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Die Software ist den Einbrechern immer einen Schritt voraus

Zutrittskontroll-Systeme sind mehr als ein verlängerter Wachmann
Die Software ist den Einbrechern immer einen Schritt voraus

Es gibt keinen Trick, mit dem sich Zutrittskontroll-Systeme überlisten lassen. Ausgeklügelte Software-Pakete und Biometrie-Systeme garantieren, dass sich Türen und Schranken nur berechtigten Personen öffnen.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

Unternehmen müssen sich vor Eindringlingen schützen. Neben den Sachwerten wie Computer oder Maschinen ist es vor allem der Datenbestand, der den Wert einer Firma ausmacht. Nicht umsonst sind die heiligen Hallen des IT-Bereichs besonders gut abgeschottet. Hier darf nicht jeder Mitarbeiter hinein, Fremde kommen nicht einmal in die nähere Umgebung der Server-Farmen.
Am besten alles verrammeln und jeden kontrollieren und abtasten, den man nicht kennt. Diese Lösung wäre nicht nur aufwendig und teuer, sie widerspräche auch der modernen Firmen-Kultur: Das Unternehmen muss Offenheit ausstrahlen für Kunden und Besucher. Jeder, der sich dem Haus nähert, soll das Gefühl entwickeln: Hier bist du willkommen. Mit einem ausgefeilten Zutrittskontroll-System lassen sich die gewünschte Offenheit und zugleich ein angemessener Schutz für sensible Bereiche herstellen.
Bei der Zutrittskontrolle (ZK) geht es immer um die Frage: Wer darf wann wo hinein? Grundsätzlich wird das Unternehmen in Sicherheitszonen aufgeteilt, in denen sich Mitarbeiter und Besucher mit entsprechender Berechtigung aufhalten dürfen. Diese so genannten Raumzonen unterscheiden sich durch die Zutrittsrechte. Die klassische ZK bietet zudem einige interessante technische Varianten. Sie alle dienen einem Zweck: Unerwünschte Eindringlinge sollen nicht dorthin kommen, wo sie hin wollen – egal, was für ausgefallene, plumpe oder geniale Tricks sie auf Lager haben (siehe Kasten).
Neben der klassischen Zutrittskontrolle mit Ausweisen, die berührungslos oder noch mit der inzwischen überholten Magnetstreifen-Technik arbeiten, findet derzeit die biometrische ZK den Weg zur breiten Anwenderschaft. Jürgen Junghanns, Produktmanager Identifikation und Biometrie bei der Interflex Datensysteme GmbH in Stuttgart: „Vor allem der Fingerabdruck hat sich als taugliches Mittel etabliert, ausgewählte Unternehmensbereiche vor unberechtigtem Zutritt zu schützen.“ Entsprechende Aufklärungs- und Werbemaßnahmen der Hersteller von Fingerprint-Sensoren haben dieser Technik inzwischen den Geruch des Kriminellen und das Derrick-Image genommen.
Der Optik-Spezialist Carl Zeiss genießt bereits die Vorzüge eines modernen Zeiterfassungs- und Zutrittskontroll-Systems, das 8500 Mitarbeiter in Oberkochen, Jena, Aalen und Göttingen benutzen. Im Einsatz befindet sich eine Lösung von Interflex. Die Zeissianer hatten bereits ein Alt-System mit unterschiedlichen Erfassungs-Fabrikaten bundesweit in Betrieb. Allerdings entsprach es nicht mehr den gestiegenen Anforderungen, und der Lieferant existierte auch nicht mehr. „Mit unserem Alt-System hatten wir nur noch Kosten und keinen Nutzen“, beteuert Sigurd Fuchs, Systembeauftragter bei Zeiss. Auf den ersten Blick schien es am einfachsten, das Alt-System auf einen Sitz abzulösen. Sigurd Fuchs hatte da andere Vorstellungen: „Wir wollten übergangsweise das alte System noch nutzen. Unsere Mitarbeiter sollten von der ganzen Umstellung nichts merken.“
Nach einem ausgeklügelten Plan wurden schrittweise 170 Terminals an den Standorten Oberkochen, Jena, Aalen, Esslingen und Göttingen durch Interflex-Terminals ersetzt. Mit Hilfe so genannter Kombiausweise konnten die Mitarbeiter in der Übergangsphase weiterhin die Altgeräte nutzen, bis schließlich alle Lesegeräte gegen Interflex-Terminals mit berührungsloser Lesetechnologie ausgetauscht waren. Im Hintergrund lief die Installation des neuen Software-Systems IF 6020 von Interflex. Die Lösung wurde individuell parametrisiert, so dass jedem Mitarbeiter ein so genanntes Wochenprogramm und ein individuelles Zutrittsprofil zugeordnet werden konnte. In den Wochenprogrammen ist hinterlegt, an welchen Tagen welche Parkschranken und Drehkreuze für den Mitarbeiter freigegeben sind. Im Zutrittsprofil ist festgeschrieben, wer sich wann in welchen Bereichen des Unternehmens bewegen darf.
