Expertenwissen optimiert das Spritzgießen

Beim Spritzgießen hat der Anwender oft keine Einstelldaten, um die Produkte präzise in Wiederholgenauigkeit fertigen zu können. Auch Maschinendaten aus der Produktion sind nicht nutzbar. Auf Grund von unterschiedlichen Umgebungsbedingungen ist es immer fraglich, ob die vorhandenen Daten wieder zu einer akzeptablen Teilequalität führen. Ein Expertensystem in Form einer relationalen Datenbank, integriert in die Maschinensteuerung Plast-Max, soll diese Informationen speichern und beim Einstellen von Spritzgießmaschinen verwenden. In der Datenbank sind zum einen kunststoffspezifische Verarbeitungsdaten gespeichert. Zum anderen sind dort sogenannte Fuzzy-Rule-Sets angelegt, mit denen auftretende Formteilfehler während des Einrichtens sowie während der laufenden Produktion behoben werden können.Die benötigten Formteil- und Maschineninformationen setzen sich aus verschiedenen Werten zusammen, die der Anwender aus den Datenblättern der Spritzgießmaschine sowie aus den Produktionsdaten entnimmt. Fehlen diese Daten, dann kann der Spritzgießer die Informationen auch durch Messungen am Werkzeug ermitteln. Aus diesen Werten, die direkt in die Steuerung eingegeben werden, lassen sich die erforderlichen Maschinenparameter berechnen.Während des Einrichtens und der laufenden Produktion werden nun auftretende Formteilfehler über die Benutzeroberfläche spezifiziert, ausgewählt und mit Hinweisen bewertet. Diese Bewertungen sind Basis für die zu rechnenden Regelalgorithmen, nach denen die Maschinenparameter zu ändern sind. Dieses Verfahren behebt Fehler und verbessert die Qualität des gespritzten Produkts.Sollen nun diese Datenbanksysteme auf der Maschinenebene verwendet werden, so erfordert das eine leistungsfähige Steuerungshardware. Plast-Max ist solch ein High End-System, das sich aus einer skalierbaren Industrie-PC-Plattform, einer Soft-SPS, einem Feldbusmaster sowie einer Visualisierungssoftware für Spritzgießmaschinen zusammensetzt. Der Anwender kann zwischen einem Celeron- oder Pentium M-Prozessor wählen. Die E/A-Ebene wird über den Datenbus Interbus an das Leitsystem angebunden. Mit Plast-Max erhält der Anwender eine getestete und installierte Lösung mit aufeinander abgestimmten Hard- und Softwarefunktionen. Basiseinheit der Steuerung ist ein robuster Blind-Node-PC, der in einem kompakten Aluminium-Gehäuse mit massiver Frontplatte und geringer Einbautiefe untergebracht ist. Um dem rauen Einsatz in einer Spritzgießmaschine gerecht zu werden, wurde bewusst auf drehende Teile verzichtet. Alle relevanten Daten werden in einer steckbaren Kompakt-Flash-Karte gespeichert. Alternativ dazu lässt sich die Steuerung auch in einem vorhandenen Netzwerk betreiben. Bedient werden die Spritzgießmaschinen per kompakter Bedien- und Anzeigeeinheit. Sie bietet neben einem 15“ TFT-Touch-Display alle notwendigen Tastenelemente für die manuelle Vor-Ort-Bedienung sowie Befehls- und Meldegeräte für alle wichtigen Maschinenfunktionen.Auch ein Anwender dieser Technik war gleich gefunden, denn der Anbieter selbst setzt bereits seit 38 Jahren hydraulische Spritzgießmaschinen für seine Kunststoffteile ein. „Unser Unternehmen produziert mehr als 36000 Artikel mit unterschiedlichen Anforderungen an die Kunststoffteileproduktion“, erläutert Erich Blinne, Fachleiter im Bereich Kunststofftechnik in Blomberg. „Unser Markt ist ein internationaler Breitenmarkt, in dem die Kunden hohe Erwartungen an die Teilequalität stellen“. Die Prozess-Stabilität und Wiederholgenauigkeit ist laut Blinne insbesondere im 3-Schicht Betrieb zu einem wichtigen Faktor geworden: „Für uns heißt das, unsere Maschinen müssen noch präziser, effizienter und flexibler arbeiten.“Im Mittelpunkt des Projekts stand das Umrüsten einer Spritzgießmaschine mit einer Schließkraft von 100 t, die bereits in der Teileproduktion eingesetzt wurde. Nach vierjährigem Betrieb sollte sie modernisiert werden. Höhere Geschwindigkeit und Genauigkeit sowie mehr Effizienz bei Produktion und Rüstzeiten waren die vorrangigen Ziele. Das neue Automatisierungssystem musste digitale und analoge E/A-Module bereitstellen, um die existierenden Sensoren und Aktoren daran anschließen zu können. „Wir wollten vermeiden, die Maschine vollständig neu zu verdrahten“, erläutert Blinne. „Außerdem sollte eine Soft-SPS die Leistungsfähigkeit der Maschine steigern und gleichzeitig die Genauigkeit erhöhen.“ Denn Qualität und Schnelligkeit haben bei Spritzgießmaschinen unmittelbaren Einfluss auf den Fertigungsprozess. „Mit Plast-Max haben wir unser Ziel erreicht“, resümiert Blinne. Das vereinfachte Bedienkonzept auf Basis einer Visualisierungs-Software verbesserte die Anfahrstrategie erheblich. Auch die Anzahl der Einfahrzyklen wurde so reduziert und der „Trial-and-Error“-Prozess minimiert.

Dipl.-Ing. Oliver Fischer und Dipl.-Betriebswirt Jörn Krimpenfort, Mitarbeiter in der Business Unit Automatisierungssysteme, Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg

Marktchancen

Ungenaue Einstelldaten, schlechte Wiederholgenauigkeit und fehlerhafte Formteile kommen den Betreibern von Spritzgießmaschinen teuer zu stehen. Mit einer neuen Steuerung, die Expertenwissen speichert und sich zudem noch einfach bedienen lässt, ist der Anwender bei der Qualität, der Zeit und den Kosten auf der sicheren Seite.

Im Maschinen- und Anlagenbau ist der Automatisierungsgrad sehr unterschiedlich. Häufig wird eine klassische SPS zur Steuerung verwendet, und Sensoren sowie Aktoren werden über Feldbussysteme wie Interbus angebunden. Zum Bedienen und Beobachten der Maschine oder Anlage werden zusätzlich Text- und Grafikterminals oder Monitore mit Touchscreen eingesetzt. Alle Komponenten sind an unterschiedlichen Orten installiert und müssen vernetzt werden. Hier bietet eine PC-basierte Lösung ein hohes Einsparpotenzial. Die Maschinensteuerung Plast-Max zum Optimieren von Spritzgießmaschinen ist nur ein Beispiel dafür, wie Regelungsaufgaben, die früher eine Domäne von Industriereglern waren, heute mittels IEC 61131–3-kompatibler Steuerungs-Software gelöst werden. Basis dafür sind Software-Algorithmen auf Industrie-PC-Plattformen. Für alle anderen Bereiche ist die All-in-one-Steuerung S-Max vorgesehen.