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Druckwalzen reicht jetzt der Schnellwaschgang

Chemische Nanotechnologie: Geheimrezept für saubere Oberflächen
Druckwalzen reicht jetzt der Schnellwaschgang

Druckwalzen-Hersteller Zecher konnte den Reinigungsaufwand für seine Rasterwalzen um 70 % senken und damit die Stillstandszeiten nach Druckwechseln minimieren. Dies ermöglichte die Nanotechnologie durch maßgeschneiderte Oberflächenbeschichtungen.

Dr. Gerhard Jonschker ist Direktor Nanokomposite der Nanogate Technologies GmbH in Saarbrücken

Verschmutzte Anlagen und Geräte bedeuten für die Industrie hohe Zusatzkosten. Die Stillstandzeiten zum Reinigen der Maschinenelemente sind teuer und führen teils zu Qualitätseinbußen. Ein weiterer Kostenfaktor ist das Entsorgen von aggressiven Reinigungslösungen. Die chemische Nanotechnologie bietet hier Abhilfe: Antihaftbeschichtungen und -veredelungen können Verschmutzungseffekte erheblich reduzieren.
Die Zecher GmbH in Paderborn, Vorreiter bei der Herstellung laserstrukturierter keramischer Rasterwalzen, hat den potenziellen Wettbewerbsvorteil erkannt und nutzt ihn gezielt aus. Gerade in der Druckindustrie spielt die Reinigung eine entscheidende Rolle. Das gilt insbesondere für Flexodrucksysteme, bei denen die so genannten Rasterwalzen die Druckfarbe gleichmäßig übertragen müssen. Die Rasterwalzen schöpfen die Farbe mit feinsten Waben und tragen sie auf die Druckform auf, um flexible Artikel zu bedrucken. Zu diesem Zweck besitzen sie Vertiefungen mit 10 µm Kantenlänge und 5 µm Tiefe. Pro Tag werden im Druckbetrieb sechs bis acht Druckwechsel durchgeführt, die bei einer durchschnittlichen Dauer von 15 min enorme Stillstandzeiten verursachen und sehr kostspielig sind.
Mit unterschiedlichen Verfahren und besonderen Reinigungsmitteln versuchten die Ingenieure zunächst, die Reinigungs- und Rüstzeiten zu reduzieren. Schließlich dachten sie daran, die Eigenschaften der Walze durch eine Beschichtung zu verändern und stießen dabei auf die Nanogate Technologies GmbH, Saarbrücken. Beide Unternehmen entwickelten gemeinsam die schmutzabweisende Beschichtung Nanocare, ein fluoriertes, anorganisch-organisches Nanokomposit.
Nach Angaben von Zecher verringert das Beschichten der Rasterwalzen mit Nanocare den Reinigungsaufwand um bis zu 70 %. Die ultradünne Präzisionsbeschichtung wirkt der Farbverschmutzung der Rasterwalze nachhaltig entgegen. Zusätzlich verbessern die geglätteten Zellwände das Entleerungsverhalten, ohne die filigrane Rasterstruktur zu nivellieren. Der Reinigungs- und Serviceaufwand wird minimiert und zugleich die Qualität von Druckprozess und -erzeugnissen verbessert. Für die Druckindustrie läutet Nanocare eine neue Ära ein, in der sich die Maschinen durch größere Flexibilität auszeichnen. Doch auch andere Branchen nutzen die Nanotechnologie.
Das Geheimnis der Nanotechnologie liegt in der Winzigkeit. Rein geometrisch bezeichnet die Vorsilbe nano (griechisch: Zwerg) einen Größenbereich, der 1000fach kleiner ist als die Strukturen derzeitiger Bauelemente im Mikrometerbereich. Die chemische Nanotechnologie bietet Verfahren an, mit denen sich Werkstoffe wie zum Beispiel Beschichtungen oder keramische Formkörper aus kleinsten Bausteinen mit Größen zwischen 10-8 und 10-9 m aufbauen lassen. Die dabei entstehenden Nanokomposite können später die Eigenschaften von unterschiedlichen Materialien in sich vereinen. Beispiele dafür sind Kunststoffe, die so kratzfest sind wie Glas. Es lassen sich sogar Materialien erzeugen, die widersprüchliche Eigenschaften aufweisen. Einige haften hervorragend auf den unterschiedlichsten Untergründen, zeigen aber ausgeprägte abweisende Eigenschaften an der Oberfläche. Andere Schichtwerkstoffe sind abriebfest gegen Stahlwolle, aber flexibel beim Biegen. Transparenz, chemische Beständigkeit und antikorrosive Wirkung solcher Schichten sind ideal, um Werkstoffprobleme nachhaltig zu lösen.
Schlüssel ist die Miniaturisierung der Material-Bausteine
