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„Die Decke ist in diesem Jahr für uns alle deutlich dünner geworden“

Diether Klingelnberg, VDMA-Präsident und Unternehmer, zur Lage im Maschinen- und Anlagenbau
„Die Decke ist in diesem Jahr für uns alle deutlich dünner geworden“

Diether Klingelnberg, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V., Frankfurt/M., zeigt sich im Gespräch mit dem Industrieanzeiger als optimistischer Realist. Als Optimist hofft er, dass die positiven Geschäftsklima-Indices in Aufträge münden. Realist ist er dort, wo es um die derzeitigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen geht.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Iris Frick – iris.frick@konradin.de

Herr Klingelnberg, die Bilanz 2000/2001 kann sich sehen lassen. Wie geht es aber in diesem Jahr weiter?
Wir sind der Meinung, dass es so weiter geht, wie wir prognostiziert haben. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir einen Produktionsrückgang von minus zwei Prozent haben werden. Wenn jetzt keine größeren Unterbrechungen kommen, oder eine überzogene Lohnrunde, glauben wir heute mehr an das Szenario als vor fünf Monaten.
Woher kommt diese positive Erwartung?
Aus den Auftragseingangszahlen und aus den Indikatoren wie Ifo-Index oder den Einkaufsindex in den USA. Die Indices sind sozusagen der Vorlauf der Investitionen. Sind diese gut, wird die Stimmung der Unternehmer besser, und wenn die Stimmung langfristig anhält, dann kommen auch die Aufträge.
Die Branche zehrt zur Zeit vom Erfolg der letzten Jahre.2001 sank der Auftragseingang real um sieben Prozent, das Produktionswachstum betrug trotzdem plus zwei Prozent. Und jetzt bleibt nichts als Hoffen?
Ja, im Augeblick leben wir von der Hoffnung. Ich gehe davon aus, dass die Hoffnung bald durch die Fakten bestätigt wird. Es stimmt, im vergangenen Jahr wurden im Wesentlichen die Früchte des Jahres 2000 geerntet. Die Decke ist für uns alle deutlich dünner geworden. Die Firmen leben jetzt mit geringeren Durchlaufzeiten, geringeren Produktionsvolumina. Wir halten die Arbeitskräfte, damit wir sie wieder haben, wenn der Aufschwung kommt. Wenn sich der Aufschwung nachhaltig verzögert, wird es auch im Maschinenbau zu Entlassungen kommen. Dabei machen uns vor allem die fehlenden Inlandsaufträge Sorgen. Alle warten die politischen Ereignisse in dieser Republik ab. Angefangen von den Wahlen bis zu den Tarifauseinandersetzungen.Gibt es in diesen Punkten wieder Klarheit, wird die Zuversicht zu- nehmen und dann kann es in den Betrieben wieder losgehen.
Können das die Betriebe im Maschinen- und Anlagenbau so lange durchhalten?
Wir haben in den letzten Jahren gelernt, mit diesen Schwankungen zu leben. Es hilft auch ein wenig die Steuerreform, wir brauchen jetzt weniger von unseren Gewinnen an den Vater Staat abzuführen. Der Maschinenbau wird das bis Sommer durchhalten. Wenn wir aber, so wie es aussieht, Streik kriegen, dann können Sie sich darauf verlassen, dass alle Firmen nachhaltig geschwächt werden.
In der Tarifdiskussion ist die Lohnquote ein wichtiger Aspekt. Welche Bedeutung hat diese für die Branche?
Gesamtmetall muss mit einer Lohnquote von 18,5 Prozent arbeiten, einem Durchschnittswert, bei dem die Automobil- und Stahlindustrie mit gerechnet werden. Aber in weiten Bereichen des Maschinen- und Anlagenbaus sieht das ganz anders aus. Wir haben eine 40-prozentige Lohnquote. Das heißt, Lohnerhöhungen und auch die anderen Kosten, schlagen bei uns ganz anders durch. Bei uns ist die Lohnquote viel entscheidender als in der Automobilindus-trie. Sie hat direkte Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsicherheit.
Was macht Ihrer Ansicht nach außer den genannten Punkten den Firmen das Leben schwer?
An anderer Front kämpfen wir mit den Problemen der Bankfinanzierung. Das hat ja nicht aufgehört. Die Banken wollen die Wirtschaft nicht mehr in der Weise mit Geld versorgen, wie es üblich war. Und das hat mit Basel II nichts zu tun. Das wird bei vielen Firmen ganz einfach dazu führen, dass sie auf die Bremse treten müssen bei den Investitionen.
Die Banken sitzen doch am längeren Hebel, welche Möglichkeiten haben Unternehmen?
Die Unternehmen haben eine ganze Menge Möglichkeiten. Sie haben die Möglichkeit, auf der Passivseite der Bilanz auf andere Formen der Finanzierung auszuweichen, Auf der Aktivseite können sie ihre Forderungen verkaufen, ihre Investitionen, anstatt selbst zu finanzieren, leasen und sie können darüber hinaus auch ihre Vorräte reduzieren. Wenn wir wie jetzt in einen Abschwung einmünden, fahren die Firmen automatisch ihre Bestände ‘runter. Das Problem entsteht allerdings wieder in einer Aufschwungphase, die dann wieder durchfinanziert werden muss.
Gerade mittelständische Unternehmen tun sich schwer mit alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Sie kaufen beispielsweise lieber als zu leasen…
Frau Frick, es geht ja nicht nach lieber. Es geht nach den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Den Komfort zu sagen, ich gehe lieber und kaufe, statt zu leasen, den haben unsere kleinen mittelständständischen Firmen eigentlich schon lange nicht mehr. Diese Alternative ist weg. Hier versucht der VDMA, das Problembewusstsein der Unternehmer zu schärfen.
Wie hat sich die Rolle des Verbandes verändert, was seine politische Wirkung angeht?
Wir müssen die Interessen der mittelständischen Firmen, die nicht wie ein Herr von Pierer direkt zum Kanzler gehen können, in der Politik in Berlin, aber auch in Brüssel vertreten.
Ihnen als Verbandschef und Unternehmer muss das Thema Streik wie Spitzgras sein. Hat der Verband irgendeinen Einfluss auf die Duellanten?
Wir versuchen natürlich durch den Dialog mit den Arbeitgeberverbänden Einfluss zu nehmen, das ist klar. Es müsste auf beiden Seiten die Bereitschaft geben, auf zu neuen Ufern zu gehen. Für mich passt in die heutige Zeit kein Streik mehr. Wir müssen von dieser Klassenkampfideologie runter, damit unser Land die Lokomotive in Europa werden kann.
Deutscher Maschinenaußenhandel
Im vergangenen Jahr setzte die deutsche Maschinenausfuhr mit 81,8 Mrd. Euro eine neue Rekordmarke. Sie war auch der einzige Wachstumsmotor für die Produktion, denn der Inlandsabsatz schrumpfte leicht. Allerdings haben die Exporte in den letzten Monaten durch die Eintrübung der Weltkonjunkktur an Kraft verloren. Auch in den nächsten Monaten könnten sie im Nachgang der Flaute bei den Auslandsbestellungen noch leicht im Minus bleiben.
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