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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Ausgeklügelte Bild-Datenbank optimiert die Fertigung
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Technische Anweisungen überfordern die Mitarbeiter um so stärker, je komplexer sie sind und je seltener sie auftreten. Ein EDV-System, das primär bildliche Darstellungen nutzt, kann den Informationsfluss wesentlich verbessern.

Klaus Vollrath ist freier Fachjournalist in Herne

Qualität und sichere Produktionsergebnisse lassen sich durch noch so viel Papier nicht herbeizaubern”, sagt Johannes Heger, Geschäftsführer der Unternehmensberatung HG Zwo GmbH in Kaiserslautern. „Kein Produktionsmitarbeiter erinnert sich an jedes Detail einer Betriebsanweisung, die er irgendwann einmal abgezeichnet hat.” Als Verantwortlicher einer Produktionsfirma, die auf die Einzelstück- und Kleinserienfertigung spezialisiert ist, hatte er schon Mitte der 90er Jahre beim Einführen des Qualitätsmanagement-Systems nach DIN ISO 9002 das Gefühl, dass es damit allein nicht getan sei. Zumal die Mitarbeiter der Gießerei täglich wechselnde Aufgaben zu erfüllen haben und mit einem sehr komplexen Prozess und hohen Qualitätsansprüchen konfrontiert sind. Heger stellte fest, dass sich umfangreiche technische Anweisungen im betrieblichen Alltag nicht bewähren: Es macht wenig Sinn, Leitz-Ordner mit Anweisungen zu füllen, die dann im Regal verstauben. Deshalb dachte er darüber nach, wie Fertigungsanweisungen so aufbereitet werden können, dass sie möglichst leicht aufzunehmen sind.
Schnell sei er dann darauf gekommen, dass die alte Weisheit „ein Bild sagt mehr als tausend Worte” in der Fertigungsorganisation viel zu wenig genutzt wird. „In die betrieblichen Kommunikationsphilosophien hat die moderne Computertechnologie noch gar nicht richtig Eingang gefunden”, ist Heger überzeugt. Das Denken sei von der Zeit geprägt, in der Speicherplatz kostbar war und das Digitalisieren von Fotos immensen Aufwand verursachte. Viel zu sehr setze man heute noch auf das geschriebene Wort. Demgegenüber bietet die Computertechnologie ganz neue Möglichkeiten, um Fertigungswissen anschaulich durch Bildinformationen zu vermitteln.
Heger stellte sich die Aufgabe, ein Archivierungs- und Zugangssystem zu entwickeln, mit dem sich die gesamte Fertigung von einstufigen Prozessen abdecken lässt, wie sie etwa im Sondermaschinenbau, in Gießereien, Schmieden und einer Reihe weiterer Branchen vorherrschen. Dieses System setzte er in der betrieblichen Praxis der Hegerguss GmbH, Enkenbach-Alsenborn, ein. Im Laufe mehrerer Jahre entstand ein „mittlerweile bewährtes” System, das er als Consulter inzwischen auch in anderen Betrieben installiert hat.
„In der Gießerei berechnen und optimieren wir die Produktionsprozesse mit modernen Simulationsprogrammen. Deren Ergebnisse stehen uns als Bildinformation zur Verfügung”, erläutert Johannes Heger das System. Diese CAD-Darstellungen enthalten genaue Angaben darüber, wo beispielsweise Speisereinsätze, Kühlkokillen oder Bestandteile des Zulaufsystems zu positionieren sind. Mit ihrer räumlichen Aussagekraft sind sie sehr nützlich für die Produktionsmitarbeiter. Jeder kann sie sich deshalb jederzeit an den im Betrieb verteilten Terminals ansehen. Digital aufgenommene Fotos von Gussteilen, Formen und sonstigen Betriebsmitteln ergänzen die Zeichnungen.
„Wir haben hierfür extra einen Mitarbeiter abgestellt, der ständig herumgeht und Fotos macht”, berichtet Heger. Der Mitarbeiter ergänzt die Bildinformationen mit kurzen, schriftlichen Hinweisen und stellt sie in das zugehörige „Fach” des Programms, wo sie unter der Schlüsselnummer des jeweiligen Gussteils aufgerufen werden können. Durch zusätzliche Klassifizierungen lassen sich die Bilddokumente bestimmten Arbeitsbereichen zuordnen – von der Formerei, dem Gießbetrieb und der Putzerei bis hin zur Qualitätssicherung. Auch für die „Pathologie” mit Fotos von Reklamationsfällen gebe es eine eigene Rubrik. Die Mitarbeiter von Hegerguss fahren mittlerweile zu Reklamationsgesprächen grundsätzlich mit einer Digitalkamera. Denn gerade solche Bilder motivierten dazu, Fehler künftig nicht zu wiederholen.
