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Explosionen und Brände sind ausgeschlossen

Trockenfilter scheidet Aluminium-Stäube und -Späne ab
Explosionen und Brände sind ausgeschlossen

Ein neues Filtersystem macht Explosionsschutz-Einrichtungen beim Absaugen und Abscheiden von Aluminiumstäuben aus schleifenden und spanabhebenden Prozessen überflüssig. Durch Beimengen eines speziellen Additivs beim Absaugen der Stäube wird ein sicherer Schutz erreicht.

John Großpietsch ist Fachjournalist in Zell

Werden Aluminium (Al) oder Al-Legierung trocken oder unter Minimalmengenschmierung bearbeitet, entstehen explosionsfähige Prozessstäube. Je nach Korngrößenverteilung, Oxidationsgrad, Feuchte und Konsistenz werden sie den Explosionsklassen St 1 bis St 2 zugeordnet. Sammeln sich die Stäube in Arbeitsräumen oder klassischen Trockenabsauganlagen an, besteht erhöhte Explosions- und Brandgefahr. Ablagerungen ölbenetzter Stäube aus der Minimalmengenschmierung verstärken die Brandgefahr.
„Späne und Stäube von Aluminium und Aluminiumlegierungen sind prinzipiell brennbar“, versichert Dr. Albrecht Vogl von der Forschungsgesellschaft für angewandte Systemsicherheit und Arbeitsmedizin (FSA) in Mannheim. „Die Feinstäube dieser Leichtmetallwerkstoffe können im aufgewirbelten Zustand leichtentzündliche Staub-Luft-Gemische bilden, die heftig ablaufende Staubexplosionen mit hohem Schadensausmaß verursachen können.“ So wundert es nicht, dass bei der Auswertung von Staubexplosionen in der Metall verarbeitenden Industrie die Anlagengruppe „Entstaubungsanlagen und Abscheider“ eindeutiger Spitzenreiter ist mit einem Anteil von 44 %.
Wirksame Zündquellen lassen sich im industriellen Umfeld nicht ausschließen, weshalb die Anlagen durch konstruktive Maßnahmen geschützt werden müssen. Praktisch resultieren daraus meist druckfeste Trockenabscheider mit Druckentlastung und Löschmittelsperre, die außerhalb der Werkshalle stehen. In den Hallen findet man druckfeste Trockenabscheider mit Explosionsentkopplungen. Der technische Aufwand mit der zusätzlichen Verrohrung ist groß, ganz abgesehen von den laufenden Wartungskosten. Außerdem ist eine Rückführung der Luft in die Halle nicht möglich. Trotzdem bleibt am Ende immer das Risiko eines Zwischenfalls, der mit teuren Stillstandzeiten und Instandsetzungen verbunden ist.
Die Handte Umwelttechnik GmbH in Tuttlingen hat mit dem Trockenabscheider MF-Sorp ein System entwickelt, das den bisher üblichen technischen Aufwand unnötig macht. Durch Beimengen des Additivs Sorpexin wird eine so genannte Inertisierung nach VDI 2263 erreicht. Das heißt: Der Anteil der Aluminiumstäube in der schadstoffbeladenen Luft (Rohgas) wird soweit reduziert, dass eine absolute Sicherheit gegen Brand und Explosion gewährleistet ist. Darüber hinaus übernimmt das Additiv die Sorption von kondensierenden organischen Komponenten, die bei der Bearbeitung unter Minimalmengenschmierung in die Abluft gelangen. Sorpexin ist ein Mischprodukt aus Kalk und vulkanischem Gesteinsmehl. Durch das Beimengen wird die Aufnahmefähigkeit von Kühlschmiermitteln aus Prozessen mit Minimalmengenschmierung erhöht.
Mit einem von Handte entwickelten Verfahren wird der maximal zulässige Al-Gehalt im Staubgemisch überwacht. Die modular aufgebauten Geräte bestehen aus einer Filterkammer mit Filterelementen, einem Staubtrichter und dem darunter angeordneten Staubbehälter mit Additivinjektor. Der Ventilator zum Ansaugen der Luft kann auf dem Gehäuse montiert werden. Dadurch lassen sich die Trockenabscheider einzeln oder im Verbund an einem zentralen Ventilator betreiben.
