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Die Kraft der grünen Wiese

Prozessoptimierung: so werden mittelständler Produktiver
Die Kraft der grünen Wiese

Der Grüne-Wiese-Ansatz ist seit Jahren so etwas wie der Reset-Knopf für das Prozess-Engineering. Neu ist die Erkenntnis, wie stark sich seine Wirkung ausbauen lässt. Wenn man diesen Ansatz konsequent verfolgt – und ihn intelligent mit anderen Instrumenten verbindet.

Kosten sparen, egal wie. In mancher Führungsetage ist dieser Satz das Mantra der Zeit: Irgendwie weniger ausgeben, um damit irgendwie aus der Krise herauszukommen. Dabei verstellt so eine Denke den Weitblick für deutlich nachhaltigere Lösungen. Eine davon: Green field planning. Dieser „Grüne-Wiese-Ansatz“ im Sinne eines Business Process Reengineering (BPR) ist zwar im Grunde nicht neu. Neu ist allerdings die effektive Verbindung von Business Process Reengineering mit einer gleichzeitigen kulturellen Neuausrichtung. Beide Methoden zusammen verstärken den Effekt.

Bei einer Prozessoptimierung mit dem Grüne-Wiese-Ansatz wird grundsätzlich alles hinterfragt, was einen Prozess ausmacht: Von den Schnittstellen in der Organisation über Abläufe und Verantwortlichkeiten bis hin zu den verwendeten Betriebsmitteln und der Flexibilität hinsichtlich der Erbringung der Wertschöpfung.
Um die größten Potenziale für eine gesteigerte Wertschöpfung zu finden, geht man bei der Prozessverbesserung nicht von der tatsächlich bestehenden Organisationsstruktur aus, sondern von einer neuen, idealtypischen Struktur. Es wird also nicht – wie leider immer noch Usus in vielen Betrieben – ausschließlich auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen basierend „geschnitten“ und eingespart. Vielmehr wird so getan, als könne man das Unternehmen auf der grünen Wiese neu bauen. Eben so, als würden wir auf einem weißen Blatt Papier die perfekte Prozessgestaltung mit der dazugehörigen Organisationsstruktur neu aufmalen. Es ist im Grunde so wie in der Kinderzeit: Wir malen uns die Welt so, wie sie uns gefällt: Bäume wachsen in den Himmel, Kinder sind größer als ihre Eltern und die Sonne darf auch gerne mal grün strahlen. Alles kein Problem. Alles ist erlaubt. Jedenfalls zu Beginn des Projekts. Hier wird für jeden Teilbereich die Frage gestellt: Wie hätten wir es denn gerne? Und wie wäre es optimal?
Sind diese Fragen beantwortet, werden aus Visionen realistische Arbeitsabläufe, Strukturen und Stellenbeschreibungen. Kennzahlen für Schlüsselprozesse werden ermittelt, der Qualifizierungsbedarf bestimmt und die Konformität der neuen Struktur mit bestehenden Richtlinien und Normen geprüft. Gleichzeitig wird ein Kommunikations- und Projektplan zur Implementierung der neuen Strukturen und Abläufe erarbeitet. Anhand von Check-Kriterien wird die Umsetzung dieser Aktivitäten und Ziele kontinuierlich überprüft und im Team besprochen: Liegen sämtliche Prozessbeschreibungen vor? Sind alle neuen Organigramme fertig? Sind alle Stellen namentlich besetzt? Am Ende dieses Prozesses steht eine völlig neue Organisationsstruktur.
Klar: Dieser Verbesserungsansatz erleichtert die Optimierung von Prozessen und Kosten. Gleichzeitig ist dieser Ansatz aber auch zerstörerisch, denn er erschüttert bestehende Strukturen in ihren Grundfesten. Für die Belegschaft muss ein solcher Ansatz daher wie eine Bombe wirken: Alles, was bisher funktionierte, wird nun infrage gestellt. Es gibt neue Arbeitsweisen, neue Verantwortlichkeiten. Logisch, dass daher in der Belegschaft reflexartig – und vollkommen verständlicherweise – die Frage auftaucht: „Wie soll das gehen?“ Und da der Mensch ein Gewohnheitstier ist und prinzipiell allem Neuen erst einmal skeptisch gegenübersteht, wird dieser Veränderungsprozess schnell als Gefahr gesehen. Das Ergebnis: Blockade, Demotivation und innere Kündigung.
Ein Prozess, dem nur durch konsequente Integration der beteiligten Mitarbeiter und des Betriebsrates in den Veränderungsprozess entgegengewirkt werden kann. Dementsprechend ist es nicht mehr zeitgemäß, nur mit einem standardisierten Business Process Reengineering vorzugehen. Vielmehr muss dieses mit Methoden des Change Managements und einer ausgesprochen sichtbaren Führung und Kommunikation kombiniert werden. Notwendig ist also eine Art Komplementärberatung, bei der eine betriebswirtschaftlich geleitete Prozessoptimierung und eine Veränderungs- und Kommunikationsberatung miteinander verschmelzen.* Die Beratung muss daher betriebswirtschaftliche und soziale Aspekte verbinden. Denn nur so kann Veränderung nachhaltig wirken.
