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Einkauf kann sich auf wichtige Aufgaben konzentrieren

Supplier Relationship Management
Einkauf kann sich auf wichtige Aufgaben konzentrieren

Lieferanten werden zunehmend in die Pflicht genommen, wenn es um Qualitätssicherung und Verantwortung für Produkte nach dem Einbau geht. Sie übernehmen Wartungsarbeiten und begleiten Maschinen über ihren gesamten Lebenszyklus. Das sollte bei der Lieferantenauswahl berücksichtigt werden.

Den Begriff Supplier Relationship Management (SRM) gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. „In dieser Zeit wurde viel über E-Procurement gesprochen“, erinnert sich Bruno Bischinger, Geschäftsführer des Dienstleisters Curecomp, „doch erst heute beginnt man wirklich zu verstehen, welches Potenzial SRM bietet.“ Die Zeiten, als ein Unternehmen eine Ausschreibung auf den Tisch gelegt hat und die Lieferanten sich um den Zuschlag prügelten, sind vorbei. „Das hat sich nicht durchgesetzt.“

Heute geht es darum, Lieferanten enger in die eigenen Prozesse und IT-Infrastrukturen einzubinden. „Ein gutes SRM bildet die Prozesses durchgängig ab“, so Bischinger. Nicht jede Standardsoftware ist geeignet. „Oft gewinnen kleine Firmen gegen große ERP-Anbieter, weil sie sich auf Software für Lieferantenbeziehungen spezialisiert haben.“ Bildlich gesprochen ist für ihn das ERP-System der Innenminister, die Lieferantensoftware der Außenminister. Über Schnittstellen muss eine medienbruchfreie Abwicklung der Bestellungen sichergestellt sein – was in den meisten Unternehmen noch nicht der Fall ist. „SRM ist die Grundlage für Interaction Models“, erklärt Professor Dr. Erik Hofmann, Leiter des Kerkhoff Competence Center of Supply Chain Management an der Universität St. Gallen. Das heißt: Wichtige Zulieferer werden nicht nur in die eigenen IT-Systeme integriert, sondern die intensive Zusammenarbeit reicht von regelmäßigen Meetings bis hin zu einer gemeinsamen Produktentwicklung. Denn allein der Lieferant kann entscheiden, ob für eine Produktoptimierung überhaupt die entsprechenden Teile zur Verfügung stehen oder angefertigt werden können. „All diese Punkte müssen in einem Interaktionsmodell hinterlegt sein“, so Hofmann.
Das bedeutet für die Lieferanten mehr Verantwortung, etwa was das Vorhalten von Ersatzteilen oder die Wartung der fertigen Maschinen angeht. Performance Contracting heißt der Fachbegriff, der den Trend weg vom Supply Chain Management hin zu einem Service Supply Management beschreibt. „Das geht so weit, dass der Lieferant für den gesamten Lebenszyklus einer Maschine und deren Output verantwortlich ist“, erklärt Hofmann. Allerdings hält er nichts davon, dass jeder Lieferant die Verantwortung auf die vorherige Stufe abwälzt, wie es oft in der Automobilbranche passiert. „Das kann nicht im Sinne des SRM sein, denn wenn kleine Zulieferer in finanzielle Schwierigkeiten kommen, wie es in der Finanzkrise oft der Fall war, müssen die Großen einspringen.“ Bischinger bestätigt: „Die Automobilindustrie will mit möglichst wenig Lieferanten arbeiten und schiebt Systemlieferanten vor, die nicht nur Auspufftöpfe und -rohre, sondern ganze Auspuffsysteme herstellen. Sie gibt die Verantwortung ab und überlässt es den Systemlieferanten, sich mit den kleinen Zulieferern zu organisieren.“ So kann es vorkommen, dass die Risiken von Tier1-Lieferanten bis hoch zur Tier7-Ebene weitergereicht werden.
Eine so große Abhängigkeit und das Knebeln von Zulieferern ist nur kurzfristig von Vorteil, birgt aber langfristig Gefahren: „In Krisenzeiten kann man die Lieferanten ausquetschen bis aufs Blut“, so Bischinger, „aber wenn sie bei der kleinsten Luft umfallen, hat auch der Einkäufer ein Problem.“ Leben und leben lassen ist seine Devise. SRM funktioniere nur, wenn beide Seiten zufrieden sind: „Es wird zwar hart verhandelt, aber am Ende muss ein fairer Vertrag für beide Seiten stehen.“
Doch was bedeutet das für den Einkäufer? „Niemand kann sich mehr eine Ausnahmesituation in einer Lieferantenbeziehung leisten“, betont Bischinger. Bei statischen Prozessen wird eine Bestellung mit einem fixen Liefertermin erteilt. Kann der Lieferant den Termin nicht einhalten, hat der Kunde ein Problem. In einem funktionierenden SRM-Prozess dagegen liegen alle Informationen ohne Zeitverzögerung auf dem Tisch. „Das Problem der Terminüberschreitung bleibt zwar bestehen, aber man kann es schneller beheben und die Folgen abmildern“, sagt Bischinger. Der Vorteil: Da das SRM nur noch die Problemfälle anzeigt, kann sich der Einkauf ganz auf diese Vorgänge konzentrieren. „Der Rest läuft von alleine.“ Wenn zum Beispiel ein Unternehmen 500.000 Beschaffungsfälle pro Jahr abwickelt, sieht es mehr als 85 Prozent davon nicht mehr. Dann bleibt mehr Zeit, mit den Lieferanten über die wirklich wichtigen Dinge zu sprechen – etwa Preise und Liefertreue – und nach besseren Lieferanten und alternativen Produkten zu suchen. „So lassen sich ein strategischer Einkauf etablieren und der operative verbessern und automatisieren“, so Bischinger.
