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Elektrik und Mechanik im Ganzen sicher beherrschen

Sicherheitstechnik bleibt Top-Thema in der Industrieautomatisierung
Elektrik und Mechanik im Ganzen sicher beherrschen

Der Markt für funktionale Sicherheitstechnik in industriellen Anwendungen wächst stark. Zum einen, weil inzwischen mikroprozessorbasierte Systeme wie SPS und Feldbusse für Sicherheitsaufgaben ertüchtigt wurden, zum anderen, weil die internationalen Normen auf die notwendigen technischen Anforderungen ausgerichtet und harmonisiert werden.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

Während einerseits der Automatisierungsgrad steigt und zu einer höheren Leistung führt, darf sich andererseits das von Maschinen und Anlagen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht erhöhen. „Diesen Herausforderungen muss die Sicherheitstechnik mit intelligenten Systemlösungen, die sich auch rechnen, begegnen“, sagt Klaus Stark, Leiter Produktmanagement bei der Ostfilderner Pilz GmbH & Co. KG. Auch auf der Suche nach Einsparpotenzialen rückt die Sicherheit in den Blickpunkt, denn nicht jeder teure Maschinenstopp ist notwendig. Die Impulse für veränderte Sicherheitsansätze kommen für Klaus Stark dabei aus der Bus- und Ethernet-Technologie und dem dezentralen Aufbau der Steuerungstechnik. Und mit neuen Normen und Richtlinien gibt der Gesetzgeber Schutzziele für Entwicklungen vor.
Dass „Sicherheitstechnik kein alter Hut“ ist, bekräftigt auch Jens Rothenburg. Der Produktmanager Bus-Systeme der Euchner GmbH + Co. KG in Leinfelden schreibt insbesondere der Bustechnik ein großes Potenzial zu. Am Beispiel einer abgesicherten Schutztür bilanziert Rothenburg, dass durch den Einsatz des Bussystems AS-Interface-Safety 18 Anschlussdrähte in zwei Leitungen durch nur ein Buskabel substituiert werden. „Hochgerechnet auf zehn Türen ersetzt ein Kabel einhundertachtzig einzelne Anschlusspunkte“, nennt Rothenburg den Vorteil. Signale wie „Tür ist offen“ oder „Lichtschranke ist nicht unterbrochen“ brauchen dabei lediglich eine 1-Bit-Information, um den Zustand zu signalisieren. Speziell für diese Art der Datenübertragung wurde das AS-Interface entwickelt, eine besonders einfach aufgebaute Bus-Variante.
Weiterer Vorteil: Für AS-Interface Safety at Work sind am Markt von vielen Anbietern sichere Eingangsbaugruppen erhältlich. Mit diesen lassen sich vorhandene konventionelle Sicherheitsschalter an AS-Interface anschließen. „Das macht sich natürlich auch beim niedrigen Preis bemerkbar“, freut sich Jens Rothenburg. Für anspruchsvollere Sicherheits- und Steuerungsaufgaben bietet sich hier die Kombination von AS-Interface mit leistungsfähigen Feldbussystemen wie dem Profibus an.
Der Trend am Markt geht jedoch hin zu Komplettlösungen mit einem einheitlichen Bussystem für die Sicherheitstechnik einerseits und die Steuerungstechnik andererseits. Bedeutend ist dabei das intelligente Verzahnen von Sicherheits- und Standardsteuerungsfunktionen, da beide Systemwelten unterschiedliche Anforderungen stellen. Schnelle Reaktionszeiten lassen sich nur dann umsetzen, wenn beim Entwickeln von vornherein beide Welten berücksichtigt wurden. „Bei unserer dezentralen, modular aufgebauten E/A- und Steuerungsplattform PSS-Universal lassen sich so Sicherheits- und Standardfunktionen in einem System kombinieren“, versichert Pilz-Experte Klaus Stark.
Die Elektronik in Sensoren ergänzt heute schon viele mechanische Varianten. So erfüllen berührungslose, codierte Sicherheitsschalter wie beispielsweise PSEN-Code höchste Anforderungen für die Schutztürüberwachung. Die Codierung von Sicherheitsschalter und Gegenstück hindert Mitarbeiter daran, die Schutzeinrichtungen zu manipulieren. Noch intelligenter werden Sensoren über entsprechende Software: Die direkte Integration einer Mutingfunktion in Lichtgitter, also ein Ausblenden von Schutzfunktionen in bestimmten Bereichen etwa für Handlingaufgaben, ist nach Klaus Stark nur ein Beispiel.
