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Endkontur-Fertigung erspart Nacharbeit

Entwicklungstrends in der Umformtechnik
Endkontur-Fertigung erspart Nacharbeit

Sowohl in der Blech- als auch in der Massivumformung spielt der Einsatz von Aluminium künftig eine immer wichtigere Rolle. Die Teile werden komplexer, die Endkontur-Fertigung nimmt zu, die Nacharbeit geht zurück.

Dr.-Ing. Stefan Wagner ist Abteilungsleiter Blechumformung und Dipl.-Ing. Jens Baur Abteilungsleiter Thixo-Schmieden am Institut für Umformtechnik der Universität Stuttgart

Die meisten Impulse zur Weiterentwicklung der umformtechnischen Verfahren gehen von der Automobilindustrie aus. Immer stärker in diesen Prozess einbezogen werden die Materiallieferanten, Unternehmen des Werkzeugbaus, Pressenhersteller sowie die hauptsächlich mittelständisch organisierte Zulieferindustrie.
Blechumformung
Bei kaltgewalzten Feinblechstählen konzentriert sich die Entwicklung derzeit auf hoch- und höchstfeste Blechqualitäten. Aluminium wird aus Gründen der Gewichtsreduktion zunehmend auch für Karosserieteile verwendet. Allerdings ist die Ausführung von Anhängteilen wie Motorhauben, Heckdeckeln oder Türen aus dem Leichtmetall stark abhängig von der Fahrzeugklasse.
Im Karosseriebau werden immer häufiger Tailored Blanks eingesetzt, um so für den jeweiligen Anwendungsfall im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion maßgeschneiderte Blechzuschnitte herstellen zu können. Allerdings werden vermehrt nicht-lineare Schweiß- nähte eingesetzt, deren Verläufe bezüglich Steifigkeit und Umformverhalten lageoptimiert sind.
Pressenbau setzt verstärkt auf Modularisierung
Generell verkürzen sich in der Blechumformung die Produktlebenszyklen bei gleichzeitig steigendem Entwicklungsaufwand. Zunehmende Variantenvielfalt geht einher mit geringeren Gesamtstückzahlen. Bei der Klein- und Mittelserienfertigung von Blechformteilen sollen die bauteilspezifischen Investitionen möglichst niedrig gehalten werden. Ein Mittel ist der Einsatz von Multifunktionspressen, um mit kostenminimierten Werkzeugen kostengünstig produzieren zu können.
Bei der Großserienfertigung hingegen lassen sich Werkzeuge aufwendiger und somit teurer ausführen, da bauteilspezifische Werkzeugkosten die Kalkulation in wesentlich geringerem Maße beeinflussen. Eingesetzt werden beispielsweise Stickstoff-Federsysteme, die kostengünstige Pressen ohne Zieheinrichtung ermöglichen. Steuer- und regelbare Stickstoff-Federsysteme stehen vor der Markteinführung.
Durchgängiger CAD/CAM-Datenfluß ermöglicht eine hohe Flexibilität. In der Methodenplanung gewinnt die Finite-Elemente-Prozesssimulation immer mehr an Bedeutung, da sich damit die Zahl der Prototyp-Teile oder -Baugruppen reduzieren lässt. Dennoch kann wohl auf absehbare Zeit nicht auf die praxisnahe Erprobung komplexer Blechformteile verzichtet werden.
An Bedeutung gewinnt das Innenhochdruckumformen (IHU) von Rohren sowie von Aluminium-Strangpressprofilen. Abgassysteme von Verbrennungsmotoren, Motorträger und selbst komplette Bodengruppen werden bereits serienmäßig durch IHU hergestellt. Aufgrund der hohen Prozesszeiten im Vergleich zu konventioneller Fertigung ist das Verfahren dann interessant, wenn sich mehrere Fertigungsschritte wie Umformen und Lochen in einer Operation zusammenfassen lassen, um die Gesamtprozesszeit zu verringern.
Immer wichtiger wird auch die Hydroblechumfor- mung. Verfahren wie das hydromechanische Tiefziehen sind bereits im industriellen Einsatz. Insbesondere bei der Klein- und Mittelserienfertigung lassen sich die bauteilspezifischen Betriebsmittelkosten beträchtlich senken: Im Gegensatz zum konventionellen Tiefziehen kann die Matrize entfallen, da der hydraulische Gegendruck das Blech an den Ziehstempel anpresst. Derzeitige Entwicklungen beschäftigen sich mit der Kombination des konventionellen Tiefziehens mit dem Hydroblechumformen, mit dem Hydroumformen von Doppelplatinen und mit dem Fügen hydrogeformter Doppelplatinen im Werkzeug.
