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Es muss kein Stahl sein

Hersteller steigern die Leistungsdichte von Getrieben
Es muss kein Stahl sein

Klein müssen Getriebe heute sein, aber das Drehmoment soll trotzdem stimmen. Daher sorgen die Hersteller für hohe Leistungsdichte und Verfügbarkeit. Neue Werkstoffe und Beschichtungen könnten weitere Verbesserungen bringen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Neue Fertigungsverfahren und Werkstoffe, integrierte Sensoren und geschrumpfte Produkte, die mehr Leistung bringen: Indem die deutschen Hersteller von Getrieben und Zahnrädern die Forderungen der Anwender erfüllten, erzielten sie laut VDMA im Jahr 2004 einen Umsatzzuwachs von 10 % im Vergleich zum Vorjahr, und auch der Auftragseingang wuchs. Beim Export dieser Produkte liegt die Bundesrepublik sogar weltweit in Führung. Auch wenn sich die Fortschritte hier weniger spektakulär darstellen, als es Elektronik und Software in der Antriebstechnik inzwischen vormachen, befinden sich die Mechaniker also auf Erfolgskurs.
Damit das so bleibt, dürfen ihre Produkte weder beim Konstruieren einer Maschine noch beim späteren Betrieb Schwierigkeiten machen. Die Anforderungen an ein Getriebe sind hoch. Es soll
  • eine hohe Leistungsdichte aufweisen und für den Robotereinsatz wenig wiegen,
  • universell und einfach zu montieren sein, sich aber dennoch an die jeweilige Maschine oder Anlage anpassen lassen,
  • eine hohe Lebensdauer bieten und
  • dem Servicemann positiv auffallen, weil möglichst kein Ölwechsel fällig ist.
Um dem gerecht zu werden, nutzen die Hersteller viele Ansatzpunkte. Die Fertigung der Zahnräder ist einer davon, wie das Beispiel der Bargteheider Getriebebau Nord GmbH & Co. KG zeigt. Dort werden Schnecken nicht mehr gefräst und geschliffen, sondern nach dem Kaltwalzverfahren hergestellt. „Die so gefertigten Teile haben sich schon in der Praxis bewährt und steigern den Wirkungsgrad um zehn bis zwanzig Prozent“, berichtet Ralf Brenneisen, Assistent der Vertriebsleitung. In Zusammenarbeit mit der Forschungsvereinigung Antriebstechnik werde derzeit untersucht, ob das Verfahren auch beim Herstellen anderer Getriebetypen Vorteile bringt. Steigerungen beim Drehmoment könnten laut Brenneisen zukünftig durch den Einsatz höherlegierter Stähle erzielt werden. „Noch ist es allerdings eine Herausforderung, diese Materialien wirtschaftlich zu bearbeiten.“ Im Betrieb seien sie zwar weniger anfällig gegenüber Verschleiß. Diese Eigenschaft mache aber den Werkzeugen beim Bearbeiten zu schaffen.
Auch andere Hersteller wie die Limburger Harmonic Drive AG setzen mit selbst- oder umgebauten Maschinen bei der Fertigung an sowie beim Material. Laut Dr. Rolf Slatter, Vorstand Vertrieb & Marketing, könnten Kunststoffe sowie verschiedene Leichtbauwerkstoffe für spezielle Anwendungen eine Alternative zum Stahl sein
Die Limburger, die sowohl Getriebe für industrielle Anwendungen als auch für den Mikrobereich bauen, haben im Jahr 2004 die Harmonic Drive Polymer GmbH gegründet, um die Potenziale dieser Werkstoffe auszuschöpfen. Slatter räumt allerdings ein, dass deren Leistungen noch nicht mit Stahlgetrieben verglichen werden können und „die Anwendungen für diese Getriebe zunächst im Automobil- und Konsumbereich liegen“. Aus diesem Grund lässt Getriebebau Nord die Kunststoffe bei der Entwicklung links liegen. „Wir bauen Getriebe für Pumpen in der Umwelttechnik, für die Fördertechnik oder die chemische Industrie und fangen bei einer Leistung von 50 Newtonmeter erst an“, erläutert Brenneisen. Diese untere Grenze übersteige aber die Leistung von Getrieben mit Kunststoffteilen bereits um den Faktor 5.
Die Leichtbauwerkstoffe wiederum haben laut Harmonic-Drive-Vorstand Slatter „den Sprung aus dem Labor in die industrielle Praxis schon geschafft“, wenn auch für spezielle Anwendungen. Mit solchen Leichtbaugetrieben ist beispielsweise ein Roboter ausgestattet, der in der International Space Station (ISS) Dienst tut. Die erhöhte Leistungsdichte wird erreicht durch den Einsatz von Leichtmetallen, formoptimierten Bauteilen und tribologischen Schichten, die die Tragfähigkeit der Leichtmetallbauteile erhöhen.
Doch auch bei Getrieben aus Stahl könnten Beschichtungen den Verschleiß mindern und damit die Leistung steigern. Ob und in welcher Form sich das Beschichten für die Serienfertigung von Zahnrädern eignet, überprüft derzeit die Alpha Getriebebau GmbH. „Erste Anwendungen sind bereits im Feld“, heißt es aus Igersheim.
Schon in der industriellen Praxis genutzt würden hingegen Sensoren und Elektronik, die in Getriebe integriert sind. Alpha überwacht damit beispielsweise die im Laufe der Zeit nachlassende Vorspannkraft von Zahnriemen. So sei eine Maschine besser zu regeln und arbeite damit produktiver und sicherer. „Noch interessanter wird es, wenn wir mit Sensoren im Getriebe sogar Informationen über Prozessparameter irgendwo außerhalb des Getriebes bekommen können“, sagt Alpha-Geschäftsführer Dr. Michael Fiedler. Mit einem solchen indirekten Ansatz ließen sich der gesamte Antrieb sowie der Prozess optimieren – was laut Fiedler „sogar sinnvoller ist als die konventionelle Zustandsüberwachung“, mit der sich lediglich die Wartung besser organisieren lasse.
Auch wenn die Entwickler auf unterschiedliche Schwerpunkte setzen, zeigen Zahlen und Prognosen vom VDMA, dass die Getriebehersteller insgesamt in die richtige Richtung gehen. Selbst angesichts steigender Preise für den zumeist unverzichtbaren Werkstoff Stahl rechnet der Verband für 2005 mit einem Umsatzwachstum von 3 % – eine „moderate“ Steigerung, wie es VDMA-Mitarbeiter Dirk Decker ausdrückt. Schließlich habe der Produktionswert der mechanischen Antriebstechnik insgesamt mit über 10 Mrd. Euro im Jahr 2004 einen „historischen Höchststand“ erreicht – und rund 45 % davon entfallen auf die Getriebe und Zahnräder.
Ihre Kunden sehen Hersteller höchst präziser Getriebe nach wie vor in Europa, Japan und den USA. Auf China und Indien und die dortigen Potenziale haben alle ein Auge. Aus dem Blickwinkel von Nord-Mitarbeiter Ralf Brenneisen liegen die Zukunftsmärkte schon jetzt absehbar im Osten Europas sowie in China und Indien.
Unabhängig von der Herkunft der Anwender haben diese aber eines gemeinsam: Den Wunsch nach günstigen Lösungen – was Standardisierung erfordert – gepaart mit einer gewissen Variabilität, die sich auf Anschlussmöglichkeiten für die landesüblichen Motoren beziehen kann oder auf die Einbaubedingungen in einer speziellen Maschine. Wobei dieser Wunsch nach der „persönlichen Note“ unter den deutschen Ingenieuren besonders ausgeprägt sein soll.
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