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Ein einziger Prozessor leistet die Regiearbeit

Moderne Röntgenröhrenfabrik vertraut auf große SPS
Ein einziger Prozessor leistet die Regiearbeit

Bei Philips Medical in Hamburg übernimmt eine SPS in Prüfanlagen für Röntgenröhren das Steuern, Kommunizieren und Visualisieren des Prozesses. Dieser umfassende Ansatz ermöglicht es den Maschinenbedienern, über eine Oberfläche ihre Hochtechnologieprodukte einzufahren, zu testen und zu prüfen.

Christian Manzei ist Manager für Marketing Communications und Planning bei der Mitsubishi Electric Europe B.V. in Ratingen

Einsatzort der Groß-SPS ist eine halbautomatische Prüfanlage für Röntgenröhren. „Der Handbetrieb steht“, berichtet Mirko Szelag und zeigt auf sein neuestes Projekt bei der Philips Medical Systems in Hamburg. Handbetrieb deshalb, weil sich trotz modernster Steuerungstechnik bei diesen Sondermaschinen eine Vollautomation nicht lohnt. „Doch auch das harmonische Zusammenwirken des manuellen und automatischen Prüfablaufs ist eine große Herausforderung“, meint der Software-Ingenieur. Die Anlagen, die im Development und Manufacturing Centre entstehen, erhalten ihre Befehle von Steuerungen der Ratinger Mitsubishi Electric Europe B.V. Mirko Szelag: „Speziell in dieser neuen Anlage übernimmt der SPS-Typ QnAS die Aufgaben vieler kleiner Einheiten.“ Statt aufwendiger Steuerungshardware leistet ein einziger SPS-Prozessor die Regiearbeit. „Gerade im Hinblick auf die EMV-Störfestigkeit, wo bis zu 180000 Volt gefahren werden, und das bei starken Störspitzen, schnitten die japanischen Steuerungen bestens ab“, begründet der Entwickler seine Wahl.
Der von Szelag beschriebene Bereich umfasst den Pump- und Prüfbetrieb der Röntgenröhren. „In einem ersten Schritt lässt ein Mittefrequenzglüharm den Anodenteller zum Ausgasen rotglühen“, sagt Szelag. Anschließend werden die Röhren unter Hochspannung gefahren, so dass sich auch noch Moleküle von den beschleunigten Elektronen lösen und abführen lassen. Diese künstlich erzeugten Störungen verursachen die gefürchteten EMV-Belastungen, denen die Mitsubishi-Geräte fortwährend ausgesetzt sind. Eine spezielle Vakuumpumpenkombination bringt alle Verunreinigungen aus der Röhre, die während dieses Prozesses entstehen.
„Früher liefen alle Prüfschritte auf separaten Anlagen. Da sie nun auf dieser einen Maschine konzentriert sind, sparen wir Zeit und Geld“, erklärt Mirko Szelag den neuen Ansatz. Er entwarf deshalb eine neue Steuerungsarchitektur, in deren Mittelpunkt die zentrale SPS der Serie QnAS steht. Gegenüber früher werden nun alle anliegenden Signale, etwa für die Kühlung oder die Hochspannungssteuerung, über digitale Ein-und Ausgänge via Profibus eingesammelt, der zentralen SPS und von da aus den Schaltschränken für die Spannungsversorgung, dem Leistungsteil für die Antriebstechnik, den Frequenzumrichtern und Servoverstärkern zugeführt.
Visualisiert wird der Prozess auf einem Industrie-PC über das Tool MX 2000. „Hier war von Vorteil“, erinnert sich Mirko Szelag, „dass durch eine Zusammenarbeit mit Mitsubishi die Software nicht mehr angepasst werden musste.“ Alle anfallenden Daten werden in der Access-Datenbank von Microsoft gesammelt, in der auch die Soll-Werte für die Prozesse gespeichert sind und über die OLE/DB-Schnittstelle mit der Visualisierung ausgetauscht.
Eine besondere Anforderung war, dass hierin die vom Prozess über die SPS generierten Ist-Werte überführt werden sollten. Mirko Szelag: „Diese ist relativ aufwendig, da ein solcher Prüfprozess bei uns schon mal mehrere Tage dauern kann und große Datenmengen anfallen.“ Immer wieder wird auch ein Soll-/Ist-Vergleich durchgeführt, der die messtechnisch erfassten Werte für die Hochspannung oder auch die Stromwerte an die SPS gibt, damit diese die geforderten Werte einregeln kann. Die hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit der QnAS ist hier von entscheidender Bedeutung.
