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Energie nicht nur aus einer Quelle

Hybride Prozesse steigern Leistung in der Fertigung
Energie nicht nur aus einer Quelle

Speziell für das Bearbeiten neuer Hochleistungswerkstoffe kommt der Auswahl der Fertigungsverfahren eine neue Bedeutung zu. Zunehmend treten dabei energiegekoppelte Fertigungsprozesse in Erscheinung.

Dipl.-Ing. Markus Fallböhmer studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau, Fachrichtung Konstruktionstechnik. Er ist seit Juli 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Laboratorium für Werkzeugmaschinen un Prof. Dr.-Ing. Fritz Klocke ist Inhaber des Lehrstuhls für Technologie der Fertigungsverfahren und Direktor des Laboratoriums für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH Aachen sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT), Aachen.

Die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen ist ein vordringliches Ziel produzierender Unternehmen. Um konkurrenzfähig zu sein oder gar einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, wird es in Zukunft entscheidend sein, nicht nur bereits bestehende Produktionsabläufe kontinuierlich zu verbessern, sondern auch neue Produkte zu entwickeln und einzuführen. Hiermit verändern sich auch die Anforderungen an die Produktion. Dabei wird es zukünftig nicht mehr ausreichend sein, vorhandene Produktionsabläufe zu optimieren. Zusätzlich müssen vielmehr neue leistungsfähige Fertigungstechnologien entwickelt und in die Produktion eingebunden werden.
Welche Fertigungstechnologien zukünftig entwickelt und eingeführt werden, hängt von einer Vielzahl von Einflußfaktoren ab. Somit wird beispielsweise das fortlaufende Bestreben nach einer höheren Produktivität sicherlich dazu beitragen, Technologien der Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeits-Bearbeitung weiterzuentwickeln. Da sich die Gesetze im Umgang mit Kühlschmierstoffen zunehmend verschärfen, werden Konzepte zur Minimalmengenschmierung und Trockenbearbeitung vorangetrieben. Auch von neuen Technologiefeldern wie der Mikrotechnik und dem Leichtbau gehen wesentliche Impulse aus, die es erforderlich machen, neue Werkstoffe und serientaugliche Fertigungsverfahren zu entwickeln.
Insbesondere mit der Entwicklung von Hochleistungswerkstoffen, die durch sehr ausgeprägte Eigenschaftsprofile, wie beispielsweise einer hohen Temperatur- und Verschleißfestigkeit, gekennzeichnet sind, kommt der Auswahl der Fertigungsverfahren eine neue Bedeutung zu. Sie müssen unter Beachten der Funktionseigenschaften des Werkstücks sowohl technologisch als auch wirtschaftlich häufig im Grenzleistungsbereich geführt werden. Dies kann durch den Einsatz energiegekoppelter Fertigungsprozesse gezielt unterstützt werden. In diesen Fertigungsprozessen, die oftmals auch als hybride Prozesse bezeichnet werden, wird die Prozessenergie nicht einer einzelnen Quelle entnommen, sondern es werden verschiedene Energieformen gezielt parallel gekoppelt und der Wirkzone zugeführt. Auf diese Weise können beachtliche Leistungssteigerungen bei Bearbeitungsprozessen erzielt werden.
Es bestehen bereits erste Ansätze, die Leistungsfähigkeit von trennenden Bearbeitungsverfahren durch gezielte Energieeinkopplung zu erweitern. Beispielsweise kann die Drehbearbeitung schwerzerspanbarer metallischer Werkstoffe, wie Titan- und Nickelbasislegierungen, sowie keramischer Werkstoffe mit Hilfe der Einkopplung thermischer Energie durch einen Laser- oder auch Plasmastrahl deutlich verbessert werden. Beim laser- und plasmaunterstützten Drehen werden im Wesentlichen die prozesskraftsenkende und die verschleißmindernde Wirkung der zusätzlich eingekoppelten Wärme genutzt. Zudem lässt sich bei den Zerspanvolumina die Effizienz erheblich steigern.
Neben dem Einkoppeln thermischer Energie in Form von Wärme liegen auch erste Erkenntnisse über kryogene Prozesse vor. Bei diesen Prozessen wird die Zerspanzone extrem unterkühlt. Untersuchungen beim Bohren von Baustählen sowie beim Fräsen von Werkzeugstählen haben die verschleißmindernde Wirkung der Methode nachgewiesen.