Was die Aktorik anbelangt, wird sich die Sicherheit in den Aktor verlagern und sichere Antriebe, sichere Ventilinseln oder sichere Roboter möglich machen. Das Stichwort lautet hier Safe Motion Control. Mit dem Kauf des Geschäftsbereichs Mayr Systeme der Mayr Antriebstechnik ist Pilz auch in diesen Bereich vorgestoßen. „Die Möglichkeiten der Sicherheitstechnik, Stillstand, Drehzahl, sicheren Stopp oder sicheren Halt zur realisieren, wird zu neuen Funktionen führen, die wiederum in neue Lösungsansätze zum Nutzen der Anwender münden werden“, so Klaus Stark. „Wir meinen aber nicht die Einzelachsen-Positionierung, sondern eine fein abgestimmte SPS- und Motion-Technologie.“
Als Komplettanbieter für Sicherheitstechnik versteht sich auch die Siemens AG in Nürnberg. Helmut Gierse, Vorstandsvorsitzender des Bereichs A&D, geht sogar einen Schritt weiter: „Wir sind der einzige Anbieter, der neben fehlersicheren Steuerungen, Motion-Control-Systemen, sicherheitsgerichteter Schalttechnik und Sensorik auch über fehlersichere Antriebe verfügt.“ Gierse nennt hier den Frequenzumrichter Sinamics, der antriebsautark Sicherheitsfunktionen an geberlosen und preisgünstigen Normasynchronmotoren bietet. Ein weiteres Highlight sieht Gierse in dem fehlersicheren Modul ET 200. Es soll das erste dezentrale Peripheriesystem in IP 67 mit sicherheitsgerichteter Industrial-Ethernet-Kommunikation via Profisafe-Profil sein.
Dr.-Ing. Peter Christiani von der Festo AG & Co. KG in Esslingen gibt zu bedenken, dass die elektronische Steuerkette mehr als nur einen elektrischen Teil umfasst. So bestimmt auch die pneumatische oder hydraulische Aktorik mit ihren Leistungsteuerelementen den Kraftteil einer Maschine. Hiervon gehen in der Regel Gefahren aus, denen man mit geeigneten Maßnahmen begegnen muss. Bisher konnte beobachtet werden, dass dieser Teil der Steuerkette oft nur einkanalig ausgeführt wurde, während die elektrischen Steuerungen ein ausreichendes Maß an Sicherheit aufwiesen. Abhilfe schafft die Norm IEC 61508, mit der die Sicherheit neben der Klassifizierung (SIL) auch berechnet werden kann. Allerdings können mit diesen Normen nur der elektrische/elektronische Teil sowie die Software beurteilt werden. Der mechanische Teil wird durch die EN ISO 13849-1 geprüft. Die daraus resultierenden Berechnungen zeigen dem Konstrukteur, ob auch der mechanische Teil beispielsweise durch Redundanzen, Schaltungslogik und Diagnose den Sicherheitsanforderungen angepasst wurde.
Es zeigt sich, dass die Sicherheitstechnik auch vorangetrieben wird durch das Harmonisieren internationaler Standards. Zudem haben Anwender erkannt, dass das Thema Sicherheit nicht mehr nur als Kostenfaktor zu sehen ist, sondern Voraussetzung für eine wirtschaftliche Produktion ist und durchaus auch Wettbewerbsvorteile bieten kann. Beispielsweise dann, wenn Sicherheitstechnik dazu beiträgt, die Interaktion von Mensch und Maschine zu verbessern oder die Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu erhöhen und für jeden Anwendungsfall spezifisch anzupassen. Ansatzpunkte hierfür sind zum einen eine schnellere Diagnose und zum anderen Alternativen zum kompletten Maschinenstopp.
Safety ist nach Einschätzung von Experten das am stärksten wachsende Segment in der Automatisierungstechnik. Nicht umsonst setzen alle Feldbus- und Ethernet-Nutzergruppen alles daran, ihre Vernetzungsvarianten mit dem Safety-Logo zu schmücken. Der Tüv hat beispielsweise der Profibus-Nutzerorganisation für Profisafe sein O.K. erteilt. Die Sercos-Gruppe ist ebenfalls dabei, ihren schnellen Motionbus sicherheitstauglich zu machen. Zertifiziert durch den Tüv Rheinland ist auch das Sicherheitsprotokoll Ethernet Powerlink Safety der B&R aus dem österreichischen Eggelsberg. Dabei erfüllen die Bussysteme nicht nur die Anforderungen der weltweiten IEC 61508 für Sicherheitssysteme. Ihre schnellen Buszykluszeiten führen auch zu immer kürzeren Reaktionszeiten. Das könnte das Ende der Zäune und trennenden Schutzeinrichtungen an gefährlichen Maschinen sein. Das Safety von morgen sind sicherheitstechnische Bildverarbeitungssysteme, die die Anwesenheit und Position von Personen erkennen. Diese Daten werden über leistungsfähige Sicherheitsbussysteme an die Maschine, den Roboter oder an die CNC gemeldet. Dort werden die Daten in Bewegungen umgesetzt, die den Menschen nicht mehr gefährden. Experten schätzen, dass diese Technik in rund fünf Jahren einsatzfähig ist.
Steuerungs- und Sicherheitstechnik greifen ineinander