Nach Umsetzung der Software-Installation folgte die Produktion und Ausgabe der neuen Ausweiskarten. Betroffen waren 8500 Zeissianer und rund 1500 dauerhafte Fremdmitarbeiter. „Am Anfang hatten wir wirklich Bauchschmerzen, weil die Ausweise mit Foto zu personalisieren waren. Wir hatten das Ganze im Vorfeld hochgerechnet und wußten, was da auf uns zukam“, erinnert sich Fuchs. Die integrierte Ausweiserstellung von Interflex half Fuchs aus der Klemme. Mit dem System Image 2000 dauerte die Produktion eines Ausweises lediglich eine Minute. Der Mitarbeiter setzte sich vor die Videokamera, das Protrait wurde aufgenommen, am PC nachbearbeitet und auf die Ausweiskarte aufgedruckt. In der Ausweiskarte befindet sich ein Chip, auf dem alle notwendigen Daten bereits gespeichert sind. Schließlich wird der Ausweis im System freigeschaltet, und der Angestellte kann sofort an allen Terminals buchen, die zu seiner Organisationsgruppe gehören.
Als Zusatzmodul wünschte Zeiss eine Schlüsselverwaltung, die eine direkte Zuordnung zu ausgewählten Personen ermöglicht. Dazu gehören vor allem sicherheitsrelevante Schlüssel für sensible Bereiche, zu denen das Rechenzentrum und diverse Entwicklungsabteilungen gehören. 700 Mitarbeiter greifen über das System auf rund 200 Keys zu. Zeiss kann zu jedem Zeitpunkt sicherstellen, dass nur berichtigte Mitarbeiter einen entsprechenden Schlüssel ausgehändigt bekommen.
Um die Sicherheit eines ZK-Systems zu erhöhen, kann der Ausweis mit einer PIN-Nummer kombiniert werden (PIN = Personal Identification Number). Neben dem Besitz (Ausweis) wird zusätzlich Wissen (Nummer) überprüft. PINs gibt es heute allerdings für alle möglichen Anwendungen: Vom Handy über die Scheck-Karte bis hin zur Transaktionsnummer für Home-Banking. „In der digitalen Welt braucht man ein gutes Zahlengedächtnis“, stellt Dr. Hermann Eul von der Infineon Technologies AG in München fest. „Oder man steht – im Falle der Zutrittskontrolle – vor verschlossener Tür.“
Abhilfe schaffen biometrische Systeme. Sie sind mehr als nur eine praktische Alternative zu Zahlencodes, denn sie können weder vergessen, noch weitergegeben, erspäht oder gestohlen werden. Bei den biometrischen Ident-Verfahren werden unverwechselbare Charakteristika einer Person mit Scannern oder Sensoren erfasst und gespeichert. In der Anwendung wird das gespeicherte Muster mit dem aktuellen Ist-Muster verglichen.
Zu den physiologischen Merkmalen gehören Gesicht, Retina, Iris, Fingerabdruck, Ohr, Handgeometrie oder die Venenmuster auf dem Handrücken. Daneben gibt es so genannte verhaltenstypische Merkmale. Hierzu zählen Unterschrift, Stimme, Gestik oder das Tippverhalten an der Computer-Tastatur.
„65 Prozent der weltweit eingesetzten biometrischen Systeme basieren derzeit auf dem Fingerabdruck“, weiß Infineon-Manager Eul. „Bis zum Jahr 2010 werden Fingerprint-Erkennungssysteme die heute üblichen Passwörter und PINs endgültig abgelöst haben.“ Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan beziffert den derzeitigen Markt an Biometrie-Systemen weltweit auf 20 Mio. Dollar. Bis zum Jahr 2005 soll der Umsatz gar auf knapp eine Mrd. Dollar steigen.
Beim Zeiterfassungs-Spezialisten Kaba Benzing GmbH in Villingen-Schwenningen hält man diese Prognose für sehr ehrgeizig, doch ein Wachstumspotenzial räumen die Schwarzwälder dem Bereich allemal ein. „Wir glauben, dass bei rund zehn Prozent der zukünftigen ZK-Projekte Biometrie zum Einsatz kommen wird“, betont Marketingleiter Joachim Schmidt.