Auf Kundenseite erfordert das nicht nur eine offene Kommunikation und Kultur, sondern natürlich auch eine besondere Führungsqualität. Gute Führungskräfte sind Kommunikationsprofis. Der Schlüssel zur Umsetzung einer massiven Effektivitätssteigerung sind also Führungskräfte, denen es gelingt, die Belegschaft durch ihre Kommunikation zu motivieren und sie in die Umsetzung gesamtunternehmerischer Ziele aktiv einzubinden. Denn es sind gerade eine proaktive Kommunikation und die Einbindung der Beteiligten, die vielen Befürchtungen der Mitarbeiter von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen und Unruhe sowie innere Blockaden vermeiden. Der gesamte Prozess beginnt mit einer Reflexion auf der obersten Führungsebene, welches die zu erreichenden Ziele sind und wie der Weg dorthin mit höchster Wahrscheinlichkeit realisiert werden kann. Demzufolge wird ein Projektplan aufgesetzt, in dem die konkreten Maßnahmen zur Ist-Analyse, zum Konzept und zur Kommunikation mit der Belegschaft detailliert mit Verantwortung, Arbeitsorganisation und Timing festgelegt sind. In einem abgestuften Prozess werden die Führungskräfte aller Ebenen einbezogen, danach auch selektiv Spezialisten und weitere Mitarbeiter, um die „Grüne-Wiese-Ansätze“ im Gespräch mit ihnen auf der „Rüttelstrecke“ zu checken. Dies geschieht zum Beispiel mit Interviews, Befragungen, Workshops und Großgruppenveranstaltungen.
Eine Prozessoptimierung mit dem „Grüne- Wiese-Ansatz“ kann natürlich nie nach Schema F ablaufen. Die Tuchfühlung mit dem Management, den Führungskräften, den Mitarbeitern und dem Betriebsrat im laufenden Prozess ist enorm wichtig, damit schon kleinste atmosphärische Störungen wahrgenommen und direkt bearbeitet werden können.
Durch die intelligente Kombination aus „Grüne-Wiese-Ansatz“ , Business Process Reengineering und Mitarbeiterbeteiligung lassen sich enorme Potenziale heben. So hat zum Beispiel die I&E Beratergruppe aus Hannover im vergangenen Jahr die Performance eines großen Industriekonzerns deutlich gesteigert: Der Kunde musste nach Konzernvorgabe sein Personal um 15% reduzieren. Durch die Verbindung der genannten Maßnahmen konnte die Effizienz gesteigert werden, und das ohne Mehrbelastung der Mitarbeiter, wobei die bisherigen Leistungsparameter wie Menge, Liefertreue und Qualität der Produkte gehalten werden konnten.
Natürlich beschränkte sich die Maßnahme nicht nur auf den Produktionsbereich, sondern integrierte auch die Verwaltungs- und Führungsebenen, da hier ein großer – aber oft vernachlässigter – Anteil der Wertschöpfung verborgen liegt. Diese Erkenntnis ist gerade in Zeiten relevant, in denen in einem durchschnittlichen Betrieb auf jeden direkt wertschöpfenden Mitarbeiter in der Produktion ein Mitarbeiter in Overhead-Funktionen kommt. Unternehmen, die das erkannt haben und mit den skizzierten Methoden arbeiten, sind deutlich schlanker und mit einer unterstützenden Unternehmenskultur ausgestattet, wenn man wie beschrieben den Weg einer drastischen Umgestaltung des Unternehmens gemeinsam gegangen ist. Damit ist man auf dem besten Weg aus der Krise. Und zwar nicht irgendwie. Sondern nachhaltig.
  • Die Autoren
  • vgl. Dr. Roswitha Königswieser & Ulrich Königswieser: Gegensätze verschmelzen. In: ManagerSeminare 132, S. 19 ff.

  • Alles auf Anfang

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    Klar: Der Grüne-Wiese-Ansatz erleichtert die Optimierung von Prozessen und Kosten. Gleichzeitig ist er aber auch zerstörerisch, denn er erschüttert bestehende Strukturen in ihren Grundfesten. Allerdings mit beachtlichen Erfolgschancen.

    Intelligent kombiniert

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    Durch die intelligente Kombination aus „Grüne-Wiese-Ansatz“, Business Process Reengineering und Mitarbeiterbeteiligung lassen sich enorme Potenziale heben.
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