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Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Mit der Investition in neue Verfahren Marktvorteile sichern
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Wo und wie schnell Innovationen sich durchsetzen, ist kaum kalkulierbar: Fertigungstechnik, die heute als bestenfalls labortauglich gilt, ist morgen vielleicht geldwerter Standard. Umgekehrt laufen Verfahren ins Leere, die gestern noch Garant gehobener Leistungskennzahlen waren. Untersuchungen zeigen, mit welchen Technologien Sie rechnen können.

Von Chefreporter Wolfgang Filì chefreporter@fili.net

Aktien- und Betriebsmittelkäufe haben nur indirekt miteinander zu tun. Sie folgen letztlich aber dem gleichen Schema: Wer hier entscheidet, investiert eher mit dem Trend statt in Außenseiter, und er setzt lieber auf Standards als auf Spezialwerte oder -techniken. Das geht grundsätzlich in Ordnung, zeigt kollektiven Bezug und schont die Nerven. Was aber, wenn die Ausnahme sich unverhofft zur Regel mausert und die Nischen- zur Normallösung wird? Weder Anleger noch Anwender dürften glücklich damit sein.
Elna Schirrmeister vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe haben Entwicklungen dieser Art keine Ruhe gelassen. Was sie vor allem interessiert, ist die Dynamik solcher Vorgänge. In der Faktenstudie „Techniken im Trend“ haben die Wirtschaftsingenieurin und ihr Team untersucht, in welchen Branchen und mit welchem Tempo sich Technologien verbreiten – oder mit anderen Worten: welche Technik wo und wie schnell Fuß fasst. Dazu haben die Forscher über 13 000 produzierende Betriebe angeschrieben, nach investiven Pflichten und Vorhaben gefragt sowie 1630 Antworten ausgewertet.
Das wissenschaftlich gegen den Strich gebürstete Ergebnis ist repräsentativ und unterscheidet nach
  • Standardtechniken, die etabliert sind und sich vorwiegend innerhalb der Betriebe weiter verbreiten,
  • kritischen Vorreitertechnologien mit großem Anwendungspotenzial, deren Bedarfsentwicklung jedoch unklar ist und bei denen die Firmen abwarten, ob sie sie einführen oder auf Zukauf setzen, sowie
  • Spezialtechniken mit hohem Verbreitungstempo, die voraussichtlich nicht die Gesamtheit der Betriebe erreichen sondern Nischenlösungen bleiben, und
  • künftigen Standardtechniken, die sich mit hohem Tempo etablieren, und für die die meisten Unternehmen Einsatzpotenzial sehen, die sich allerdings genau so gut unterschiedlich schnell als auch in Wellen verbreiten können.
Die Verfahren sind nach Potenzial und Dynamik angeordnet auf Seite 25 dargestellt. Vor allem an den künftigen Standards werde kaum ein Metall- oder Elektrobetrieb vorbei kommen, prophezeit Schirrmeister. Zu ihnen zählt die Wissenschaftlerin auch die Bildverarbeitung als Schlüsseltechnik der Automationsindustrie. Ihr Einsatz in der Produktionsüberwachung, -steuerung und -kontrolle werde laufend ausgeweitet. Ein Ende sei nicht abzusehen – eine Einschätzung, die der Fachverband Industrielle Bildverarbeitung im VDMA e.V. , Frankfurt/M., teilt. Lag der Branchenumsatz 1995 noch bei 230 Mio. Euro, betrug er 2003 bereits 830 Mio. und könnte 2005 die Euro-Milliarde überschreiten. Dabei ist der Markt nicht einmal zu 20 % besetzt. Täglich, so stellt der Verband erfreut fest, kommen neue Anwendungsgebiete hinzu. Bereits jeder zweite Großbetrieb mit mehr als 500 Beschäftigten setzt Bildverarbeitung in der Produktion ein.
Dagegen ist der Dampf bei den spanenden Standardtechniken weitgehend verpufft. Der Markt ist erschlossen, und mit einer Nutzerquote von 40 % wird in kleinen Betrieben genau so viel hartbearbeitet wie in den großen. Das Verfahren hat seinen Anpassungsprozess hinter sich. Entsprechend wollen nur wenige Betriebe wegen technisch-wirtschaftlicher Unzulänglichkeiten auf den Einsatz verzichten. Die Überzeugungsarbeit ist getan, der Schwung gleichwohl erschöpft.
Auch bei der Fertigung von Leichtbaustoffen herrscht Stagnation. Zwar setzt jeder dritte Betrieb die Verfahren ein, doch handelt es sich im Wesentlichen um traditionelles Zerspanen von Aluminium. CNC-Bearbeitungszentren wiederum haben ihre Drangphase längst hinter sich und sind Stand der Technik. Entsprechend dürften sich diese drei Technologien ohne berauschende Dynamik weiter verbreiten.