Zuweilen wird der Mitarbeiterausweis komplett durch den Fingerprint ersetzt. Finger statt Ausweis lautet die Devise – insbesondere bei Großunternehmen im Ausland mit hoher Fluktuation. Aber auch in Deutschland registriert Kaba Benzing eine verstärkte Nachfrage, beispielsweise in der Lebensmittelbranche, deren Mitarbeiter keine Ausweise mehr bei sich tragen dürfen. Nicht zufällig wurde eine Großschlachterei in Bayern zum ersten Pilotanwender von Kaba Benzing.
Die Schott-Rohrglas GmbH in Mitterteich gehört inzwischen auch zum erlauchten Anwenderkreis einer biometrischen Zutrittskontrolle. Der Hersteller von Röhren, Stäben, Profilen und Kapillaren aus Spezialglas für technische und pharmazeutische Anwendungen gönnte sich diesen Luxus für seinen IT-Rechnerbereich. Günter Schedl, Leiter der Ablauforganisation: „Hier befindet sich der Kern unseres Unternehmens, wo absolute Sicherheit gewährleistet sein muss.“ So wurden insgesamt drei Türen mit einem Fingerprint-System ausgestattet. Die berechtigten Mitarbeiter melden sich zuerst am Zutrittsterminal mit ihrem Schlüsselanhänger an und müssen sich dann am Biometriegerät über zwei Finger eindeutig verifizieren. Erst dann öffnen sich die heiligen Hallen zum Server-Raum. „Unbefugte haben keine Chance“, fasst Schedl zusammen.
„Biometrie ist Sicherheit und Komfort. Wer bei der Zutrittskontrolle durch Auflegen des Fingers oder Blick in die Kamera seine Türen öffnen kann, wird diesen Komfort registrieren und genießen“, schwelgt Gerhard Kiemann. Der Geschäftsführer der Münchner PCS Systemtechnik GmbH setzt auf die steigende Leistungsfähigkeit der Systeme. Damit werde auch die Chance für einen professionellen Einsatz weiter wachsen. „Die Biometrie ist im Aufwind, weil Sicherheit und Komfort auf der menschlichen Bedürfnisskala ziemlich weit oben rangieren“, so Kiemann.
Sicherheit kann man auch auf die Spitze treiben. Selbst den markabren Fall, dass sich Eindringlinge mit Hilfe des abgetrennten Fingers eines Zutrittsberechtigten Einlass verschaffen wollen, haben die Hersteller von Fingerprint-Sensoren mit auf der Rechnung: Mit Hilfe einer so genannten Lebenderkennung wird unter anderem der Blutsauerstoff im aufgelegten Finger eindeutig bestimmt. Ist der nicht in Ordnung, bleiben die Türen zu.
Aus der Trickkiste der Zutrittskontrolle
– Anwesenheitskontrolle: In einem Raum müssen sich mindestens zwei Personen gleichzeitig befinden. Ein Mensch alleine kann die Tür mit seinem Ausweis nicht öffnen, es müssen sich immer zwei Mitarbeiter innerhalb einer definierten Zeitspanne anmelden. Danach können weitere Personen einzeln eintreten. Dieses Verfahren kommt zum Einsatz, wenn zwei Mitarbeiter sich gegenseitig kontrollieren sollen – etwa in einem Bank-Tresor. Das Verfahren wird auch in Industrie-Unternehmen genutzt, zum Beispiel bei hermetisch abgeschlossenen Entwicklungsabteilungen. Die Vorgehensweise wird auch als Vier-Augen-Prinzip bezeichnet.
– Austrittskontrolle: Die beiden letzten Personen, die sich in einem Raum befinden, können diesen nur gemeinsam und in einem festgelegten Zeitfenster verlassen. Die Austrittskontrolle ist quasi die Anwesenheitskontrolle in umgekehrter Reihenfolge.
– Zeitliches Anti-Passback: Hat ein Mitarbeiter einen Raum betreten, ist sein Ausweis für eine frei definierbare Zeitspanne für diesen Bereich gesperrt. Dadurch soll verhindert werden, dass er – bildlich gesprochen – seinen Ausweis unter der Türe durchschiebt und auf diese Weise einer weiteren Person den Zutritt ermöglicht.
– Logisches Anti-Passback: Hat ein Mitarbeiter einen Raum betreten, ist seine Karte für diesen Bereich so lange gesperrt, bis er den Raum wieder verlassen hat.
– Logische Zutrittskontrolle: Hier wird geprüft, ob die Person, die eine Tür öffnen möchte, die Tür davor ordnungsgemäß benutzt hat. Mit anderen Worten: Hat sich der Mensch in den Raum eingebucht, in dem er jetzt buchen will? Falls nicht, ist an der aktuellen Pforte Endstation, denn dann geht etwas nicht mit rechten Dingen zu.
Industrieanzeiger
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