„Wir überführen unser sicheres Bussystem in ein sicheres Ethernet“

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Nachgefragt

Pilz-Produktmanager Armin Glaser will mit busbasierter Sicherheitstechnik nicht nur Installationskosten senken, sondern vor allem Anlagen flexibler gestalten.
Herr Glaser, was ist der Vorteil von busgestützter Sicherheitstechnik?
Programmierbare Sicherheitstechnik lässt sich flexibel an die jeweiligen Erfordernisse anpassen. Dazu kommt, dass sich der elektrische Anteil verringert. Das spart Platz im Schaltschrank und reduziert Kabelwege. Schließlich lassen sich Software-Standards kopieren. Sie bieten eine höhere Verfügbarkeit und damit geringere Stillstandszeiten sowie eine schnellere und genauere Diagnose eventueller Fehlerzustände und Abhilfemaßnahmen.
Sind Sicherheits- und Steuerungstechnik getrennte Bereiche?
Feldbus-gestützte Sicherheitstechnik und die Automatisierungstechnik arbeiten nach vergleichbaren Prinzipien. Sie werden aber nach unterschiedlichen Gesichtspunkten ausgewählt. Während bei der Standardsteuerungstechnik die Datenmenge und -geschwindigkeit im Mittelpunkt steht, sind es bei der Sicherheitstechnik die Robustheit, die Forderung nach kurzen und vor allem konstanten Reaktionszeiten und schließlich die Sicherheitsanforderungen in Abhängigkeit von internationalen Normen. Eine funktionale Trennung bietet auch aus organisatorischen Aspekten Voreile, da sie klare Verantwortlichkeiten und eine höhere Transparenz der Anlagenstruktur schafft.
Wünschen sich aber die Anwender nicht nur ein System?
Der Wunsch auf Anwenderseite geht hin zu verzahnten Systemen. Heute ist dies mit vertretbarem Aufwand nur mit physikalisch getrennten Systemen machbar. Mit der Verfügbarkeit neuer Technologien und höheren Bandbreiten auf der Basis von Ethernet sind künftig auch andere Kombinationen sinnvoll.
Also doch ein einheitliches Industrial Ethernet?
Wir werden unser sicheres Bussystem Safety-Bus p in ein sicheres Ethernet überführen.
Gibt es Standards beim Programmieren?
Generell ist zu sagen, dass Anwender Sicherheitsfunktionen nicht mehr programmieren, sondern einfach konfigurieren möchten. Unser multifunktionales Sicherheitssystem PNOZ-Multi, das sich intuitiv am PC konfigurieren lässt, ist dafür sicherlich ein gutes Beispiel.
Wer übernimmt heute die Sicherheitsverantwortung?
Ein zu bestimmender Bauleiter übernimmt die Verantwortung für die Integration der Teilbereiche in ein Gesamtkonzept. Das führt zu einer gesamtheitlichen Konformitätserklärung oder besser zu einer CE-Zertifizierung. Der Bauleiter ist verantwortlich für die administrativen Tätigkeiten. wm

Kongress Sicherheit und Automation

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Sicherheit und Wirtschaftlichkeit dürfen kein Gegensatz sein. Das ist das Motto eines eintägigen Fachkongresses in der Messe Stuttgart. Am 16. März 2006 referieren Experten in der von der Messe Stuttgart, dem Sicherheitsunternehmen Pilz und dem Konradin Verlag gemeinsam initiierten Veranstaltung darüber, „was Manager über Manipulationen wissen müssen, weil sie für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter haften. Weitere Themen wie
  • Gefahren durch menschliches Verhalten,
  • Sicherheitsvorschriften contra Bedienbarkeit,
  • Vorleistungen beim Zertifizieren sowie
  • Fallbeispiele in Unternehmen
runden den Kongress ab. Sichern Sie sich einen Informationsvorsprung und melden sich an unter www.industrieanzeiger.de
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