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Feldbusse krempeln an Maschinen und Anlagen die Sicherheitstechnik um

Wachsendes Vertrauen: Bussysteme übertragen sicherheitsrelevante Standarddaten
Feldbusse krempeln an Maschinen und Anlagen die Sicherheitstechnik um

Feldbusse, seit vielen Jahren Stand der Technik, dringen in die Sicherheitstechnik von Anlagen und Maschinen vor. Dabei haben sowohl leistungsfähige Speziallösungen als auch Sicherheitsfunktionen, die in Standardbusse integriert sind, ihren Sinn.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller

Die Alfing Kessler Sondermaschinen GmbH aus Aalen setzt schon seit einiger Zeit auf flexible Fertigungsanlagen – und sie vertraut die Sicherheit der Maschinenbediener einem Bus-System an. Gesteuert wird die neueste Maschine zur Leichtmetallbearbeitung aus Aalen, der Alfing-Zweispindler, von einer Sinumerik 840D und Simodrive 611D – für den Einsatz im Fertigungswerk von VW Sachsen ist sie erstmals mit der Safety Integrated-Funktion ausgerüstet, inklusive sicherer programmierbarer Logik (SPL).
„Bei hochdynamischen Maschinen mit Beschleunigungen von über 10 m/s², ist es unserer Meinung nach nicht mehr zu verantworten, diese ohne vernetzte Safety-Funktionen zu liefern“, erläutert Willi Diemer, Leiter der Elektrokonstruktion beim Aalener Maschinenbauer. „Nur mit integrierter Sicherheitstechnik lässt sich die reduzierte Geschwindigkeit sicher überwachen.“
„Heutige Sicherheitstechnik sollte nicht nur zuverlässig, sondern auch flexibel und diagnosefähig sein“, fordert Thomas Leiß, Sprecher des Teams „Safety Integrated“ bei Siemens A&D in Erlangen. Die klassische Sicherheitstechnik würde dies nur unzureichend unter einen Hut bringen, denn häufig kommt noch die konventionelle Verdrahtung zum Zuge, wenn es um das Übertragen von Sicherheitsdaten geht.
Doch dieser Zustand könnte sich bald ändern, denn Sicherheitsbussysteme stehen an der Schwelle zur Anwendung. In der Praxis jedoch zeichnen sich zwei unterschiedliche Ansätze ab: Einerseits bewähren sich bereits seit wenigen Jahren Sicherheitsbusse als sogenannte proprietäre Systeme. Sie arbeiten unabhängig von den verwendeten Automationsbussen und sind an die Steuerungen über Gateways angeknüpft. Hauptverfechter dieses Konzeptes sind die Ostfilderner Pilz GmbH & Co. mit ihrem System Safetybus-p oder auch die Elan GmbH aus Wettenberg mit dem Esalan-System. Nachteil beider Systeme ist, dass immer ein separates Kabel verlegt werden muss.
Alternativ dazu stocken andere Anbieter handelsübliche Bussysteme wie Profibus oder Interbus mit zusätzlichen, sicherheitsgerichteten Funktionen auf. Sobald herkömmliche Bussysteme um ein serielles Protokoll entsprechend erweitert werden, können sie sowohl sicherheitsgerichtete und als auch Standard-E/A-Daten gemeinsam über eine Busleitung übertragen. Dabei würde einerseits viel Aufwand für die Verdrahtung entfallen und das Bus-System andererseits weiter reichende Maschinendiagnosen ermöglichen. Ein Bus-System könnte Wartung und Installation erleichtern, und Fehlerquellen würden entfallen. Auch das Nachverfolgen der Signalleitungen ließe sich wesentlich verbessern, so dass insgesamt der Einsatz von Sicherheits-Bussystemen gegenüber der traditionellen Lösung eine Reihe von Vorteilen bietet.
Via Gateways über andere Sicherheitsbusse kommunizieren
Befürworter der „Ein-Bus-Lösung“ ist der Siemens-Bereich Automatisierungs- und Antriebstechnik (A&D) aus Erlangen, der unter „Safety at Work“ über das AS-Interface auf der Aktor- und Sensorebene sicherheitsrelevante Standarddaten über eine Busleitung überträgt. Das System besteht aus Sicherheitsmonitoren mit einem oder zwei Freischaltkreisen, sicheren Modulen und integrierten Slaves, mit denen sich Not-Aus-Taster, Schutztürkontakte oder Lichtgitter direkt anbinden lassen. Damit können künftig alle wesentlichen Sicherheitsfunktionen auf der Feldebene in das AS-Interface integriert werden.
Das zweite Angebot – das Profisafe-Profil – sorgt für die sichere Kommunikation von komplexen, elektronischen Geräten wie Sicherheitssteuerungen, Laserscannern, Lichtvorhängen oder sicheren Antrieben. Damit soll ein systemgerechter Anschluss dieser Feldgeräte an übergeordnete Steuerungen, Engineering-Werkzeuge und Visualisierungssysteme ermöglicht werden. Neben den Standard-Geräten können sicherheitsgerichtete Geräte sowohl am Profibus-DP wie auch am Profibus-PA angeschlossen werden. Lediglich die Zahl der Telegramme wächst. Zusätzlich zu den Standard-Botschaften werden dabei auch sicherheitsgerichtete Informationen übertragen. Entwirrt und ausgewertet wird dieser Datenfluss von einer „Hybridsteuerung“.