Bei den ultraschallunterstützten Prozessen werden zwei mechanische Energieformen verknüpft. Ausgehend vom Ultraschallschwingläppen, bei dem ein mit Ultraschallfrequenz schwingender Formkörper lose Läppkörner in die Werkstückoberfläche stößt und dadurch Material abtrennt, werden schon seit einigen Jahren unterschiedliche Fertigungsverfahren mit Ultraschall, aber auch mit Schwingungsanregungen in niedrigen Frequenzbereichen, kombiniert. In Abhängigkeit von dem zu bearbeitenden Werkstoff werden bei den schwingungsangeregten Trennprozessen unterschiedliche Ziele verfolgt. Sprödharte Materialien wie Glas oder Hochleistungskeramiken reagieren auf die Energiekopplung anders als duktile Materialien. Neben den vom Werkstoff ausgehenden Einflussgrößen wirkt sich die Art der Schwingungseinkopplung respektive die Anregungsrichtung auf das Arbeitsergebnis aus. So ist es in Abhängigkeit vom Bearbeitungsverfahren beispielsweise möglich, die Schwingungen sowohl über das Werkstück als auch das Werkzeug in die Wirkzone einzuleiten. Unabhängig von der Art der Schwingungsanregung und dem zu bearbeitenden Werkstoff werden bei allen Verfahrensvarianten verbesserte Prozessergebnisse beobachtet.
Auch das Überlagern mechanischer Energie mit den elektrischen Entladevorgängen bei der Funkenerosion kann zu beachtlichen Leistungssteigerungen von Prozessen führen. Aus dieser Form der Energiekopplung resultiert zum Beispiel das ultraschallunterstützte Erodieren. Dieses Verfahren eignet sich vor allem zum Herstellen von Bohrungen mit einer im Vergleich zum Durchmesser großen Tiefe. Durch die überlagerte Schwingungsanregung wird eine verbesserte Spülwirkung in der Bearbeitungszone erzielt. Zudem lassen sich die Abtragsraten erhöhen sowie die Werkstoffbelastung reduzieren.
Neben den angeführten Beispielen existieren bereits weitere Fertigungsverfahren, die die prinzipielle Anwendbarkeit sowie das Potenzial der gezielten Energiekopplung verdeutlichen. Eine grundsätzliche Problematik der Prozesse besteht jedoch darin, daß der vorhandene Erkenntnisstand bislang noch hochgradig phänomenologisch begründet ist. Es fehlt häufig das grundlegende Verständnis für die physikalischen Wirkzusammenhänge. Wesentliche Defizite bestehen darin, die Auswirkungen gekoppelter Energiefelder auf die erforderten Randschichtcharakteristika und Bauteileigenschaften abzuwägen. Es ist davon auszugehen, dass die resultierende Wirkung verschiedener Primärenergiefelder nicht durch ihre reine Überlagerung zu entwickeln ist. Es sind nichtlineare, verstärkende oder auch schwächende Wechselwirkungen zu erwarten, die bisher nicht ausreichend bekannt sind.
Daraus ergibt sich derzeit bei dem Einsatz energiegekoppelter Fertigungsprozesse eine rein empirische Ermittlung der jeweiligen Bearbeitungsparameter. Pre-Process-Simulationen sind bisher kaum realisiert. Der Gültigkeitsbereich des vorhandenen Wissens ist somit stark eingeschränkt, und Übertragbarkeiten in neue Anwendungen sind schwierig. Die Leistungsgrenze der Fertigungsprozesse kann nicht ausgereizt werden, und die systematische Entwicklung neuer Prozesse ist nur bedingt durchzuführen.
Es wird daher in der Zukunft entscheidend sein, dass diese Fertigungsprozesse in ihrer physikalischen Wirkungsweise erforscht werden. Durch diese Prozesse kann das Bearbeiten von Hochleistungswerkstoffen optimiert oder erst ermöglicht werden. Das erweiterte Verständnis über die gezielte Energieeinkopplung kann dann den Weg zu neuen Fertigungsverfahren öffnen. Mit der Entwicklung neuer Energiequellen sind dazu neue Leistungspotentiale verfügbar. Darüber hinaus kann das grundlegende Technologieverständnis auch Impulse für eine gezielte Entwicklung neuer Werkstoffsysteme geben und dadurch einen weiteren Beitrag für die Entwicklung innovativer Produkte leisten.
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