Startseite » Allgemein »

Die Zukunft am Bosporus hat begonnen

Allgemein
Die Zukunft am Bosporus hat begonnen

Die Türkei ist längst kein Geheimtipp mehr für Einkäufer und Investoren. Im Zuge seiner gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung hat sich das Land am Bosporus als ein international bedeutender Standort für Beschaffung und Fertigung etabliert, den auch die deutschen Unternehmen zu schätzen wissen. Zu den umsatzstärksten Branchen zählen heute – neben der Textil- sowie der Eisen- und Stahlindustrie – der Maschinen- und Fahrzeugbau.

Die türkische Tochtergesellschaft der Stuttgarter Robert Bosch GmbH ist auf Wachstumskurs: Mit einer neuen Fertigungshalle am Standort Bursa hat die Bosch Sanayi ve Ticaret ihre Produktionsfläche auf insgesamt 117 000 m² ausgebaut. In der neuen Halle sollen künftig Injektoren der 3. Generation von Common-Rail-Dieseleinspritzsystemen für Pkw hergestellt werden. Rund 15,5 Mio. Euro hat sich die Bosch-Gruppe den Neubau kosten lassen. „Wir haben großes Vertrauen in die Fähigkeiten unseres Standortes Bursa“, begründet Dr. Karl Nowak, kaufmännischer Bereichsvorstand von Bosch Diesel Systems, die Investition in die türkische Niederlassung. Rund 200 Mitarbeiter will das Unternehmen zusätzlich in Bursa einstellen und damit die Zahl der Beschäftigten im Bereich Kraftfahrzeugtechnik in der Türkei auf 4500 erhöhen.

