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Einkäufer müssen auch mit der Personalabteilung verhandeln

Beschaffung von Projektspezialisten und Zeitarbeitern
Einkäufer müssen auch mit der Personalabteilung verhandeln

Menschen sind keine Bauteile, aber viele Vorgehensweisen aus dem Technischen Einkauf lassen sich auf die Zeitarbeit übertragen. Ideal ist eine Kombination aus Single Sourcing bei einem großen Anbieter und lokalen, spezialisierten Zeitarbeitsfirmen. So können einzelne Standorte flexibel und schnell reagieren.

Der Chef entscheidet, zwei Monate lang drei Mitarbeiter in Zeitarbeit zu beschäftigen. Die Aufgabe für den Einkäufer lautet, diese möglichst günstig einzukaufen. So sieht es aus, wenn menschliche Arbeitsleistung nach denselben Kriterien wie Rohstoffe oder Bauteile beschafft wird. „Viele vergessen dabei, wie sie diese Mitarbeiter motivieren und in ihre Produktionsprozesse integrieren können“, erklärt Klaus Rommel, Inhaber der gleichnamigen Unternehmensberatung Rommel Personalmanagement. Auch wenn die Leiharbeiter nur kurz im Unternehmen gebraucht würden, rät er den Einkäufern, nicht nur die Kosten im Blick zu haben. „Ein Helfer kann 70, 80 oder 100 Prozent produktiv sein.“

Die feinen Unterschiede in den Qualifikationen sieht man nicht auf den ersten Blick. Ein Personaldienstleister, der einem Unternehmen konform zu dessen Bestellung einen Gabelstaplerfahrer mit Führerschein überlässt, erfüllt zwar seinen Vertrag, aber je nach den spezifischen Anforderungen ist es der falsche Mitarbeiter, wenn er etwa noch nie Stahlrohre mit Überlängen oder Fässer mit Chemikalien gefahren hat. „Je differenzierter die Anfrage, desto höher die Trefferquote“, rät Rommel. Schließlich könnten ungeeignete Mitarbeiter auf Grund unscharfer Anforderungen Schäden verursachen.
Der Hauptfehler liegt darin, dass Zeitarbeit in den meisten Fällen vom Einkauf nach Anforderung der Produktion beschafft wird – ohne Kontakt zu Personalabteilung. „Dabei ist die Integration unbedingt notwendig“, betont Rommel. Dieses Konzept solle für alle zeitlich befristeten Verträge gelten, egal ob es sich um Interim-Manager, Kaufleute Spezialisten in der Konstruktion/Entwicklung oder Facharbeiter handelt.
Trotzdem lassen sich einige Vorgehensweisen aus dem technischen Einkauf auf die Beschaffung von Personal übertragen. „Das ist vergleichbar mit der Anschaffung einer Maschine“, so Rommel, „da fragt man auch nach Ersatzteilen, Wartung und Ausfallzeiten.“ Er empfiehlt umfassende Marktanalysen, Ausschreibungen und Verhandlungen mit mehreren Lieferanten. Wenn man an einem Standort 150 Zeitarbeiter für ein Projekt benötigt, ein Personaldienstleister aber nur 100 passende Mitarbeiter anbieten kann, muss der Einkäufer – genau wie bei Maschinenelementen – eine Zwei- oder Drei-Lieferanten-Strategie fahren. „Für jede Schraube und jedes Arbeitsmittel ist eine Marktanalyse selbstverständlich“, meint Rommel, „nur beim Personal verlässt man sich oft nur auf den Eindruck des Dienstleisters.
Sich alle Leiharbeiter bei einem großen Anbieter zu beschaffen, nur weil er die benötigte Masse liefern kann, ist keine Lösung, vor allem wenn man spezifische Qualifikationen erwartet. „Kleine Anbieter können mehr auf den Kunden eingehen und so eine engere Kundenbindung aufbauen“, betont Rommel. Doch wer als ein Standort unter vielen in einen Konzern eingebunden ist, hat oft nicht die Wahl, mit welchem Anbieter er verhandelt. Rommel rät zu einer Top10-Liste von Suppliern, wobei 20 Prozent der Zeitarbeitskontingente lokal besetzt werden dürfen. „Dann nutzt man die Vorteile des Single Sourcing, öffnet aber gleichzeitig lokale Nischen, um Spezialisten einzustellen, die man bei den großen Anbietern einfach nicht findet. Gewisse Vorgaben muss es aber geben, denn sonst passiert dasselbe wie bei den C-Teilen: „Auch bei der Zeitarbeit gilt es, Maverick Buying zu verhindern“, so Rommel.
Bei den Verhandlungen sollten gleich zu Beginn die rechtlichen Voraussetzungen geklärt werden, etwa Eignungs- und Weisungsklauseln, Branchen, Tarife, etc. „Überlassungsverträge muss man sauber abstimmen“, betont Rommel. Wichtig seien Referenzen, etwa bei welchen Unternehmen der Dienstleister seine Mitarbeiter einsetzt. „Wenn er zu seinen Kunden keine Angaben machen will, sollte er zumindest die Branchen nennen.“
Welchen Vertrag man abschließt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Bei einem klassischen Zeitarbeitsvertrag kauft man lediglich die Leistung ein, nicht das Ergebnis. Wer die Verantwortung für die korrekte Durchführung in einer bestimmten Qualität an den Dienstleister abgeben will, schließt einen Werkvertrag. Je höher das Risiko, desto seltener lassen sich die Zeitarbeitsfirmen darauf ein. „Es gibt Überschneidungen von Werkverträgen und Zeitarbeit“, erläutert Rommel, „jeder will möglichst viel Verantwortung auf den Dienstleister abschieben, aber der haftet nur für ein Auswahlverschulden, also wenn er beispielsweise einen Gabelstaplerfahrer ohne Führerschein vermittelt hat. „Beim Erstvertrag sollte auf jeden Fall eine Prüfung durch einen Juristen erfolgen, um die Rechte und Pflichten beider Seiten zu klären.“
Was der Einkäufer dagegen erwarten kann, ist eine Anpassung von Verträgen auf seine speziellen Bedürfnisse, etwa wenn eine Maschine nicht nur eingerichtet, sondern auch regelmäßig gewartet werden soll, oder wenn ein bestimmtes Kontingent an Ingenieuren verfügbar sein soll. „Wenn ein Dienstleister nur einen Standardvertrag anbietet, sollte man Abstand nehmen“, warnt Rommel. Ein Anbieter, der an einer langjährigen Partnerschaft interessiert sei, gehe aber auf die speziellen Wünsche seiner Kunden ein. „Dazu gehört auch, dass der Einkäufer die Mitarbeiter nach ihrer Zufriedenheit mit ihrem Zeitarbeitsunternehmen fragen darf.“ Auch bei einem überdurchschnittlich hohen Krankenstand oder einer hohen Fluktuationsquote kann man auf die Motivation der Mitarbeiter und damit auf die Arbeitgeberqualitäten des Dienstleisters schließen.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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