Safety als Zugabe von Feldbussen setzt sich durch
Busexperte Friedrich Adams warnt aber vor übertriebenem Optimismus beim Einsatz der hybriden Systeme: „Mit einer abgeschlossenen Baumusterprüfung sind zur Zeit ausschließlich unsere Esalan-Lösung und die Systeme von Pilz lieferbar.“ In beiden Fällen handele es sich eben nicht um hybride, sondern um eigenständige Sicherheitsbussysteme, die funktionell von der betriebsmäßigen Maschinensteuerung klar getrennt sind.
Seit die Berufsgenossenschaft den Safetybus-p nach Kategorie 4 der EN 954-1 zugelassen hat, hätte dieser die Chance, sich zum Standard für sicherheitsgerichtete Bussysteme zu entwickeln. „Darüber hinaus“, so Dr. Hans-Thomas Fritzsche, Produktmanager für sichere Bussysteme bei Pilz, „stellen wir den Trend in Richtung autarker Bussysteme fest. Mit ihnen lassen sich bei Mischsystemen Probleme mit der Anlagenverfügbarkeit besser vermeiden.“ Fritzsche räumt aber ein, dass es sinnvoll sei, binär schaltende Sensoren untereinander mit konventionellen Bussen zu vernetzen und via Gateways an Safetybus-p anzuschließen. Solche Offenheit ist aus Sicht des Safetybus-p-Clubs eine wichtige Voraussetzung moderner Bus-Systeme, um in möglichst kurzer Zeit eine große Palette von Produkten entstehen zu lassen.
Unter diesem Gesichtpunkt wagt Friedrich Adams die Vorwärtsverteidigung: „Wir würden uns als Anbieter von proprietären Systemen zur Zeit nichts mehr als die tatsächliche Verfügbarkeit der hybriden Systeme wünschen.“ Damit könnten seiner Meinung nach die augenscheinlichen Vorteile wie Durchgängigkeit oder gleiche Programmierwerkzeuge – die Stärken der proprietären Busse – vergleichend den hybriden Systemen gegenübergestellt werden.
Die Vielzahl der möglichen Systeme ist jedoch der Knackpunkt der Entwicklungen. „Die Hersteller von Sensoren und Aktoren können es sich nämlich nicht leisten, ihre Produkte mit allen erdenklichen Schnittstellen anzubieten“, sagt auch Karsten Meyer-Gräfe, Sicherheitsexperte bei der Phoenix Contact GmbH. Das ist der Nachteil der proprietären Systeme. Die Blomberger Interface-Spezialisten bieten daher für ihren weit verbreiteten Interbus eine Ergänzung in Form einer Überwachungsbaugruppe an, die entweder in die Masteranschaltung selbst oder als eigenständiges Modul in das Bussystem integriert ist. Sie verknüpft sicherheitsrelevante Ein- und Ausgänge. Dieses Safe-Control-Prinzip bietet eine eindeutige Trennung von Prozess- und Sicherheitsdaten. Safe-Control ist ursprünglich ein feldbusunabhängiges Sicherheitskonzept. Phoenix Contact portiert nun diese Lösung zusammen mit der Sick AG, Waldkirch, auf den Interbus. Da diese Variante eine höhere Geschwindigkeit bietet, haben sich beide Anbieter damit von der Kooperation mit Pilz und dem Safetybus-p verabschiedet.
Es hat also den Anschein, dass in der Breitenanwendung das hybride Bussystem das Rennen machen wird. Es muss in Zukunft aber alle Funktionalitäten der jetzigen Systeme zur Verfügung stellen. Auch das Zu- und Abschalten von Bussegmenten, die sicherheitsrelevante Teilnehmer beinhalten, muss vom System bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zugelassen werden. Daneben gilt es, neue Ausfallstrategien zu entwickeln. Ob an einem normalen oder sicherheitsrelevanten Teilnehmer eine Störung auftritt – die Kommunikation zwischen allen Teilnehmern muss gesichert sein. Die in Zukunft zu erwartenden Erweiterungen der Protokollebene, wie etwa der Einsatz des Internetprotokolls TCP/IP oder die Übertragung proprietärer Konfigurationsprotokolle auf dem Hybridsystem dürfen durch die Sicherheitsfunktionalität des Systems nicht eingeschränkt werden.
Was wo anschließen
Sicherheitskomponenten können direkt oder über spezielle Sicherheits-E/A-Module an die Sicherheitsbusse angeschlossen werden. Für einen direkten Anschluss eignen sich komplexe, intelligente Systeme wie Industrie-Roboter, Steuerungen, Frequenzumrichter oder Lichtgitter. Jeden Not-Halt-Taster oder jede Schutzgittertür direkt anzuschließen, ist jedoch zu teuer. Daher muss sichergestellt sein, dass in Zukunft auch nichtbusfähige Komponenten über Gateways an den Sicherheitsbus angeschlossen werden können.
