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Ferro-Titanit dämpft Ratter-Attacken

Extrem belastbares Cermet: fest, beständig und gut zu bearbeiten
Ferro-Titanit dämpft Ratter-Attacken

Ferro-Titanit hat noch Reserven, wo Werkzeugstähle und Hartmetalle versagen, zum Beispiel bei Umformwerkzeugen. Das Cermet zeichnet sich durch sehr gute Dämpfung, hohe Festigkeit und großen E-Modul aus und lässt sich gut bearbeiten.

Dr. Barbara Wantzen ist freie Fachjournalistin in Ulm

Bohrstangen neigen ab einer bestimmten Länge zum „Rattern”. Darunter sind selbsterregte Schwingungen der Bohrstange zu verstehen, die zu einem unregelmäßigen Werkzeugverschleiß und zu schlechter Oberflächenqualität in der Bohrung führen. Beginnendes Rattern zwingt dazu, die Abtragsrate zu verringern. Steife Maschinen und Werkzeugaufnahmen reduzieren zwar die Gefahr für diesen Effekt, doch eine ganz wichtige Rolle dafür spielt der Werkstoff der Bohrstange selbst.
Ferro-Titanit kann die Ratter-Neigung im Vergleich zu Standardwerkstoffen wesentlich heruntersetzen (siehe Tabelle). „Dazu trägt unter anderem der hohe E-Modul bei, der für eine gute dynamische Steifigkeit der Stange sorgt”, erklärt Dr. Michael Foller, Betriebsleiter bei der Edelstahl Witten-Krefeld GmbH in Krefeld. „Außerdem führt die niedrige Dichte von Ferro-Titanit zu einer geringeren trägen Masse der bewegten Teile. Die wichtigste Eigenschaft ist jedoch die hohe Eigendämpfung des Werkstoffes.”
Ferro-Titanit gehört zu den Metal Matrix Composites, kurz MMC, und besteht aus einer Stahlmatrix, in die bis zu 45 Vol-% Titankarbid eingelagert werden kann, die Keramikkomponente des Cermets. Als Matrix kommen je nach Anwendung kohlenstoffhaltige Stähle, Nickelmartensite oder Austenite zum Einsatz. „Ferro-Titanit-Sorten auf Basis von kohlenstoffhaltigen Stählen erzielen nach dem Zerspanen mit anschließendem Härten eine sehr hohe Härte von bis zu 70 HRC”, sagt Foller. Im Vergleich dazu besäße Ferro-Titanit mit Austenit-Matrix noch immer eine sehr gute Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß, sei aber zusätzlich „äußerst korrosionsbetändig und nicht magnetisierbar. Das ist besonders wichtig für bestimmte Anwendungen wie das Pulverpressen von magnetischen Materialien.”
Die außergewöhnlichen Eigenschaften der Ferro-Titanit-Sorten sind nicht zuletzt auf das als Verstärkungskomponente im Werkstoff enthaltene Titankarbid zurückzuführen, das sich durch hohe Härte, hohe Festigkeit und gute Abrasionsbeständigkeit auszeichnet. Die Keramikkomponente Titankarbid hat außerdem eine hohe chemische Beständigkeit, so dass es unter Reibbedingungen kaum zum Kaltaufschweißen kommt. Ferro-Titanit lässt sich daher auch unter extremen Temperatur-, Korrosions- und Abbrasionsbelastungen einsetzen. Da das Material um 50 % leichter als Hartmetall und um 15 % leichter als Stahl ist, trägt es häufig zur Gewichtsreduktion bei.
Der Werkstoff bietet sich daher für Umform- und Schneidwerkzeuge an, etwa von Stempeln und Matrizen für die keramische und pulvermetallurgische Fertigung oder von Druckstempeln für die Polymererzeugung, ebenso wie für Pelletier- und Granuliermesser, Verschleißteile und Dichtungsringe. Auch Sonotroden beim Ultraschall-unterstützten Schweißen und Bohren werden aus Ferro-Titanit hergestellt. Denn sie verkraften die enorme Beanspruchung durch Kavitation besser als Sonotroden aus dem konventionell benutzten TiAl6V4. „Ein großes Potenzial steckt sicher noch in der Metallbearbeitung, besonders dem Stanzen, Umformen und Extrudieren von Kupfer und faserverstärktem Aluminium”, ergänzt Foller.
Ferro-Titanit-Pulver wird durch mechanisches Legieren hergestellt: Mit Hilfe des Langzeitmahlens werden Matrix und Titankarbidpulver gemeinsam in einem so genannten Attritor vermahlen. Dabei verschweißen die Stahl- und Keramikteilchen zu Agglomeraten und werden immer wieder aufgebrochen, so dass Teilchen neuer Zusammensetzung entstehen. Diese Legierungsmethode liefert ein sehr feinkörniges Pulver. Es wird entweder durch kaltisostatisches Pressen zu Rohbauteilen oder Grünlingen geformt und anschließend bei 1200 bis 1500 °C im Vakuum gesintert oder durch heißisostatisches Pressen weiterverarbeitet. Die so hergestellten Bauteile können trotz ihres hohen Karbidanteils im lösungsgeglühten Zustand durch Drehen, Sägen, Bohren oder Fräsen weiterbearbeitet werden.
„Heute ist Ferro-Titanit noch ein verhältnismäßig teurer Werkstoff”, räumt Foller ein. Um ihm weitere Anwendungsfelder zu erschließen, arbeite Edelstahl Witten-Krefeld daran, die Herstell-Prozesskosten zu senken. „Gleichzeitig entwickeln wir den Werkstoff weiter, um die Materialeigenschaften zu verbessern. Denn wir sind überzeugt, dass Kompositmaterialien in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, auch in industriellen Anwendungen.”
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