Dank des kräftigen Wirtschaftswachstums, niedriger Arbeitslöhne, der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zur EU und nicht zuletzt aufgrund der geografischen Nähe wird die Türkei zunehmend für viele Unternehmen interessant. Die schwäbische Bosch-Gruppe hat den Markt am Bosporus schon lange für sich entdeckt: Bereits seit 1910 ist das Unternehmen in der Türkei präsent. Heute verfügt Bosch dort über Fertigungen in den Bereichen Kraftfahrzeugtechnik, Industrietechnik, Thermotechnik sowie Hausgeräte und beschäftigt rund 6700 Mitarbeiter an zehn Standorten. Gürcan Karakas, Geschäftsführer der Bosch San ve Tic A.S., freut sich über die Investitionen in seinem Heimatland: „Das neue Werk steht für die positive Entwicklung der türkischen Wirtschaft.“ Seit 1995 hat die Gruppe in der Türkei insgesamt 685 Mio. Euro in den Bereich Kraftfahrzeugtechnik investiert, davon 168 Mio. Euro allein im vergangenen Jahr. Investitionen, die sich laut Nowak nicht nur für den Bereich Kraftfahrzeugtechnik gelohnt haben: 2005 betrug der Umsatz der Bosch-Gruppe auf dem türkischen Markt 634 Mio. Euro. Der Nettogesamtumsatz, also der Umsatz ohne Importe und einschließlich der Exporte der türkischen Gesellschaften, schlug im gleichen Zeitraum mit rund 1,2 Mrd. Euro zu Buche.
Die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen in die Türkei hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Zahl der deutschen Firmenniederlassungen verdoppelte sich zwischen 1995 und 2000 auf 1000 und ist zum Jahreswechsel 2005/2006 auf über 2000 gestiegen. Nicht nur namhafte Firmen wie Bosch, DaimlerChrysler und ZF Friedrichshafen sind mit dabei – auch viele mittelständische Unternehmen haben das wirtschaftliche Potenzial der Türkei erkannt.
Vor allem der Automobilmarkt in der Türkei boomt. Nach dem Ergebnis einer Studie, in der die Unternehmensberatung Management Engineers im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Verbands der Automobilindustrie (VDA) den türkischen Automobilsektor untersucht hat, hat sich die Türkei in den letzten zehn Jahren zu einem neuen Zentrum der Automobil- und Zulieferindustrie entwickelt. In den Produktionsstätten werden Modelle für die Ausfuhr in die EU hergestellt.Zusammen mit der Zulieferindustrie beschäftigt die Branche mehr als eine halbe Million Menschen. Trotz des Aufschwungs seien die Produktionskapazitäten noch nicht ausgelastet und das Potenzial für ein Engagement deutscher Unternehmen groß. Allerdings warnen Branchenkenner davor, die Türkei als Niedriglohnland zu sehen. Einfache Fertigungsprozesse mit einem hohen Lohnkostenanteil werden häufig aus der Türkei in Länder wie Bulgarien oder Rumänien ausgelagert, während sich die türkische Automobilindustrie auf Prozesse mit hoher Wertschöpfungstiefe konzentriert, so die Experten von Management Engineers. Bedeutender als die Möglichkeit, kurzfristige Lohnkostenvorteile zu erzielen, sei das Potenzial, einen interessanten, regionalen Absatzmarkt zu erschließen.
Neben der Automobilindustrie bietet auch der Markt für Maschinen und Anlagen deutschen Herstellern dank der günstigen Investitionskonjunktur interessante Lieferchancen. Necip C. Bagoglu, Türkei-Korrespondent der Kölner Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai), sieht insbesondere bei den exportorientierten türkischen Betrieben des produzierenden Gewerbes einen hohen Bedarf an Maschinen und Anlagen, der vor allem in den technologieintensiven Sparten durch Importe gedeckt werden muss. Für den Zeitraum 2006 bis 2013 rechnet der türkische Verband der Maschinenhersteller MIB mit einem jährlichen Anstieg der Maschinennachfrage um 10 % bis 12 %; die Maschinenimporte sollen durchschnittlich 15 % zulegen.
Nach Angaben von Türkei-Experte Bagoglu wächst vor allem der Bedarf an Werkzeugmaschinen kräftig. Die türkischen Einfuhren in dieser Sparte, die 2004 gegenüber dem Vorjahr um 66,2 % auf 963,9 Mio. US-$ wuchsen, nahmen 2005 um weitere 23,3 % zu. „Dabei“, so Bagoglu, „beobachten wir einen Trend zum Import von Bearbeitungszentren statt von Einzelmaschinen.“ Wegen der gestiegenen Qualitätsansprüche der Abnehmer konzentriere sich die Nachfrage immer mehr auf Hochtechnologieausrüstungen.
Als weiteren Wachstumsmarkt der Türkei hat die bfai den Bereich Kunststoffmaschinen ermittelt: Benötigt werden unter anderem verschiedene Spritzgussmaschinen, Folienherstellungsmaschinen sowie diverse Anlagen zur Produktion von Kabeln, Schläuchen und Rohren. Der Jahresumsatz der türkischen Kunststoffbranche werde sich nach Ansicht von Necip C. Bagoglu von rund 10 Mrd US-$ im vergangenen Jahr bis 2010 auf 20 Mrd. US-$ verdoppeln. Die größten Abnehmer von Kunststofferzeugnissen sind laut bfai-Experte die Verpackungsindustrie und die Bauwirtschaft.
Für ausländische Investoren haben sich die Voraussetzungen in der Türkei stetig verbessert. Rahmenbedingungen, Gesetze und Regelungen ändern sich allerdings unverhältnismäßig häufig, wie die IHK Köln betont. Daher sei bei konkreten Vorhaben eine tiefgehende Analyse der tatsächlichen Rahmenbedingungen notwendig. Nichtsdestotrotz verfolgt die türkische Regierung vor allem das Ziel, die Wirtschaft des Landes durch die Anziehung von ausländischem Kapital und Technologietransfer international wettbewerbsfähiger zu machen. Zu den Fördermöglichkeiten, die Investoren in Anspruch nehmen können, gehören unter anderem
  • vollständiges Absetzen der Investitionsausgaben,
  • zinsvergünstigte Darlehen,
  • Befreiung von verschiedenen Gebühren,
  • Mehrwertsteuerbefreiung oder Rückerstattung bei Importen,
  • kostenlose Zuteilung von staatlichem Land,
  • teilweise Deckung der Umzugskosten durch Kreditgewährung.
Die Förderdauer liegt in der Regel zwischen drei und sechs Jahren.
Um Unterschiede in der regionalen und sektoralen Wirtschaftsentwicklung auszugleichen, wurden in der Türkei so genannte Freizonen geschaffen – steuerfreie Gebiete, die sich in der Nähe zu großen Häfen am Mittelmeer, der Ägäis und dem Schwarzen Meer befinden. Die in Tekirdag/Corlu errichtete Industrie- und Freihandelszone ASB (www.asb.com.tr) beispielsweise stellt Dutzende Gewerbeflächen von 2500 m² bis 10 000 m² zur Verfügung. Unternehmen, die sich dort ansiedeln, werden sowohl von der Unternehmens-, Einkommens- und Mehrwertsteuer als auch von Zöllen und sonstigen Abgaben befreit und haben die Möglichkeit, Gewinne und Erträge steuerfrei in die Türkei und ins Ausland zu transferieren.
Auf die Unternehmen, die in der Türkei investieren oder eigene Vertriebsstrukturen aufbauen wollen, warten nach Ansicht von Marc Landau, Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer, gut ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiter. Vor allem türkische Führungskräfte werden von den vor Ort tätigen deutschen Unternehmen geschätzt und in den allermeisten Fällen lassen sie ihre türkischen Tochtergesellschaften auch von lokalen Managern leiten. Landau bewertet die Geschäftsmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft positiv: „Die Perspektive des EU-Beitritts sorgt in der Türkei für viel Motivation. Die Türken wollen sich die Chance auf diesen Beitritt nicht entgehen lassen und werden alles daran setzen, ihr Land weiter zu modernisieren.“ Seiner Meinung nach werde das Wirtschaftswachstum am Bosporus weiterhin rund 5 % im Jahr betragen. „Damit wachsen auch die Geschäftsmöglichkeiten deutscher Unternehmen hier im Land“, so Landau. „Die Zeit für einen Einstieg in die Türkei ist günstig.“
Susanne Schwab und Jens-Peter Knauer susanne.schwab@konradin.de
Die Türkei ist auf der Überholspur nach Europa
Werkzeugmaschinen sind am Bosporus begehrt

Ausfuhr: Investoren bevorzugt
Die wichtigsten Ausfuhrgüter deutscher Unternehmen in die Türkei sind Maschinen, Kfz-Teile und Fahrzeuge. Dabei können Maschinen und Ausrüstungen, die für eine Investition vorgesehen sind, ohne die Zahlung von Zöllen und Fondsabgaben eingeführt werden. Dazu müssen diese jedoch in der vom Generaldirektoriat für ausländische Investitionen genehmigten Liste über zu importierende Maschinen und Ausrüstungsgegenstände aufgeführt sein. Rohstoffe und Halbfertigwaren fallen nicht unter diese Maßgabe.

globalisierung
Lange unterschätzt, wird die Türkei heute gern als Tiger am Bosporus bezeichnet. Mit seiner strategisch günstigen Lage, niedrigen Steuern, gut ausgebildeten Fachkräften und einem großen Binnenmarkt zählt das Land zu den ersten Adressen für Direktinvestitionen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de