„Natürlich ist es nicht damit getan, solche Bilder nur ins Netzwerk zu stellen. Entscheidend ist, dass die Belegschaft zur Mitarbeit bereit ist”, betont Heger. Der einzelne Mitarbeiter vor Ort müsse davon überzeugt sein, dass ihm das System helfen kann, seine Arbeit richtig zu machen. Heger ist es darum wichtig, den Betriebsrat einzubinden und deutlich zu machen, dass es nicht um Kontrolle geht, sondern um Unterstützung. Die Botschaft an die Belegschaft laute dabei: „Schau dir das Teil an, wann immer du möchtest und solange du willst.” Hier gebe es keine Limitierungen. Auch der Werker in der Formerei kann jederzeit auf die Bilder der Putzerei oder der „Pathologie” zugreifen. Natürlich wächst dem Mitarbeiter dadurch auch eine größere Verantwortlichkeit zu. Geht etwas schief, müsse er sich schon mal fragen lassen, ob er die verfügbaren Informationen auch genutzt habe. Obwohl die Bilddatenbank längst noch nicht vollständig ist, wird sie immer intensiver genutzt. Hegers Statistik weist im Produktionsbereich inzwischen über 1000 Bildaufrufe pro Monat aus.
Ein weiterer Vorteil des Systems liegt darin, dass die Information zentral bereitgestellt wird und immer dem neuesten Stand entspricht. Gerade Produkte, wie sie in einer Kundengießerei gefertigt werden, unterliegen ständigen Änderungen. Werden Arbeitsanweisungen auf Papier ausgegeben, besteht permanent die Gefahr, dass irgendeine Abteilung aus irgendwelchen Gründen auf veraltete Unterlagen zugreift.
Wichtig sei zudem, so Heger, dass die Informationen auf diese Weise ungefiltert zum Mitarbeiter vor Ort gelangen. Früher habe es immer wieder Fälle gegeben, in denen Informationen „hängengeblieben” sind, weil überforderte Vorgesetzte sie nicht rechtzeitig oder unvollständig weitergegeben haben. Durch das Recht der Mitarbeiter auf vollständige Information würden solche menschlich-allzumenschlichen Pannen deutlich eingeschränkt.
Natürlich beinhaltet eine solche Bilddatenbank einen nicht unerheblichen Bestand an Know-how. „Datensicherheit ist bei unserem System ebenso wichtig wie anderswo auch” sagt Johannes Heger. An keinem der angeschlossenen Rechner gibt es deshalb eine Möglichkeit zum Ausdrucken oder Abspeichern auf Datenträger. Schließlich müsse auch in jeder konventionellen Buchhaltung oder Arbeitsvorbereitung darauf geachtet werden, dass Kundenlisten oder Angebotsdateien nicht unberechtigt ausgedruckt oder gar kopiert werden.
„Wir erheben nicht den Anspruch, ein neues QS-System darzustellen. Wir haben lediglich den innerbetrieblichen Kommunikationsprozess untersucht und nach Wegen gesucht, die Schnittstelle zum Empfänger zu optimieren”, hält Heger fest. Mit seinem Konzept setzt er auf den Mitarbeiter, der sich durch Information und echte Verantwortung motivieren lässt. Ihm sollen die benötigten Kenntnisse so leicht fasslich wie möglich verfügbar gemacht werden. Gerade bei komplexen Abläufen, die sich nur selten wiederholen, lassen sich so die Produktionsprozesse besser beherrschen – und Diskussionen versachlichen, wenn es doch mal zu Problemen kommt.
Kurzportät Hg Zwo GmbH
Die Hg Zwo GmbH, Kaiserslautern, wurde im April 2000 gegründet. Als Dienstleister bietet sie 3D-CAD-Konstruktionen, Füll- und Erstarrungs-Simulation, FEM-Analysen und Designoptimierungen. Ein weiteres Feld sind Systeme zur Prozessdokumentation mit Bild-Datenbank.
Kurzporträt Hegerguss GmbH
Die Hegerguss GmbH, Enkenbach-Alsenborn, ist eine Eisengießerei mit 135 Mitarbeitern und hat sich auf anspruchsvolle Gussteile aus unlegiertem und niedriglegiertem Grau- und Kugelgraphitguss im Gewichtsbereich bis 15 t spezialisiert. Gefertigt werden überwiegend Einzelstücke und Kleinserien. Die jährliche Produktion liegt bei rund 9000 t. Hauptabnehmer ist der Maschinen- und Anlagenbau.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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