Zur Vorabscheidung und Wertstoffrückführung der Späne dient ein Vorabscheidersystem aus Horizontal-Zyklon, Sichter und Späneaustragsschleuse. Der Horizontal-Zyklon trennt zunächst die Späne vom Feinststaub. Im Sichter werden sie schließlich vom anhaftenden Reststaub befreit. Winfried Huber, Produktmanager bei Handte, fasst das Ergebnis zusammen: „Auf diese Weise werden nur Späne ausgetragen, die nicht explosionsfähig sind. Sie weisen einen hohen Reinheitsgrad auf und können direkt in den Schmelzkreislauf rückgeführt werden.“ Dabei ist allerdings vorausgesetzt, dass moderne Öfen im Einsatz sind.
Die mit Prozessstäuben beladene Luft, die auch als Rohgas bezeichnet wird, trifft beim Eintritt in die Filterkammer zuerst auf ein Schutzblech, das die Filterelemente schützt und darüber hinaus eine optimale Filteranströmung bewirkt. Das Rohgas durchströmt die Filter von außen nach innen und der Prozessstaub wird auf der äußeren Oberfläche zurückgehalten. Zum Abreinigen der Filterelemente werden diese von innen mit Druckluftstößen beaufschlagt. Dabei löst sich der angesammelte Staubkuchen und fällt durch den Staubtrichter nach unten in den Staubbehälter. Die gereinigte Luft wird aus der Reingaskammer angesaugt und als Abluft ins Freie geblasen. Wahlweise kann die gereinigte Luft aber auch in die Maschine zurückgeführt werden.
Die Inertisierung der im Rohgas enthaltenen Prozessstäube erfolgt durch Beimengen des Additivs. Davon befindet sich im Staubbehälter eine vorgegebene Menge, die zusammen mit den ausgefilterten Prozessstäuben ein Additiv-Staubgemisch bildet, das nicht explosionsfähig ist. Dieses Gemisch wird vom Additivinjektor im Staubbehälter nach oben in die Filterkammer eingedüst und dort mit dem von außen angesaugten Luftstrom gleichmäßig auf die Oberflächen der Filterelemente aufgetragen.
Beim Abreinigen der Filterelemente fällt das zunehmend mit Prozessstäuben angereicherte Additiv-Staubgemisch wieder in den Staubbehälter zurück. Das Gemisch wird so lange im Kreislauf gefahren, bis der maximal zulässige Al-Gehalt im Staubgemisch erreicht ist. Zum Kontrollieren und Wechseln der Behälter muss der laufende Produktionsbetrieb nicht unterbrochen werden. Für den Anwender bedeutet das langfristig einen reduzierten Aufwand an Zeit und Kosten.
Die sichere Funktion des neuen Verfahrens wurde von der DMT (Deutsche Montan Technologie GmbH) in Versuchen getestet und zertifiziert. In der Praxis haben sich die Trockenabscheider aus Tuttlingen bewährt. Zusammen mit dem Werkzeugmaschinen-Hersteller Ex-Cell-O wurden Applikationen bei Ford realisiert. Speziell in der Automobilbranche spielt Aluminium eine zentrale Rolle. Durch Trockenbearbeitung oder Bearbeitung unter Minimalmengenschmierung versuchen die Hersteller Kosten zu sparen. Als Spezialist auf diesem Gebiet sollte Ex-Cell-O entsprechende Bearbeitungsmaschinen für Getriebeteile mit geeigneten Trockenfiltersystemen kombinieren. Fertigungsinseln mit Werkzeugmaschinen von Ex-Cell-O in Kombination mit Trockenabscheidern von Handte stehen mittlerweile an verschiedenen Standorten von Ford in Europa und USA.
Eine andere Applikation wurde bei der Volkswagen Sachsen GmbH im Werk Mosel installiert. Dort werden Aluminiumbauteile in begehbaren Arbeitskabinen mit Handschleifwerkzeugen einem anspruchsvollen Finish unterzogen. Dabei enstehen Feinststäube, die hochexplosiv sein können und deshalb abgesaugt werden müssen. Thomas Witzke, Abteilung Versorgungstechnik bei VW in Wolfsburg: „Beim Einsatz herkömmlicher Trockenfiltersysteme wird eine Explosion oder ein Brand im System nicht ausgeschlossen. Beim Trockenabscheider von Handte kann es erst gar nicht so weit kommen. Für uns bedeutet das eine völlig andere Risikosituation.“
Für VW und Ford steht die Risikovermeidung natürlich im Vordergrund. Die Möglichkeit, das Filtersystem direkt neben den Arbeitskabinen und Werkzeugmaschinen aufstellen zu können, ist für die Autobauer ein zusätzlicher Vorteil. In den riesigen Hallen werden auf diese Weise ein enormer Verrohrungsaufwand sowie aufwendige, technische Sicherheitsvorkehrungen eingespart.
Filtersystem direkt neben der Maschine aufgestellt
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