Das sind aber nicht die einzigen Leistungsmerkmale des Steuerungskonzeptes. Die Durchgängigkeit der Mitsubishi-Steuerungen, des Visualisierungstools Fix Dynamics und des Profibus vereinfacht auch die Konstruktion und Konzeption weiterer Maschinen bei Philips. „Das Know-how muss nicht immer neu aufgebaut werden“, ist Szelag erleichtert. „Wir haben kontinuierlich daran gearbeitet, möglichst viel gleichartig zu entwerfen.“ Gab es auch schon lange Zeit einheitliche Bedientableaus, um wenigstens die Oberfläche einheitlich zu gestalten, so war doch die Steuerungstechnik dahinter stets heterogen. „Dank der Abstimmung der Komponenten können wir jetzt vorhandene Programmmodule für neue Maschinen übernehmen, verändern und weiterbenutzen und so Zeit und Geld sparen“, so der SPS-Experte. Ein weiterer Grund war auch die IEC 1131-Software, die sich in den verschiedenen Hochsprachen wie AWL, KOP oder FUB programmieren lässt. „Mit Mitsubishi gemeinsam wurde nicht nur die Verbindung zu der Prozessvisualisierung ausgiebig getestet, sondern auch die speziellen Treiber für den sicheren Betrieb erprobt,“ erinnert sich Szelag. Damit sei die Fehlerkontrolle nun leistungsfähiger als früher, so dass die Anlage rasch und fehlerfrei in Betrieb geht, nennt er weitere Vorteile. Unter der einheitlichen Oberfläche ist der Prozessauslöser immer der zentrale Industrie-PC. Er bekommt für den Automatikbetrieb seine Befehle von der Access-Datenbank. Im manuellen Betrieb werden beispielsweise die Positionierdaten für die Servoachsen direkt über die SPS geschleift.
Vor allem für den Bediener der Philips-Prüfmaschinen wird vieles einfacher: Er kann auf dem Bildschirm eine komplette Visualisierung der Maschine nutzen, wie sie nur durch das grafische Interface möglich ist. Alle wichtigen Prozesswerte kann er als Datei auf dem Bildschirm anwählen, Fehler anhand der komfortablen Alarmverarbeitung schnell lokalisieren und einzelne Positionen ansteuern. Mirko Szelag: „Der Bediener hat ein grafisches Abbild der Einzelwerte vor sich. Alles, was früher auf Papier nachgeschlagen werden musste, ist jetzt einfach auf dem Schirm zu errei-chen.“ Fehlermeldungen gibt das System im Klartext aus und zeigt gleich den Ort der Störung an. Peripheriegeräte an der Maschine können über Standardschnittstellen angeschlossen werden.
Von Vorteil ist auch, dass das intelligente System über ausgelagerte E/A-Baugruppen Servoverstärker und Frequenzumrichter und ein hochsensibles Röhrendatenmessgerät mit einbindet. „Durch die konsequente Anwendung der Profibus-Zweidrahtleitung gibt es keine Durchmischung von Feldbussen“, verweist Szelag auf die Robustheit der Steuerungstechnik, „weil alle Geräte nur darüber angesteuert werden. Die Anbindung der Visualisierung an die SPS erfolgt aufgrund der großen Datenmenge über das schnelle Ethernet-Modul.“
Wie funktioniert die Prüfanlage?
Die Testanlage für Röntgenröhren aus Glas gliedert sich in unterschiedliche Prüfschritte. Dazu gehören das
– Mittelfrequenzglühen,
– Gettern,
– Hochspannungsprüfen und
– Ausheizen.
Jeweils vier Röhren werden gleichzeitig geprüft. Dazu werden sie manuell eingesetzt, dann werden die Anodenteller und der Rotor mit einer Mittelfrequenzeinheit geglüht, um Gasmoleküle aus den Materialien freizusetzen und durch Vakuumpumpen abzuführen. Der Glüharm muss sich dabei genau über dem Teller positionieren. Der anschließende Hochspannungsprüfprozess besteht aus mehr als 100 Einzelprüfungen. Diese haben die Aufgabe, die Röntgenröhre schrittweise bis an ihre spezifizierte Leistungsgrenze zu bringen und störungsfreie Aufnahmen zu ermöglichen. Im Getterprozess wird der sogenannte „Fangstoff zum Binden von Gasen“ aktiviert. Anschließend aufkommende Gasmoleküle werden durch dieses katalysatorisch wirkende Getter gebunden. Während der gesamten Prüfzeit wird der Glaskolben mittels der Pumpe unter Hochvakuum gehalten. Erkennt das System einen Fehler, der über den Istwertvergleich ermittelt wird, erfolgt im System sofort eine Meldung.
Wie funktioniert die Röntgenröhre?
Röntgenröhren, bestehend aus einem Glaskolben unter Hochvakuum, werden in kleineren Geräten benötigt – im Gegensatz zu der Metallröhre (MRC für Computertomographen und kardiologische/vaskuläre Untersuchungen), bei der größere Leistungen benötigt werden. Doch die Arbeitsweise ist gleich. Beim Anlegen einer Kleinspannung an den Heizfaden werden Elektronen ähnlich einer Glühlampe emittiert. Aber erst durch Anlegen einer Hochspannung, der sogenannten Beschleunigungsspannung, werden diese Elektronen stark beschleunigt. Sie treffen auf die Anode, die in Röntgenröhren dieser Leistungsklasse tellerförmig ausgebildet ist und sich während der Aufnahme in Rotation befindet, um die entstehende Wärme auf eine Kreisbahn zu verteilen. Die Röntgentechnik ist vor allem im Bereich der Lagerung eine Hochtechnologie. Da in der Röhre ein Hochvakuum um 10-9 mbar vorherrscht, können nur geeignete Materialien eingesetzt werden. Die Elektronen treffen schließlich mit hoher Geschwindigkeitauf diese spezielle Metall-Legierung auf, werden abgebremst und erzeugen hierdurch Röntgenstrahlung. 99 % der ein-gesetzten Energie werden hierbei als Wärme umgesetzt, die weggekühlt werden muss.
Industrieanzeiger
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