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Die Maschine muss Störungen frühzeitig im Klartext melden

Instandhaltung: Condition Monitoring verrät Fehler im Voraus
Die Maschine muss Störungen frühzeitig im Klartext melden

Wartungsexperten quälen brennende Fragen: Wie lange kann mit einem „angeschlagenen“ Maschinenteil noch sicher gefertigt werden? Arbeitet die Maschine im Grenzbereich ihrer Leistung stabil? Condi- tion Monitoring, die computerintegrierte, zustandsbezogene Instandhaltung gibt hier sichere Antworten.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

„Viele Unternehmen sehen die Pflege der Produktionsanlagen in erster Linie als Kostenfaktor, dabei ist die Produktionskapazität ihr wichtigstes Potenzial“, sagt Georg Kürfgen, Vorsitzender der Geschäftsführung von Thyssen-Krupp Plant Services GmbH in Gelsenkirchen. Denn kommt es beispielsweise in der Papier- oder Kunststoffindustrie zu Pannen, kann es sehr schnell schmerzhaft teuer werden. „Der ungeplante Ausfall einer Papiermaschine kostet zwischen 10 000 und 30 000 Euro pro Stunde“, rechnet Dr.-Ing. Bernd Geropp hoch, Geschäftsführer von FAG-Industrial-Services GmbH in Herzogenrath. Beide Unternehmen haben sich auf die zustandsorientierte Instandhaltung konzentriert. „Mit Condition Monitoring als Werkzeug der Instandhaltung lassen sich nicht nur Betriebskosten senken. Das Ziel ist vielmehr, Schäden rechtzeitig vorherzusagen, die Verfügbarkeit zu erhöhen sowie die Restnutzungsdauer der Maschinen optimal auszuschöpfen und ihre Weiterentwicklung zu unterstützen“, stellt Georg Kürfgen fest.
„Ein entscheidener Faktor ist die Wahl der Systeme“, ergänzt Dipl.-Ing. Fred Kuhnert, Leiter Condition Monitoring bei Thyssen-Krupp. Diagnosesysteme von der Sensorik über die Thermografie bis hin zur Schwingungsanalyse in Online- und Offline-Versionen sollen seinen Mitarbeitern helfen, rechtzeitig verschleißbedingte Veränderungen zu erkennen.
Ein Beispiel liefert die Stahl- und Aluminiumindustrie. Sie hat mit immensen Kosten beim Ausfall und teuren Qualitätsmängeln zu kämpfen, wenn die Anlage „aus dem Ruder läuft“. „Stahlhersteller sind dem Spagat zwischen ständig steigender Produktivität oder Qualität und gleichzeitig sinkendem Personaleinsatz, besonders in der Instandhaltung, ausgesetzt“, weiß FAG-Branchenmanager Oliver Massa aus Erfahrung. Das betreffe auch die Walzwerkbetreiber, die diese Vorgaben nur mit verkürzten Instandhaltungszyklen und einer höheren Verfügbarkeit ihrer Produktionsanlagen erreichen können.
In diesen kostensensiblen Bereichen soll der Schwingungswächter Dtect X1 für die nötige Prozesssicherheit sorgen. Er wird primär zur Qualitätssicherung eingesetzt, um unter anderem Brummerschwingungen, Maschinenresonanzen wie auch Rattern zu diagnostizieren und durch automatischen Eingriff die Bandgeschwindigkeit sofort zu vermindern. Für die Anlagenbetreiber sei das Vermeiden von Resonanzerscheinungen deshalb so wichtig, weil sie drastische Qualitätseinbußen der Stahl- oder Aluminiumbänder verursachen, hebt man in Herzogenrath hervor. So werten so genannte Chatter Marks – nahezu nicht messbare Dickenschwankungen des Bandes – das Coil wirtschaftlich ab: Speziell die Kunden aus der Automobilindustrie sowie die Hersteller von „Weißer Ware“ oder auch Heizkörpern nehmen solche Coils nicht ab, da die Dickenschwankungen des Metalls etwa auf einer lackierten Autokarosserie zu unerwünschten Schattierungen führen.
Die Gegenmaßnahmen aus Herzogenrath verdeutlicht Oliver Massa mit einem Beispiel: „An einer mit fünf Gerüsten ausgestatteten Kaltwalzstraße ist jeweils einer der intelligenten Schwingungswächter pro Gerüst installiert. Auftretende Resonanzen werden damit rechtzeitig erkannt, und es wird sofort gegengesteuert.“ Zur Analyse der Resonanzfrequenzen würden im Vorfeld der Installation bei einem Run-up die Zeitsignale der einzelnen Walzgerüste aufgezeichnet. In den Sonogrammen der Frequenzspektren der einzelnen Zeitsignale seien dann deutlich die Resonanzbereiche der Gerüste zu erkennen. Diese ermittelten Resonanzbereiche fließen dann als Überwachungsfenster in die Konfiguration des Schwingungswächters ein.
