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Endkunden übernehmen die Kontrolle

Plagiatschutz: Verpackungssystem lässt Fälscher kapitulieren
Endkunden übernehmen die Kontrolle

Fast jede Branche ist von Produktfälschung betroffenen. Auf rund 300 Mrd. Euro schätzt die Europäische Kommission den Schaden für die Weltwirtschaft. Der süddeutsche Automobilzulieferer NPR of Europe löst das Problem mit einem speziellen Verpackungssystem.

Die Produktpiraterie ist ein lukratives Geschäft. Fälscher, die wegen ihrer Konstruktionsfähigkeiten schon von großen Konzernen abgeworben werden sollten, blieben lieber bei der Piraterie. Denn die Gewinne sind hoch, das Strafmaß ist gering. Und: Die Abnehmer sind da. Das ist das eigentliche Problem beim Handel mit Billig-Kopien.

Ein offensiver Umgang mit dem Thema tut Not. Auf diese Weise wollte auch die NPR of Europe GmbH das Aufkommen von Fälschungen seiner Produkte eindämmen. Der Kolbenringhersteller aus dem schwäbischen Korntal-Münchingen hat einen weltweiten Vertrieb, ist jedoch zu klein, um vor Ort die Märkte kontrollieren zu können. Konzerne setzen auf Detekteien und eigene Sicherheitsabteilungen, die potenzielle Fälschungsquellen im Auge behalten. NPR bindet dafür Händler und Anwender ein. „Für uns ist es wichtig, dass der Endkunde den aktiven Teil der Echtheitskontrolle übernimmt“, sagt Vertriebsleiter Hans Gaulocher.
Zu diesem Zweck führte NPR vor einem Jahr ein neues Verpackungskonzept bei sich ein. Die technische Grundlage lieferte das Sicherheitssystem „Karl Knauer Ident“ der Karl Knauer KG aus Biberach. Mit Hilfe einer zweistufige Codierung werden die Verpackungen der Kolbenringe individualisiert. Die Codes variieren dabei von Karton zu Karton. Über eine Online-Abfrage können Händler und Mechaniker damit die Originalität der Verpackungen verifizieren. Dafür wurde eine eigene NPR-Website eingerichtet.
Angeleitet werden die Anwender mit eigens entwickelten Piktogrammen. Diese zeigen an, ob ein Code zu NPR gehört oder nicht oder ob er bereits von einem anderen User geprüft wurde. Darüber hinaus werden die Zugriffe auf die Website erfasst und regelmäßig ausgewertet. So lässt sich feststellen, wie oft in welchem Land Codes mit welchem Ergebnis geprüft wurden. Daraus kann abgeleitet werden, wo wie viele Fälschungen auftauchen. Ein gezieltes Vorgehen gegen die Imitate wird mit dieser Technik möglich.
Betreut wird das mehrstufige System durch Karl Knauer. Die Biberacher erstellen die Codes, hinterlegen sie im eigenen Sicherheitszentrum, drucken sie auf die Verpackungen und betreuen die Programmierung der Kundenwebsite mit dem Online-Check. Das Komplett-Paket trifft nach Ansicht von Gaulocher genau den Bedarf von NPR: „Kleinere Unternehmen sind in der Regel überfordert, eigene Maßnahmen zum Fälschungsschutz zu entwickeln. Wir sind auf die Spezialisten aus der Verpackungsindustrie angewiesen.“
Verpackungen spielen für NPR beim Schutz vor Produktfälschungen schon immer eine zentrale Rolle. Integrierte Sicherheitsmerkmale wie Hologramme, Sicherheitsfarben oder grafische Sicherheitselemente reichen dabei allein allerdings nicht mehr aus. „Bei manchen Kopien erscheinen die Merkmale schon besser als bei den Originalen“, sagt Martin Glatz, Marketingleiter bei Karl Knauer. „Die Technologie der Fälscher ist auf einem hohen Niveau, so genannte fälschungssichere Merkmale sind nicht lange vor Nachahmungen gefeit.“
Wirkungsvoller sind integrierte Konzepte, die über die gesamte Vertriebskette wirken. Bei der Lösung von Karl Knauer kommen neben dem Sicherheitscode als sichtbares, individualisierendes Merkmal auch unsichtbare Merkmale zum Einsatz, die NPR zur zusätzlichen Eigenkontrolle dienen. Die Hauptrolle spielen jedoch Händler und Anwender, die NPR-Fälschungen enttarnen.
Die Technik funktioniert nur, wenn sie offen kommuniziert wird. NPR hat die Einführung von Karl Knauer Ident mit einer umfassenden Informationsaktion begleitet. Auf Postern wurde den Händlern die Funktionsweise des Systems erklärt. In Russland, wo mit die meisten NPR-Fälschungen auftauchten, wurden Anzeigen in Fachblättern geschaltet. Ebenso wichtig ist die einfache Handhabung des Sicherheitssystems. Die Codes von Karl Knauer sind leicht zu erkennen. Eine spezielle Prüfausrüstung ist nicht nötig. Die einzige Vorraussetzung ist ein Rechner mit Internetanschluss.
Das Konzept geht auf. Händler wie Mechaniker nutzen das System seit der weltweiten Einführung vor einem Jahr. Einige Fälschungen sind auf diese Weise bereits entlarvt worden. In Russland hat ein Fälscher offen gegenüber seinem Abnehmer kapituliert. „Man muss mit dem Thema offensiv umgehen“, betont Hans Gaulocher. „Damit sensibilisieren wir die Nutzer und schrecken die Fälscher ab.“
Christiane Hilsmann Fachautorin in Heidelberg

„Die Politik ist entscheidend gefordert“

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Nachgefragt

Herr Gaulocher, wie sehr war NPR durch Produktfälschungen betroffen?
Extrem. Kolbenringe gehören zu den Ersatzteilen, die am häufigsten gefälscht werden. Mittelständische Unternehmen wie wir sind in der Regel überfordert, eigene Maßnahmen zum Fälschungsschutz zu entwickeln. Wir sind auf die Spezialisten aus der Verpackungsindustrie angewiesen.
Und die lösen das Problem?
Es wird immer schwieriger, fälschungssichere Verpackungen zu entwickeln. Viele technische Möglichkeiten sind bei den Fälschern oft schon bekannt. Die Verpackungshersteller müssen immer wieder neue Ideen entwickeln. Wie etwa Karl Knauer mit seiner kombinierten Druck- und IT-Lösung.
Liegt die Lösung allein in der Hand der Verpackungsspezialisten?
Nein, die Politik ist hier entscheidend gefordert. Innerhalb der EU kann den Fälschern noch mit gesetzlichen Mitteln begegnet werden. Außerhalb gibt es da kaum Möglichkeiten, da haben wir schlechte Karten. In China zum Beispiel werden Fälschungen als künstlerische oder technische Leistung anerkannt. Es ist also nicht nur ein technisches Problem, sondern auch eine Frage der Mentalität. Bis hier eine Lösung gefunden ist, werden sicher noch viele Jahre vergehen.
Industrieanzeiger
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