Startseite » Allgemein »

Einkaufen wie daheim

Umfrage unter Einkäufern zu ihren Bezugsländern
Einkaufen wie daheim

Einkaufen wie daheim
Bei der Suche nach Lieferanten sollten die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ebenso berücksichtig werden wie die Verfügbarkeit von guten Arbeitskräften. Bild: Werner Götz
Global Sourcing | Die Wahl des richtigen Lieferantenstandorts ist eine der wesentlichen Determinanten, wenn es um die Realisierung von Einkaufserfolgen im Ausland geht.

Dr. Nicole Franziska Richter Professorin für Marketing und ABWL Nordakademie Tabea Tressin Wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität Hamburg-Harburg

Globale Einkaufsaktivitäten gehören heute mehr denn je zum Tagesgeschäft deutscher Unternehmen. Als ein wesentlicher Erfolgstreiber gilt die Standortwahl. So liegen in regelmäßigen Abständen verschiedene Regionen (zum Beispiel Brics) im Trend. Über den tatsächlichen Einfluss, den die Zusammenarbeit mit Lieferanten aus verschiedenen Ländern hat, gibt es jedoch nur wenig belastbares Zahlenmaterial.
Im Rahmen einer telefonischen Marktforschungsstudie hat die Uni Hamburg zu Jahresbeginn 200 Einkäufer in Industrieunternehmen zu ihren internationalen Einkaufsaktivitäten befragt. Die Einkäufer haben für ihren wichtigsten ausländischen Lieferanten je vier zentrale Standortfaktoren bewertet:
  • geringe Kosten (Arbeitskosten, Transaktions- und Managementkosten, andere Produktionskosten)
  • eine hohe Qualität und Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Lieferanten
  • gute Rahmenbedingungen, das heißt: Infrastruktur sowie rechtliches und wirtschaftliches Umfeld
  • eine zum deutschen Heimatmarkt geringe soziale und kulturelle Distanz (gemeinsame kulturelle Werte, Normen und Sitten, Sprache, Arbeitsethik)
Es wurde zudem ermittelt, inwieweit die Einkaufsaktivitäten zu allgemeinen Unternehmenszielen – Gewinn, Kundenzufriedenheit und Image – beigetragen oder zu Wettbewerbsvorteilen geführt haben. Konkret auf den Einkaufserfolg ging es um Kostenziele (niedrige Einkaufspreise und Transportkosten), Qualitätsziele (Zuverlässigkeit der Güter, Produkt- und Servicequalität) sowie Zeit-/Flexibilitätsziele (Einhaltung von Lieferterminen sowie Erhöhung der Beschaffungsflexibilität bei Mengen- oder Spezifikationsänderungen).
Geringe Arbeitskosten haben keinen nachweisbaren Einfluss auf die Ziele
Eine Korrelations- und Regressionsanalyse der gewonnenen Daten zeigt, dass geringe Arbeitskosten am Standort keinen statistisch nachweisbaren Einfluss auf die gemessenen Einkaufs- und Unternehmensziele haben. Im Gegensatz dazu wirkt sich die Zusammenarbeit mit Lieferanten an Standorten mit einer generell hohen Qualität der Arbeitskräfte positiv auf die Verwirklichung von Zeit- und Flexibilitätszielen, wie etwa die Einhaltung von Lieferterminen und die Reaktionszeiten auf Mengen- oder Spezifikationsänderungen, aus; ein Erfolg, der sich sogar auf die Erreichung von Unternehmenszielen durchschlägt. So konnten Unternehmen mit Beschaffungsbeziehungen zu diesen Standorten vermehrt ihre Kundenzufriedenheit steigern und sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten.