Die Anzeige der Schwingungspegel in den Überwachungsfenstern wird in die Maschinensteuerung des Walzwerks integriert, so dass der Bediener im Leitstand kritische Walzgeschwindigkeiten sofort erkennt und in einem ersten Schritt manuell gegensteuern kann. Nach einer Lernphase von einigen Monaten kann dann im nächsten Schritt das Signal des Dtect X1 in der Maschinensteuerung direkt zum automatischen Reduzieren oder Erhöhen der Walzgeschwindigkeit genutzt werden. Sämtliche Überwachungseinheiten sind in ein TCP/IP-Netzwerk integriert, in dem ein CM-Server alle Daten sammelt und die zusammengefassten Ergebnisse an das Siemens-DCS (Distributed Control System) weitermeldet.
Doch auch im Bereich Antriebstechnik ist Condition Monitoring auf dem Vormarsch. So hat die Bosch Rexroth AG in Lohr auf der Basis der im Antrieb integrierten SPS – Indra-Motion – mit dem Productivity Agent eine erweiterte Diagnosefunktion entwickelt, die Condition Monitoring hoch automatisiert und ohne zusätzliche Sensorik ermöglicht. „Der Antrieb, also Regler und Motor, überwacht hierbei nicht nur sich selbst, sondern auch die angekoppelte Mechanik. Damit lassen sich dank der erweiterten Antriebs-Diagnosefunktionen mechanische Probleme frühzeitig erkennen und diagnostizieren“, erläutert Matthias Wahler, Leiter Systementwicklung/Antriebe im Geschäftsbereich Electric Drives and Controls. Rexroth habe damit in der Antriebstechnik ein Frühwarnsystem zum Planen von Service- und Wartungseinsätzen – zum Beispiel in Produktionspausen – realisiert. Entscheidend sei hierbei, dass die Lösung keine zusätzliche Sensorik erfordere, sondern nur unter Verwendung der ohnehin im Motor vorhandenen Messwerte in der Lage sei, eine präventive Diagnose durchzuführen. Überwacht und erkannt werden mit dem Productivity Agent Veränderungen der Reibungsverhältnisse, wie Schwergängigkeit von Wälzführungen und Spindel, Steifigkeit der Mechanik sowie Spiel von Getriebe oder Spindel. Die Entwicklung geht hier in Richtung dezentraler Intelligenz, Selbstdiagnose und Handlungsautonomie der Kontrollsysteme.
Diesen Trend hat auch die Prüftechnik Condition Monitoring GmbH, Ismaning, erkannt, die mit ihrem Überwachungssystem „Vibroweb XP“ prozesskritische Systeme und Anlagen kostengünstig im Griff halten will. Vibroweb XP arbeitet autonom, also ohne PC-Anschluss, die programmierten Messaufgaben ab, präzisiert Vertriebsleiter Michael Stolze. Als intelligenter Diagnoseroboter erkenne das System unterschiedliche Betriebszustände einer Anlage und passe Erfassung wie auch Auswertung der Messdaten selbstständig an diese an. Die einfache Installation mache Vibroweb XP dabei ideal für Einzelaggregate. Messdatenversand, Fernzugriff und Fernsteuerung laufen über Ethernet, Modem oder Funk.
Zustände und Veränderungen einzelner Werkzeugmaschinenkomponenten, in erster Linie von Achsen und Spindeln, ohne zusätzliche Sensorik direkt über die Maschinensteuerung ermittelt der Nürnberger Siemens-Bereich A&D. Die Ergebnisse der Testverfahren des Dienstleistungspaketes eP-Performance werden auf Servern gespeichert und mit Hilfe bewährter analytischer Mechanismen ausgewertet.
So lässt sich zum Beispiel aus dem Drehmomentverlauf einer Achse, über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehr genau erkennen, wie sich die Schwergängigkeit im Antriebsstrang verändert. Voraussetzung sind eine PC-basierte Steuerungs-Hardware, wie die Sinumerik-Varianten 810D/840Di/840D mit PCU 50, ein Internet-Zugang und ein herkömmlicher Webbrowser. Das Paket lässt sich keineswegs nur auf Werkzeugmaschinensteuerungen einsetzen. Auch Schütze der Baureihe Sirius werden überwacht. Sie verfügen über die Funktion Restlebensdauermeldung RLT, die den Verschleiß (Abbrand) der Hauptkontakte erkennt und anstehende Kontaktwechsel meldet.
Bleibt noch die Frage nach der wirtschaftlichen Realisierung von Condition Monitoring-Projekten. „Weil die Preise für Sensoren sowie Hard- und Software in den vergangenen Jahren drastisch gefallen sind, kann der Preis kein allzu großes Entscheidungskriterium mehr für den Einsatz oder Verzicht auf Condition Monitoring sein“, antwortet Dr. Edwin Becker, Fachbereichsleiter Condition Monitoring bei Flender Service in Herne. Einen Blick in die Zukunft hält er auch bereit: „Wir müssen Condition-Monitoring-Systeme in Maschinen- wie auch Firmennetzwerke integrieren und standardisierte Daten erzeugen, damit die Maschine ihre Fehler im Klartext selbst meldet.“
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