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Erst anstehen, dann antreiben

VDMa-Experte Rauen: Antriebs- und fluidtechnik sind gefragt wie nie
Erst anstehen, dann antreiben

Erst anstehen, dann antreiben
„Um die Messen entsteht ein Nationenwettbewerb. Wenn wir die Messelandschaft hier zersplittern, schwächen wir unsere globale Position.“
Weil die Auftragsbücher überquellen, müssen Anlagenbauer auf Großlager oder -antriebe heute bis zu zwei Jahre warten. Zu weiteren wirtschaftlichen und technischen Trends äußert sich Hartmut Rauen, Geschäftsführer der VDMA-Fachverbände Antriebs- und Fluidtechnik.

Herr Rauen, Antriebs- und Fluidtechnik melden Rekordergebnisse. Warum geht es den Branchen trotz steigender Rohstoff- und Energiepreise so gut?

Weil alle Zulieferer von veränderten Rohstoff- und Energiepreisen betroffen waren, haben die Kunden die Anpassungen akzeptiert – zumal viele Preisänderungen im Dialog entstanden sind. Die Auftragslage derzeit ist sogar so gut, dass die Kapazitäten der Hersteller langfristig ausgelastet sind. Das bringt sie in eine gute Verhandlungsposition.
Wir befinden uns also in einer Phase, in der ein Anwender auf seinen Antrieb warten muss…
Bei Großlagern beispielsweise sind die Hersteller auf Jahre hinaus verplant, gleiches gilt für Großantriebe. Mit Lieferengpässen ist also auf absehbare Zeit zu rechnen. Manche Hersteller kaufen schon Teile bei unausgelasteten Wettbewerbern zum Beispiel aus dem Ausland zu. Die Bereitschaft, längerfristig Kapazitäten aufzubauen, ist zwar prinzipiell vorhanden, wird aber gedämpft von dem Wissen, diese bei abflachender Konjunktur nicht wieder abbauen zu können.
Schließen Anbieter aus anderen Regionen die entstehenden Lücken?
Nein. Zum einen müssen auch diese auf die erforderlichen Werkzeugmaschinen und Betriebsmittel warten, die ebenfalls lange Lieferzeiten haben. Zum anderen fehlt vielerorts das Know-how, um Produkte herzustellen, die mit den hier entwickelten und gefertigten vergleichbar wären.
Antriebs- und Fluidtechnik sehen sich als Gewinner der Globalisierung. Wieso können sie sich die Fertigung in Deutschland leisten?
Sie müssen sich die Fertigung hier leisten. Die hohe Prozessqualität und Automatisierung, die zu sehr guten Produkten führen, lassen sich nicht einfach übertragen. Abgesehen davon ist es offensichtlich wettbewerbsfähiger, hier effizienter zu produzieren als aufwendig zu verlagern – sonst wären die Beschäftigungszahlen nicht über Jahre konstant geblieben, allerdings mit einem ständig steigenden Output pro Kopf. Darüber hinaus haben wir den Eindruck, dass der technologische Abstand zu Wettbewerbern bisher eher zu- als abnimmt.
Welche technischen Entwicklungen begründen die Führungsposition der deutschen Antriebstechnik auf dem Weltmarkt?
Es gibt keinen singulären Trend. Aber die Leistung der Antriebskomponenten bestimmt oftmals die Leistung einer Gesamtmaschine, und die hiesigen Anbieter schaffen es, für einen vernünftigen Preis einen guten Gegenwert zu bieten. Die deutsche Ingenieurkultur zeigt sich deutlich im Vernetzen von Mechanik, Software und Sensorik und in den produktbegleitenden und serviceorientierten Angeboten. Total Costs of Ownership, die Betriebsdauer, Servicekosten und die Leistungsdichte eines Produktes zählen immer mehr. Und man muss sehen, dass Mitteleuropa weltweit das Engineering-Cluster schlechthin ist.
Bei den Gesamtkosten spielen die Energiepreise eine Rolle. Wo sehen Sie die wichtigsten Ansatzpunkte zum Sparen?
Umrichter an den Motoren sind eine Möglichkeit. Ich glaube aber nicht, dass es beispielsweise bei den Stückzahlen von Umrichtern zu drastischen Änderungen kommt. Bei aller Liebe zum Umweltschutz: So lange Lösungen sich nicht rechnen, haben nicht einmal sehr gute Vorschläge eine Chance. Häufig ist der Kunde nicht mal der Betreiber. Daher darf man nicht zu euphorisch sein. Dennoch gibt es hervorragende Ansätze. Mit Turbogetrieben beispielsweise lässt sich im Kraftwerk jeden Tag eine Leistung von einem Megawatt einsparen. Das entspricht einer heute üblichen Windkraftanlage. Für die Industrie wiederum sind beispielsweise reibungsoptimierte Lager entwickelt worden.