Ähnlich verhält es sich mit den Rahmenbedingungen am Standort: Unternehmen, die Lieferantenbeziehungen in Ländern mit guter Infrastruktur sowie guten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgebaut haben, konnten nicht nur Zeit- und Flexibilitätsziele umsetzen, sondern auch die Zuverlässigkeit der gekauften Güter absichern sowie die Produkt- und Servicequalität und damit die eigenen Qualitätsziele verwirklichen. Gute Rahmenbedingungen führen zu niedrigeren Kosten im Einkauf und zu einer besseren Realisierung der Gewinnziele. Schließlich zeigt sich, dass eine als gering wahrgenommene soziale und kulturelle Distanz zum deutschen Heimatmarkt einen gewissen positiven Einfluss auf die Erreichung von Qualitäts-, Zeit- und Flexibilitätszielen hat. Auch die Qualität der verfügbaren Arbeitskräfte gehören zu den wichtigsten Einflussfaktoren.
Die zehn wichtigsten internationalen Beschaffungsdestinationen der befragten Einkäufer sind (mit großem Abstand) China, gefolgt von den europäischen Ländern Italien, Tschechische Republik und Österreich, knapp dahinter Indien, Frankreich, Polen, die Niederlande, Taiwan und Brasilien.
Indien und China punkten bei der Qualität der Lieferanten und Arbeitskräfte
Die Einkäufer, die in diesen Ländern ihren wichtigsten internationalen Lieferanten haben, wurden zur Qualität der verfügbaren Arbeitskräfte und Lieferanten sowie zu den Rahmenbedingungen vor Ort befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass viele dieser Standorte nur hinsichtlich eines der beiden Kriterien wirklich überzeugen können, das heißt, mehr als 70 % Zustimmung seitens der Einkäufer erfahren.
Eine überdurchschnittlich hohe Bewertung der allgemeinen Standortqualität ergibt sich für Taiwan und die Niederlande, die aber in punkto Rahmenbedingungen die Erwartungen der dort tätigen Einkäufer nicht voll erfüllen. Eine überdurchschnittlich gute Bewertung der Infrastruktur, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen erreichen Brasilien, Polen, die Tschechische Republik und Frankreich. Lediglich Indien kann vollständig – und knapp dahinter China – in beiden Kriterien bei den Einkäufern punkten. Österreich und Italien werden trotz der hohen Bedeutung für deutsche Einkäufer von maximal zwei Dritteln und damit unterdurchschnittlich vielen Einkäufern positiv wahrgenommen.
Eine geringe soziale und kulturelle Distanzzum deutschen Heimatmarkt, also vergleichbare kulturelle Werte und Arbeitsvorstellungen, offenbaren sich für die Niederlande, die Tschechische Republik, Italien und Österreich. Deutlich hinter Österreich folgen Indien und dann mit etwas Abstand Taiwan, das mit Frankreich, Polen und China gleichzieht. Die höchste wahrgenommene Distanz haben die Befrager für Brasilien festgestellt. Sie spielt aber eine vergleichsweise kleine Rolle bei den Einkaufszielen.
Das Fazit: Bei der Suche nach neuen Lieferanten beziehungsweise neuen Sourcing-Locations sollten insbesondere gute rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen am Standort des Lieferanten sowie eine generell hohe Standortqualität in Bezug auf die verfügbaren Arbeitskräfte vor Ort ins Visier genommen werden. Diese beiden Standortfaktoren zeigen den stärksten Einfluss auf die Realisierung von Erfolgszielen im Einkauf und wirken sich zudem positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Auch die kulturelle Distanz zum Heimatmarkt ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor.
Bei der Bewertung von Standorten hinsichtlich dieser Kriterien haben Einkäufer klare Vorstellungen, die nicht notwendigerweise mit volkswirtschaftlichen Statistiken im Einklang stehen. So können insbesondere Indien und China mit Blick auf die Standortqualität und Rahmenbedingungen punkten. Indien zeigt sich auch in der Bewertung der kulturellen Entfernung nicht allzu distant und ist hier aus Einkäufersicht sicher ein Erfolg versprechender Standort. •
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de