SRM eignet sich für produzierende Unternehmen, die keine große Stücklistentiefe haben und vieles vom Systemlieferanten zukaufen. Dabei spielt die Wertigkeit der Teile keine Rolle: „Auch der Einkauf hochwertiger Teile lässt sich damit erleichtern und optimieren“, so Bischinger. Zur Zielgruppe gehören neben dem klassischen Maschinenbau auch die Hersteller von Sondermaschinen. Bischinger: „Die Eigenfertigung ist oft zu teuer.“
Ein gutes SRM erleichtert nicht nur die Abwicklung der Aufträge, sondern zahlt sich auch finanziell aus. „Das Einsparpotenzial liegt zwischen fünf und zehn Prozent, je nach dem, wie viel man bereits beim Einkauf eingespart hat“, so Hofmann. Das betrifft zum einen die klassischen Einsparungen bei Material- und Warengruppenkosten, zum anderen die des Umlaufvermögens (Working Capital Management). Zudem ließe sich der Einkauf von Rohstoffen und Energie sowie Logistik und Transport gemeinsam mit anderen Unternehmen organisieren. Horizontal unternehmensübergreifend kann man beispielsweise den Einkauf bei kleinen, wichtigen Zulieferern über Lieferantenkooperationen bündeln, vertikal besteht die Möglichkeit, bei Kommunikation und Informationsfluss Redundanzen abzubauen. Wenn der Lieferant bereits ein Portal betreibt, in dem die Kunden ihre Bestellungen platzieren, muss der Abnehmer nicht noch ein zweites System aufsetzen. „Wenn ein gemeinsames Portal existiert, kann man sogar Qualitätskontrollen abbauen“, so Hofmann. Die Einbindung von Offshore-Lieferanten in die unternehmensweite IT im Zuge des Global Sourcing funktioniert nicht ganz so reibungslos, kann aber über die zentrale Plattform eines Dienstleisters erfolgen. Der Trend geht hin zu Application Service Providing (ASP) beziehungsweise Software-as-a-Service (SaaS). „Damit können unsere Kunden neutralisierte Daten nutzen“, so Bischinger. Die Prozessumstellung dauert circa drei bis vier Monate, der Return-on-Investment (ROI) ist nach maximal zwei Jahren erreicht.
Bei komplexen Gütern will der Einkäufer aber mit den Lieferanten in engem Kontakt stehen. „Man sollte einen Auslandsaufenthalt bei einem befreundeten Unternehmen einplanen“, rät Hofmann. In Kombination mit Seminaren, Beratern vor Ort und einem kleinen Netzwerk ließen sich Missverständnisse bereits im Vorfeld vermeiden. Möglich ist auch ein dauerhaftes Einkaufsbüro im Ausland. Doch die Geschwindigkeit der Globalisierung nimmt ab. Je größer der Transportkostenanteil an den Beschaffungskosten, desto mehr lohnt sich die Rückkehr zum Regional und Local Sourcing. Hofmann: „Güter mit einem niedrigen Wert pro Gewicht oder Volumen reagieren sensitiver auf Transportkostenschwankungen als hochwertige Produkte.“
Die Wahl des richtigen Lieferanten hängt aber nicht allein von der Geografie ab. „Das ist keine singuläre Entscheidung, sondern ein Prozess“, so Hofmann. Zunächst müsse man Beschaffungsmarktforschung betreiben, Lieferantendatenbanken durchforsten und eine Longlist erstellen. Als Auswahlkriterien dienen zum Beispiel die Produkte und die Größe der Produktpalette sowie die Unternehmensgröße und der Umsatz. In der zweiten Phase wird eine Shortlist erstellt an Hand von Qualitätskriterien wie etwa Zertifizierungen und Referenzen. „Die dritte Phase ist die wichtigste“, betont Hofmann. Sie besteht aus einer ausführlichen Bewertung der gesammelten Daten und dem Aufbau unternehmensspezifischer Kataloge, in denen Preise, Konditionen, Performance Contracting, Servicespektrum, Qualitätsmerkmale, Logistik, Zeit, Ort und vieles mehr enthalten sind. „Dabei darf man die weichen Kriterien nicht vernachlässigen“, so Hofmann. Das heißt: Die Kunden müssen das Know-how der Lieferanten einschätzen, ihre Innovationskraft, Bonität, Nachhaltigkeit in Bezug auf Umwelt und soziale Aspekte sowie Compliance-Richtlinien, vor allem für Lieferanten in Afrika und Asien.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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6.2024
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