Anders die Verfahren zur Bearbeitung von Keramik und Faserverbundwerkstoffen – ihr Potenzial ist relativ hoch, der Schwung hingegen noch verhalten. Sie werden erst wenig genutzt. Die Betriebe schließen Einsatzmöglichkeiten im eigenen Haus um so eher aus, je geringer eine Technik bislang verbreitet ist. Oder umgekehrt: Je größer die Installationsbasis, desto risikoloser erscheint die Anwendung kritischer Vorreitertechnologien. Wie an der Börse gilt die Regel „the trend is my friend“.
Auch die Automationstechnik ist Gegenstand investiver Planung. Jedoch sehen viele Entscheider Defizite der verfügbaren Lösungen und zögern. Roboter und Handhabungssysteme werden von 25 % der Betriebe genutzt, legen aber weiter zu. 6 % der Betriebe planen die Einführung. Die Dynamik automatisierter Materialflusssysteme ist noch höher.
Spezialtechniken wie die Mikromechanik und Reinraumtechnologie fassen zwar in großen Schritten Fuß, haben jedoch beschränktes Potenzial. Allein 4 % der befragten Betriebe gab an, mikromechanische Teile zu fertigen. Über zwei Drittel sieht überhaupt keine Einsatzmöglichkeit. Auch für die Reinraumtechnik scheint das Einsatzfeld eng abgesteckt.
Weiter zu den künftigen Standardtechniken: Hier ist das Bearbeiten von Metall mit Minimalschmiermengen oder völlig ohne Kühlschmierstoff erst wenig etabliert. Allerdings plant eine große Zahl von Betrieben den Einsatz und fordert wirtschaftlich bessere Lösungen. Damit wird jedoch ebenfalls deutlich, dass Anwender wie Anbieter noch im Lernprozess stehen. Das Spanen mit Hochgeschwindigkeit wiederum gilt erst seit den 90er Jahren als prozesssicher, liegt in den großen Betrieben aber gleichauf mit der Trockenbearbeitung.
Dabei basieren Hart- und High-Speed- wie auch Trocken-, Keramik- und Verbundwerkstoff-Bearbeitung letztlich auf der gleichen Technik: CNC-Zerspanungsmaschinen sind ausgereift, und nur noch wenige Betriebe stehen vor dem ersten Einsatz. Zu 60 % ist der Markt besetzt. Um so härter kämpfen die Hersteller um die verbliebenen Kunden. Die Folge ist ein Geschäft, bei dem es in der Breite nichts mehr zu holen gibt. Der deutsche Verbrauch stagniert bei 6 Mrd. Euro.
So stellt eine vom Frankfurter Verband Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW) in Auftrag gegebene Studie fest, dass die 20 größten Anbieter 1995 rund 20 % des Weltmarkts unter sich verteilt hatten. 2003 waren es bereits 40 % des auf 30 Mrd. Euro geschätzten Volumens. Extrapoliert auf 2010, sollen es dann – bei wechselnder Besetzung unter den 20 Größten der Branche, versteht sich – an die 51 % sein. Der verbliebene Wettbewerb sucht sein Heil in der Nische. Dagegen bauen Marktführer wie Trumpf (Schwerpunkt Blechbearbeitung), Deckel-Maho-Gildemeister oder Yamazaki (Zerspanungstechnik) ihr Portfolio aus und punkten durch zusätzliche Verfahren. Dabei nehmen die Komplettbearbeitung und neue Werkstoffe großen Raum ein. So bietet die Bielefelder DMG-Gruppe neben dem klassischen Fräsen und Drehen die Bearbeitung mit Laser und Ultraschall an. Auch Glas, Keramik, Silizium, Graphit und Verbundstoffe werden erreicht.
Damit steht dieser ehedem klassische Anbieter von NC-Maschinen im direkten Wettbewerb zu generativen Verfahren wie dem Rapid Prototyping und Tooling. Erst seit den 80er Jahren serienreif, haben es diese bereits auf 10 % Nutzerquote gebracht. Nach Schätzung der Ulmer NC-Gesellschaft e.V. dürfte die deutsche Installationsbasis zwischen 1500 und 2000 sowie weltweit bei 5000 Anlagen liegen. 4 % der Betriebe plane den baldigen Einsatz, erläutert Elna Schirrmeister. Eine weitere, größere Gruppe warte jedoch auf technisch bessere und wirtschaftlich interessantere Lösungen. Na bitte: Offenbar geht´s beim Modernisieren also doch zu wie an der Börse.
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