Der Schlüssel ist die Miniaturisierung der Material-Bausteine. Der Werkstoff-Designer variiert Nanobausteine in ihrer Zusammensetzung, Form, Größe oder Oberflächenbeschaffenheit und erschließt sich dadurch die neuen Gestaltungsfreiheiten. Das geschieht auf zwei Ebenen. Erstens entstehen durch Polymerisieren von organofunktionellen Silanen anorganisch/organische Hybridpolymere, sogenannte Ormocere. Das Variieren des anorganischen und organischen Anteils macht es möglich, die mechanischen Eigenschaften in weiten Grenzen von glasartig-hart bis polymer-weich einzustellen. Werden nun in einem zweiten Schritt diese anorganisch/organischen Hybride mit anorganischen Nanopartikeln kombiniert (Nanomere), entfaltet sich das enorme Innovationspotenzial der chemischen Nanotechnologie, die eine Weiterentwicklung des Ormocer-Konzept darstellt. Die Nanopartikel erzeugen innere Grenzflächen, die als Keimbildner für neue Strukturen wirken und so die Werkstoffe nachhaltig beeinflussen können. Zusätzlich lassen sich über spezielle Nanopartikel neue Funktionen in den Werkstoff einbringen, zum Beispiel UV-Absorption oder Katalyse.
Durch die Kombination der Hybride mit organischen Polymeren und verschiedensten Additiven nach dem geschilderten Prinzip ergeben sich unzählig viele neue Variationen in der Materialsynthese. Allerdings ist dafür einschlägiges Know-how notwendig. Unternehmen, die das Innovationspotenzial der chemischen Nanotechnologie einsetzen möchten, benötigen Partner, die über eine ausgereifte Technologieplattform verfügen. Der Anwender muss seinerseits Kompetenz in Produktion und Applikation einbringen.
Nachgefragt: „Mit der Nanotechnologie erarbeiten wir uns einen Technologievorsprung“
Georg Niggemeier, Management/Prokurist bei der Zecher GmbH: „Den Einstieg in die Nanotechnologie sehen wir als eine Investition in die Zukunft“
Herr Niggemeier, welchen Effekt erzielen Sie mit der nanotechnologischen Beschichtung Ihrer Druckwalzen?
Die Walzen lassen sich besser reinigen, vor allem aber mit weniger und milderen Reinigungsmitteln. Dazu müssen Sie wissen, dass unsere Rasterwalzen mikrometerfeine Näpfchen mit Auflösungen von bis zu 500 Linien/cm haben, um Farbe zu transportieren. Trocknet sie an, kann das Reinigen zum Problem werden.
Um wieviel Prozent verkürzen sich die Reinigungszeiten durch die Nano-Schicht?
Das lässt sich nicht generell sagen, weil wir Nanocare für unterschiedlichste Druckanwendungen verwenden. Aber ein Test im eigenen Hause zeigt es deutlich: Wir haben wasserlösliche Farbe mehrere Tage auf zwei Walzen antrocknen lassen. Die konventionelle Walze ließ sich gar nicht mehr säubern. Die beschichtete war im Wasserbad nach zwei Umdrehungen zu 90 Prozent wieder sauber – ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Wie haben Ihre Kunden die Neuerung aufgenommen?
Sehr gut. Im ersten halben Jahres nach der Markteinführung sind 10 Prozent aller Rasterwalzen mit Nanocare geordert worden. Und Wiederholbestellungen zeigen, dass die Kunden zufrieden sind.
Wie sind Sie eigentlich zur Nanotechnologie gekommen?
Wir besuchen gelegentlich fachfremde Messen, um Anregungen zu erhalten. Bei einem Duschkabinen-Hersteller sind uns vor zwei Jahren die gezeigten Glasscheiben aufgefallen, auf denen Wasser ganz leicht abperlt. Diese Idee haben wir für unsere Zwecke weiter verfolgt.
Und wie funktioniert die Entwicklungs-Zusammenarbeit mit Nanogate?
Nach dem Motto „Einer baut das Piano, der andere muss es spielen lernen“. Nanogate ist für die Chemie verantwortlich, wir setzen unser drucktechnisches Know-how ein, um das Medium auf die Rasterwalzen zu applizieren. Dabei ist es uns gelungen, die Nanomere dosiert aufzutragen und dauerhaft zu verankern.
Welche Bedeutung messen Sie der Nanotechnologie für die Zukunft bei – rechnet sie sich für Ihr Unternehmen?
Aus meiner Sicht ist sie eine Schlüsseltechnologie. Bei Rasterwalzen arbeiten wir mit kleinsten Strukturen im Mikrometerbereich, bei denen Pasten nichts mehr ausrichten können. Lösungen können nur Technologien im Bereich kleinster Dimensionen bieten, worauf schon der Begriff „nano“ hinweist. Natürlich können wir keine Amortisierungszeit ausrechnen. Den Einstieg in die Nanotechnologie sehen wir eher als eine Zukunftsinvestition, um uns einen Technologievorsprung zu erarbeiten.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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6.2024
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