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Deutsche Berufsausbildung nur noch Mittelmaß?

Berufsweltmeisterschaften Worldskills in St. Gallen
Deutsche Berufsausbildung nur noch Mittelmaß?

Alle zwei Jahre treffen sich die 700 besten Auszubildenden aus 37 Nationen zu den Berufsweltmeisterschaften, um sich in 46 verschiedenen technischen und Handwerksberufen zu messen. Im Vergleich der nationalen Zweier-Teams landete das deutsche Duo auf Platz elf.

Christopher Haug ist Journalist in Esslingen

Die Berufsolympiade Worldskills Competitions, die im schweizerischen St. Gallen vor rund 180 000 Zuschauern stattfand, förderte ein nicht gerade schmeichelhaftes Ergebnis zu Tage: Deutsche Auszubildende sind nur noch selten an der Spitze. Auch bei den Mechatronik-Wettbewerben, die aufgrund des komplexen Berufsbildes in der Kombination aus Mechanik, Elektronik und Informatik einiges von den Teilnehmern abverlangte, reichte es nur für einen Platz im Mittelfeld.
In vier Wettkampftagen mussten die 25 Teams aus den wichtigsten Industriestaaten acht aufeinander aufbauende Automatisierungsprojekte lösen. An den MPS-Anlagen, die die Esslinger Festo Didactic GmbH & Co. KG für das Automatisierungstraining an Berufs- und Hochschulen entwickelt und für die Worldskills-Wettbewerbe zur Verfügung stellte, mussten die Zweier-Teams beispielsweise eine Anlage für Montage, Transport und Kommissionierung von Thermometern erstellen, inklusive aller Steuerungen, Sensoren und Handling-Komponenten.
Der Clou dabei: Die weltbesten Mechatronik-Auszubildenden konnten im Wettkampf neueste Automatisierungskomponenten nutzen. „Für das Einpressen der Thermometer ins Gehäuse montierten die Mechatroniker eine Presse, die sich den Pneumatischen Muskel MAS von Festo mit seiner hohen Kraft bei kleinstem Einbauraum zu Nutze macht“, so Eckhard von Terzi, einer der Experten der Mechatronik-Wettbewerbe und Betreuer des deutschen Teams. Die Mannschaft, bestehend aus den Mechatronik-Lehrlingen Johannes Huber und Bernhard Koppold von MTU Aerospace in München, setzte sich bei den nationalen Ausscheidungen während der Bildungsmesse im April in Nürnberg durch. „Da hatten sie aber nur zweieinhalb Wettkampftage, während ihnen hier nach vier Tagen ein unglücklicher Patzer unterlief“, kommentiert von Terzi das Abrutschen der deutschen Mannschaft vom zweiten Platz am dritten Tag auf Platz elf in der Gesamtwertung nach vier Wettkampftagen.
Auch wenn es dem deutschen Team nicht an Einsatz und Gründlichkeit gemangelt hat, spiegelt die Platzierung doch die Situation der Berufsausbildung in Deutschland wider: Bis vor wenigen Jahren Vorbild für viele Industriestaaten, scheint das deutsche System der dualen Ausbildung heute aufgrund der finanziellen Engpässe an Berufs- und Hochschulen hinterherzuhinken. Erst vor kurzem hat von Terzi die Labors und Werkstätten der Hochschule besucht, an der er einst studierte. „Die Mechatronik-Studenten von heute müssen noch mit demselben Material arbeiten wie wir vor rund 15 Jahren“, stellt er mit Bedauern fest. Damit seien abermals die Unternehmen gefordert, deutsche Auszubildende, Studenten und Absolventen in der betrieblichen Praxis an die Weltspitze heranzuführen und die Folgen der Finanzmisere an den Schulen auszugleichen.
Gewonnen hat den Mechatronik-Wettbewerb das Team aus Singapur. Schon im Vorfeld als Favorit gehandelt, arbeiteten die beiden Auszubildenden optimal zusammen und erreichten die höchste Punktzahl in der Addition aller Wettkampftage. Die Jury wertete den mechanischen Aufbau und die Funktion der Anlage. Fehler und daraus entstehende Stillstandszeiten ergaben Punktabzüge. „In der betrieblichen Praxis sind Stillstandszeiten schließlich auch zu vermeiden“, sagt von Terzi. In die Wertung ging aber auch, wer wie schnell mit der Aufgabe fertig wurde. „Die Teams arbeiteten unter Volldampf“, schildert das Jury-Mitglied die Wettkampfatmosphäre. Soft Skills wie Teamfähigkeit und Kommunikation untereinander waren ebenso wichtig wie das Beherrschen der Technik.
Erst seit 1993 sind die Mechatronik-Wettbewerbe Bestandteil der Worldskills Competitions, die es seit 1952 gibt. „Doch die Mechatronik-Wettbewerbe haben genauso wie die Disziplin selbst die rasanteste Entwicklung aller Worldskills-Berufe hinter sich“, meint Dr. Theodor Niehaus, Geschäftsführer von Festo Didactic. Kompetenz und Aufgabenstellung seien im Lauf der letzten zehn Jahre stark gewachsen. Vor allem die asiatischen Teams hätten in den letzten Jahren stark aufgeholt.
Vielleicht gelingt einem hiesigen Team im Jahr 2009 der Sieg. Da soll die Berufsweltmeisterschaft zum ersten Mal auf deutschem Boden stattfinden.
Teamfähigkeit ebenso wichtig wie das Beherrschen der Technik
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