeitungsaufgaben. So gibt es sechs Fräsköpfe mit jeweils eigener Charakteristik. Dabei reicht die Spanne vom Highspeed-Kopf TUE mit A-Achse, 26 000 min-1 Touren, 12,5 kW Leistung, maximal 12 Nm Drehmoment und HSK-50E-Aufnahme bis hin zu dem so genannten Power-Milling-Head TU600 mit 5000 min-1 Drehzahl, 30 kW, maximal 191 Nm und ISO-50-Schnittstelle. In der A-Achse lässt sich letzterer in 144 Positionen indexieren. Die Fräsköpfe werden selbstständig eingewechselt aus einer separat aufgestellten Ablage mit drei Plätzen. Sie enthält zudem ein Lasersystem zur automatischen Vermessung der Werkzeuge.
Erstmals im Herbst 2002 gezeigt auf der Mailänder Ausstellung Bimu – dem Gegenstück der deutschen Branchenleitmesse Metav – sei die Maschine eingeschlagen wie eine Bombe, freut sich Parpajola noch heute. Zum einen dank ihres durchgestylten Aluminiummantels ein Hingucker, zum anderen der grundsätzlich ebenso simplen wie technisch aufwendigen thermischen Stabilisierung wegen eine Innovation, hatten sich für die LHS sofort Interessenten gefunden. Heute – lediglich ein Jahr später – ist bereits das 15. Exemplar verkauft.
Acht Einheiten stehen bereits beim Anwender unter Span, die anderen sind noch im Stammwerk Cadoneghe in Arbeit. Seine Stammkunden aus dem Werkzeug- und Formenbau hat Parpajola mit der Maschine wie vorgesehen erreicht. Bislang sind es vor allem italienische Betriebe. Sie wissen zu schätzen, dass sie an der LHS ein Zentrum für die Fertigung von Großteilen haben, das auch unter stark schwankenden Bedingungen Präzisionsarbeit leistet. Wie viele weitere dieser Maschinen Platz im Markt hätten, mag Vladi Parpajola indes nicht prognostizieren. Zu schwankend sei die europäische Konjunktur insgesamt wie auch die der Automobilbranche im Besonderen. Ein gut Teil seiner Kunden beliefert eben diese Industrie. Nach allen bisherigen Erfahrungen hofft der Parpas-Chef jedoch zukünftig auf wachsende Absatzzahlen. Das gesamte Konzept der LHS gebe dies einfach her. Zurzeit liegt die Lieferzeit der – je nach Ausführung – rund 1 Mio. Euro schweren Maschine zwischen 10 und 14 Monaten.
Für den Markt nördlich der Alpen rechnet sich der italienische Werkzeugmaschinenbauer ebenfalls Chancen aus. Als Marke sei man gut eingeführt. 600 der inzwischen über 5000 ausgelieferten Parpas-Maschinen spanten auf deutschem Boden, und auch hier sei der Werkzeug- und Formenbau mit mehr als 80 % Anteil der größte Kundenkreis. Vertrieben werden die mehr als zehn verschiedenen Fräsmaschinen und -zentren über die Braun GmbH in Riederich. Das Unternehmen ist seit 20 Jahren Generalimporteur, stellt die Parpas-Maschinen beim Anwender auf und nimmt sie in Betrieb, ist zudem Ansprechpartner für Garantie- und Serviceleistungen und bietet einen 24-Stunden-Dienst.
Parpas selbst zählt mit 450 Mitarbeitern und 66 Mio. Euro Umsatz im vergangenen Jahr zu den Top-Ten der italienischen Branche. 2003 werden es voraussichtlich 70 Mio. Euro sein. Das Unternehmen baut seit 1971 Werkzeugmaschinen, gehört zu jeweils 50 % den Familien Parpajola und Pasquetto und ist damit einer der wenigen großen Hersteller, die seit ihrer Gründung ohne chronologischen Bruch ausschließlich in privater Hand sind. Mit jährlich 6 % vom Umsatz für die Forschung und Entwicklung und offensivem Vertrieb wollen die geschäftsführenden Gesellschafter Sorge dafür tragen, dass dies auch so bleibt. Schließlich sei man mit Entscheidungen so näher und schneller am Markt, sagt Vladi Parpajola. Dabei kann sicher auch der eine oder andere kalte Luftzug nichts schaden.
Klimatisierung von der Halle in die Maschine verlagert

Kosten + Nutzen

Versteckter Nutzen
Auch ohne ihren Thermomantel wäre die LHS ein Bearbeitungszentrum der Extraklasse. Je nach Ausführung zwischen 7,5 und 50 m3 Arbeitskubus, vollautomatisch wechselbare Fräsköpfe für unterschiedlichste Bearbeitungsaufgaben sowie Vorschubgeschwindigkeiten und Achsbeschleunigungen, wie sie bisher nur bei Zentren mit kleinerer Größe und Masse üblich waren, machen die Maschine zum Allrounder. Mit ihrer kompletten Ausrüstung dürfte die Maschine sich im klassischen Formen- und Maschinenbau bis hin zur Luftfahrtbranche nützlich machen.
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