Thomas Leiß, Siemens A&D, Erlangen: „Sicherheitssysteme an der Schwelle zur Anwendung“
Das Thema Sicherheits-Bussysteme ist aktueller denn je. Siemens-Experte Thomas Leiß erläutert seine Strategie der hybriden Bustechnik und stellt Produkte auf Basis von Profibus und AS-Interface vor.
?Welche Entscheidungskriterien sollte ein Anwender heute bei der Auswahl von Bussystemen einsetzen?
!Er sollte sich fragen, welche Datenmengen habe ich. Einfache binäre Systeme reichen beispielsweise beim Not-Aus-Taster an Förderanlagen. Hier bieten wir das AS-Interface an. High-Speed-Systeme mit gleichzeitig hohen Datenmengen, in denen wir Profibus einsetzen, werden notwendig zum Beispiel in Pressenstraßen im Zusammenspiel mit komplexen Sicherheitssensoren. Grundsätzlich sollten Anwender aber beachten, dass Spezialsysteme den Aufwand erhöhen, weil man auch bei kleinen Maschinen eigene Projektierungswerkzeuge und Gateway-Funktionen braucht. Werden Standards wie Profibus oder AS-Interface verwendet, die wir für unser „Saftey Integrated“ einsetzen, wird’s günstiger.
?Was ist unter Safety Integrated zu verstehen?
!Safety Integrated betrachtet die komplette Sicherheitskette – in der Sensorik die Siguard-Komponenten, in der Auswertung die Simatic-SPS und die Sinumerik/Simodrive NC sowie Konzepte für die sichere Abschaltung wie das Peripheriemodul ET 200 S.
?Welche Produkte kann der Kunde heute kaufen?
!Das ist sehr unterschiedlich. Man muss aber berücksichtigen, dass der große Schub erst noch kommt. Die Konzeptideen der 26 an Profisafe und der acht an AS-Interface Safety at Work beteiligten Hersteller sind erst gut zwei Jahre alt, nachdem die Berufsgenossenschaft das Betreiben von Not-Aus-Systemen mit elektronischen Mitteln freigegeben hat. Der große Durchbruch kommt auf der Hannover-Messe 2001.
?Und welche Produkte kann der Kunde heute bei Ihnen kaufen?
!Wir bieten eine komplette Reihe an Produkten zur sicheren Kommunikation über Standard-Busse. Die Steuerung Simatic S 7-400 F/HF ist mit Profisafe verfügbar. Ebenso das Feldmodul ET 200 S sowie ein für die Fertigungstechnik optimiertes und vorbereitetes Nachfolgesystem für die Steuerung S5-95F. Im Frühjahr kommt dann auch für einfache Anwendungen der Sicherheitsmonitor des AS-Interface. Diese kostengünstige Lösung kommt dann gar ohne Sicherheits-SPS aus.
?Was verstehen Sie unter einer durchgängigen Sicherheitskette ?
!Einmal die Durchgängigkeit in der Sicherheitsebene vom Sensor über die sichere Auswertung bis hin zum Aktor und vor allem zwischen der Sicherheitsebene und der Standardautomation einer Automatisierungsanlage. In der Vergangenheit wurden alle Einzelkomponenten für sich betrachtet – nun werden diese Teile aufeinander abgestimmt. Daher bildet auch die Anbindung der Komponenten an Standard-Feldbusse mit sicherer Kommunikation eine sehr große Rolle.
?Welche Vorteile bietet mir Ihr Ansatz gegenüber der konventionellen Sicherheitstechnik?
!Durch einheitliche Engineering-Werkzeuge und Arbeitweisen in der Sicherheits- und der Standardebene entsteht Einsparungspotenzial. Zum anderen sorgen bereits zertifizierte und aufeinander abgestimmte Produkte für Kosteneinsparung. Die Vorteile hat der Kunde, durch weniger Hardware, kleinere Schaltschränke, geringere Verdrahtung und kürzere Stillstandzeiten.
?Lassen sich damit neuartige Wege beschreiten?
!Durch den Einzug der Elektronik auch in die Sicherheitstechnik gehen die Funktionen weit über ein undifferenziertes Abschalten hinaus. So lassen sich beispielsweise bei der NC-Steuerung Sinumerik Safety Integrated mit der sicheren Softwareoption völlig neue Bedienkonzepte realisieren, wie der Einrichtbetrieb bei geöffneter Schutztür beispielsweise.
?Welche Normen erfüllen die Produkte?
!Die Konzepte genügen den Sicherheitsnormen Kategorie 4 nach EN 954-1 für Europa oder SIL 3 nach IEC 61508 weltweit.
?Mit welchen Reaktionszeiten rechnen Sie?
!Die Zeit, die wir anstreben vom Auslösen bis zum Abschaltbefehl eines Antriebes beträgt bei Not-Aus-Tastern rund 100 ms. Bei Lichtvorhängen reagieren wir innerhalb von 15 bis 50 ms.
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