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Dynamik im Ventil wird auf den Punkt gebracht

Simulation: Modelle für das Rapid Prototyping in der Pneumatik
Dynamik im Ventil wird auf den Punkt gebracht

Dynamik im Ventil wird auf den Punkt gebracht
Höchste Geschwindigkeit erwarten die Anwender von Halbleiter-Handling-Geräten. Die besten Ansatzpunkte für Verbesserungen im pneumatischen System zeigt nun ein Simulationstool (Bild: Multitest)
Wie sich ein High-Tech-Pneumatik-System in der Praxis verhalten wird, ist schwer vorherzusagen. Daher hat Multitest ein Simulationstool entwickelt, das die speziellen Nichtlinearitäten pneumatischer Elemente möglichst exakt abbildet.

Bernhard Foitzik ist Fachjournalist in Neustadt a. d. Weinstraße

Beim Halbleiter-Handling entscheiden Bruchteile von Sekunden über die Wirtschaftlichkeit einer Maschine: Sogenannte Gravity Handler, wie sie von der Rosenheimer Multitest elektronische Systeme GmbH für das IC-Handling gebaut werden, haben einen Durchsatz von bis zu 32 000 Bauteilen pro Stunde. Für solche Anwendungen hat die Pneumatik als Antriebstechnik wegen der hohen erzielbaren Geschwindigkeiten und der geringen Kosten Priorität.
Da bei Maschinen dieser Leistungsklasse Positionierzeiten von rund 100 ms gefragt sind, wurden bei der Entwicklung des Multitest High Speed Handler MT9918 mehrere Optimierungsprinzipien untersucht, um Alternativen zu bestehenden Ventilkonfigurationen zu erarbeiten. Entwicklungsleiter Max Schaule, Leiter Elektronik Dr. Andreas Piepenbrink und Leiter Kontaktierung Gerhard Gschwendberger untersuchten in Theorie und Praxis, ob ein gesteuertes aktives Bremsen zu Verbesserungen führen könnte. Sie wollten folgende Fragen klären:
  • Kann man die Pneumatik schneller machen?
  • Ist die höhere Geschwindigkeit ohne zusätzliche Sensorik zu erreichen?
So einfach die Fragen sind, so komplex ist die Praxis. Bei den Verfahrbewegungen mit aktivem Gegenbremsen über zusätzliche Ventile treten in den pneumatischen Komponenten hohe Druckgradienten bis 5 bar/ms auf. Die entstehenden Drücke bis 20 bar Innendruck betragen damit ein Mehrfaches des normalen Versorgungsdruckes. Die damit einhergehenden Nichtlinearitäten, insbesondere bei Bremsvorgängen, sind bei der Auslegung einer Maschine nur schwer in den Griff zubekommen: Bei gesteuerten Bremsvorgängen ließ sich der Schaltzeitpunkt des Gegenbremsens bei keinem der untersuchten Prinzipien und Patente reproduzierbar einstellen. Geregeltes Gegenbremsen oder wegabhängiges Gegenbremsen funktionierten, erforderten aber mehr Sensorik, die einer Servopneumatik gleichkam und keine Alternative zur Endlagensteuerung war.
Um nicht an einer nahezu fertigen Maschine mühsam optimieren zu müssen, hat das Unternehmen ein Simulationstool entwickelt. Dieses „Pneumatic Blockset“ lehnt sich an die unter Matlab und Simulink verfügbare Toolbox Hydraulic Blockset an. Basis für die Entwicklung war eine Diplomarbeit, nachdem ein Literaturstudium zwar viel Patente für aktive Bremsbewegungen zu Tage gebracht hatte, aber kein brauchbares Muster für die praktische Umsetzung im Unternehmen.
Da ein Simulationstool bislang nicht verfügbar war, fehlten Möglichkeiten, um in einer Art Rapid Prototyping vielversprechende Lösungen im Vorfeld zu prüfen. Im Gegensatz zur weitgehend linearen und überwiegend inkompressiblen Hydraulik, für die es das Hydraulic Blockset gibt, mangelt es in der Pneumatik an Werkzeugen und Modellgleichungen, um Kompressibilitäts- und Durchflusseffekte hinreichend zuverlässig im gesamten Arbeitsbereich abzubilden. Insbesondere ist die Temperatur in den Simulationsgleichungen nicht berücksichtigt.
Verschiedene Pneumatikhersteller, so die Erkenntnis bei Multitest, bieten zwar eindimensionale Zylindersimulationen, aber nur für ihre Ventilkomponenten. Die Berechnungen seien nicht erweiterbar, arbeiteten größtenteils nur pneumatisch stationär und seien demzufolge für Entwicklungsarbeiten anderer nicht verwendbar.
Mit dem Pneumatic Blockset sei man im Systemverständnis einen großen Schritt weiter. Die Funktionsblöcke in der Bibliothek repräsentieren pneumatische Komponenten, die zu einem Gesamtsystem verschaltet werden können. Multitest setzt dieses Tool derzeit intern ein und strebt keine Vermarktung an. Die Simulation laufe stabil und ohne numerische Probleme, wie es heißt.
Der Aufwand habe sich gelohnt, sagt Elektronik-Experte Piepenbrink. Es zeigte sich, dass gesteuert adaptives Bremsen allein nicht dazu führe, mit den gleichen Pneumatikkomponenten höhere Geschwindigkeiten bei der Handhabung zu erreichen. Den Vorteil beschreibt Piepenbrink so: „Durch die Simulation werden physikalische Größen transparent, die entweder gar nicht oder nur schwer zu messen sind.“ Der Effekt für die Entwicklung: Man weiß sehr schnell, wie sich das pneumatische System verhalten würde. Im Verlauf der Arbeiten wurden teilweise Abweichungen von 100 % zwischen den im Katalog angegebenen Daten für den Volumenstrom und den gemessenen Nennweiten der Ventile festgestellt. Mit der Simulation lassen sich Teile des Systems zukünftig entsprechend konstruieren.
Für Multitest hat der Einsatz des Simulationstools vor allem zwei Effekte. Wie Dr. Andreas Piepenbrink hervorhebt, sei die Simulation pneumatischer Systeme insbesondere bei dynamischen Effekten hilfreich und verschaffe ein tieferes Verständnis des Systemverhaltens: „Mit unserem Tool ist es nun möglich, selbst kleinste und damit sehr anspruchsvolle pneumatische Systeme realitätsnah abzubilden.“ Die Simulation ermögliche wesentlich geringere Entwicklungszeiten. „Fehlentwicklungen lassen sich früh vermeiden. Das reduziert die Kosten, weil mechanische Lösungen, die grundsätzlich nicht funktionieren können, erst gar nicht erprobt und im Feld eingeführt oder stabilisiert werden müssen.“
Simulation verkürzt die Entwicklung in der Pneumatik
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