Sind pneumatische und hydraulische Lösungen wegen ihres Energieverbrauchs nun auf dem absteigenden Ast?
Nein. Ein Anwender stellt sein Antriebssystem nur in Frage, wenn es ihm finanziell etwas bringt. Und fluidtechnische Lösungen haben nach wie vor Vorteile, die den Verlust einer Kilowattstunde aufwiegen. Pneumatik ist und bleibt eine sehr gute und günstige Lösung für Pick&Place-Aufgaben. Und für die Hydraulik in Spritzgießmaschinen haben die Hersteller Möglichkeiten gefunden, zu effizienten Betriebszuständen zu kommen. Da führt der Wettbewerb mit elektrischen Antrieben klar zu besseren Produkten, und es entstehen sogar Hybridsysteme. Daher ist die Frage nach dem Energieverbrauch für die Fluidtechnik einer von vielen Parametern.
Einige MDA-Aussteller orientieren sich in Richtung Automatisierung. Ist die Trennung der Industrial Automation und MDA in Zukunft noch sinnvoll?
Die neue Orientierung betrifft nicht die breite Masse der Aussteller, und es geht hier nicht so sehr um die thematische Zuordnung, sondern um die jährliche Präsenz am gleichen Standort auf der Messe. Aber wir wissen, dass für zwei Drittel der MDA-Aussteller der zweijährige Rhythmus die beste Lösung ist, und erwarten von der Deutschen Messe AG eine konstruktive Lösung für die nächsten Runden. Wir gehen das Thema im Mai an und sind sehr zuversichtlich, dass wir zu einer Lösung kommen, die der Bedeutung dieser Leuchtturmmesse in Europa entspricht.
Wie bewerten Sie die Messelandschaft?
Wir können froh sein, dass wir eine Hannover Messe dieser Größe und Internationalität in Europa haben und brauchen keine Zersplitterung der Messelandschaft, die in mittelalterlicher Kleinstaaterei endet. In einigen Jahren möchten Kunden aus Asien vielleicht nicht mehr so gern nach Europa reisen. Wenn wir unsere Chancen erhalten wollen, müssen wir also unsere Prioritäten setzen. Die Messe PTC ist zwar in China aufgebaut worden, aber es gibt Bestrebungen der chinesischen Regierung, diese Aktivitäten an sich zu ziehen. So entsteht ein Nationenwettbewerb, und wir sollten unsere Position nicht durch viele kleine Messen schwächen.
Wie lassen sich Internationalität und Produktpiraterie vereinbaren?
Auf der Messe zeigt sich nur, was ohnehin passiert. Wichtiger ist aber, wirtschaftspolitisch aktiv zu sein, was wir auch tun. Darüber hinaus haben wir mit dem Bundesforschungsministerium ein Programm angestoßen, in dem Technologien zum Schutz gegen Produktpiraterie entwickelt werden. Der VDMA baut gerade Plattformen auf, um den Austausch zwischen Anbietern und Anwendern zu erleichtern.
Vor zwei Jahren hieß es, Massenprodukte aus Asien hätten Chancen, der Vorsprung hiesiger Hersteller sei aber kaum aufzuholen. Gilt das noch?
Ich hoffe, dass es möglich ist, den Vorsprung auf Dauer zu halten. Manche Anbieter haben schon Low-Tech-Produkte auf den Markt gebracht, um Gegendruck zu erzeugen und von Skaleneffekten auf den wachsenden Märkten zu profitieren.
Muss man sich um den Fortbestand der hiesigen Antriebs- und Fluidtechnik-Hersteller Sorgen machen?
Nein. Es sind nicht Billigprodukte aus Garagenwerkstätten, die uns Sorgen machen sollten, sondern Produkte ausgelagerter Werke internationaler führender Unternehmen. Die hiesigen Hersteller machen aber ihren Weg, am liebsten zum Nutzen des deutschen Standorts. Sorgen um den Standort sind dennoch berechtigt, wenn sich bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit, den Urlaubsregelungen, der Wochenarbeitszeit und anderen Rahmenbedingungen nichts tut.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Antriebs-/Fluidtechnik im Überblick
Die deutsche Antriebstechnik und Fluidtechnik erwirtschafteten 2006 nach vorläufigen Zahlen ein Umsatzvolumen von 18,8 Mrd. Euro, was einem Plus von rund 14 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die sehr gute Auftragslage führt laut VDMA zu einer Kapazitätsauslastung beider Branchen von 96 %. Für 2007 rechnen die Unternehmen daher in der Antriebstechnik mit einem Plus von 4 %, in der Fluidtechnik mit einem Zuwachs von 3 %. Der wichtigste Markt sind nach wie vor die USA, gefolgt von Italien, Frankreich und China. Als Zukunftsmärkte gelten Indien, die Türkei und Osteuropa.
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