Die Einführung CNC-steuerbarer hydraulischer Zieheinrichtungen im Pressentisch stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung eines reproduzierbaren Presswerkbetriebs dar. Zu erwarten ist, dass sich diese Technologie aus Kosten- und Qualitätsgründen gegenüber zweifach wirkenden Pressen durchsetzt.
Diverse Institute arbeiten an der Überlagerung niederfrequenter Schwingungen auf die Niederhalterkraft. Dies soll beim Tiefziehen die Robustheit des Ziehprozesses erhöhen und das mögliche Teilespektrum erweitern.
Der Pressenbau allgemein setzt verstärkt auf Modularisierung. Ein Beispiel ist der Einsatz unterschiedlicher Antriebskonzepte je nach gefordertem Arbeitsvermögen. Ein weiterer Trend ist das Optimieren der Pressenauslegung mit dem Ziel, die zu bearbeitenden Flächen und das Gesamtgewicht zu reduzieren und den Pressenkörper unter dem Aspekt der Auffederung zu verbessern.
Massivumformung
Die Massivumformung umfasst ein Teilespektrum mit Gewichten von wenigen Gramm bis hin zu vielen Tonnen. Hauptabnehmer in Deutschland ist die Automobilindustrie. Unter dem Aspekt der immer umfangreicher werdenden Komfort-Ausstattungen moderner Automobile und der geforderten Energieeinsparung ist es sinnvoll, das Fahrzeuggewicht durch den Einsatz von Aluminium zu reduzieren.
Durch Fließpressen hergestellte Teile werden typischerweise im Antriebs- und Lenkungsbereich eingesetzt, etwa bei Kardangelenken, Ritzeln und Wellen. Den hohen Anforderungen an solche Werkstücke, etwa in puncto Festigkeit und Werkstoffausnutzung, entsprechen die fertigungstechnischen Möglichkeiten des Fließpressens.
Der Trend beim Fließpressen geht zu immer komplexeren Teilegeometrien bei hohen Formänderungen und weitgehendem Verzicht auf spanende Nachbearbeitung. Eine interessante Entwicklung auf dem Werkzeugsektor ist dabei ein energetisch optimiertes, hydraulisches Schließwerkzeug. Es weist kaum energetische Verluste durch ungenutzte Federarbeiten auf und ermöglicht einen Umformweg, der doppelt so lang wie der Stößelweg ist.
Unter den Aspekten Werkstoff- und Energieeinsatz sowie Net-Shape-Forming wird das Fließpressen in den nächsten Jahren größere Zuwächse als das Schmieden verzeichnen, das von der Tonnage her gesehen das wichtigste Verfahren der Massivumformung ist. Der Marktanteil sinkt jedoch, da bei Änderungen am Werkstück oft keine Werkzeugänderungen mehr vorgenommen werden, sondern ein Verfahrenswechsel hin zum Fließpressen erfolgt.
Trends in der Weiterentwicklung der Schmiedeverfahren sind
– gesteigerte Prozessstabilität, etwa bei der Wärmebehandlung,
– vermehrte Produktion von Net-Shape-Werkstücken sowie
– das Vergüten aus der Schmiedehitze.
Der vieldiskutierte Ersatz graphithaltiger Schmiermittel durch sogenannte weiße Produkte ist noch nicht vollständig möglich, da eine vergleichbare Verschleißreduktion bislang nicht gegeben ist.
Ein noch relativ junges Verfahren der Massivumformung ist das Thixo-Schmieden, das mit dem gratarmen Schmieden oder Querfließpressen zu vergleichen ist. Hierfür wird das Rohteil in den Bereich zwischen Solidus- und Liquidustemperatur erwärmt. In diesem Bereich liegen im Gefüge sowohl feste als auch flüssige Bestandteile vor, was die zur Umformung notwendigen Kräfte niedrig hält. Weitere Vorteile des Verfahrens sind die Poren- und Lunkerfreiheit sowie die qualitativ hochwertige Oberfläche des Teils, die Möglichkeit des Schweißens und Wärmebehandelns, aber auch der Einsatz von ziehbaren Kernen zum Herstellen von Durchgangsbohrungen beim Umformen. Aufgrund der erforderlichen aufwendigen Anlagentechnik eignet sich dieses Verfahren besonders für Bauteile in hohen Stückzahlen.
Die CA-Techniken sollen helfen, Fehlstellen zu vermeiden und die Prozessvariablen zu optimieren. Die 2D-Simulation ist mittlerweile Stand der Technik, bei komplexen Teilen auch die 3D-Variante. Weiterentwicklungen sollen auch den Einfluss der Wärmebehandlung auf das Teil zeigen. Ziel der Entwicklung ist es, den Einfluss aller Parameter, also auch des spanenden Bearbeitens und des Schweißens, auf das Bauteil betrachten zu können.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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