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Fertigungsinseln schaffen den Werkern Freiräume

Veränderte Fertigungsorganisation halbiert die Durchlaufzeiten
Fertigungsinseln schaffen den Werkern Freiräume

Durch technische und organisatorische Veränderungen hat der Schweizer Werkzeugbauer SFS Intec die Durchlaufzeiten seiner Produkte drastisch gesenkt und gleichzeitig die Qualität verbessert. Entscheidenden Anteil am Erfolg haben Senk- und Schneiderodier-maschinen von Agie.

Wolfgang-D. Schenk ist Journalist in Reutlingen

Den Menschen mit seinem Können, seinem Engagement und seinem Verantwortungsbewusstsein mehr in den Mittelpunkt zu rücken, erwies sich für die SFS Intec AG als Erfolg. Das im schweizerischen Heerbrugg beheimatete Unternehmen hat seine Werkzeug- und Formenbau nach Just-in-time-Kriterien umorganisiert und die Durchlaufzeiten im Jahresmittel halbiert. Statt der klassischen Einteilung nach Fertigungsverfahren wie Drehen, Fräsen oder Erodieren, haben die Schweizer mehrere Verfahren und Arbeitsgänge in produktorientierten Fertigungsinseln zusammengefasst. Jede der sieben Inseln ist auf den Werkzeugbedarf eines bestimmten Abnehmerkreises ausgerichtet. Jeweils ein Teamleiter organisiert mit seinen Facharbeitern den Fertigungsablauf. Die Verantwortung für Termine und Qualität trägt das Team gemeinsam. Dass jeder Mitarbeiter den Weg „seines Produkts“ von Anfang an verfolgen kann, hat das Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen gestärkt und dadurch die Qualität der Produkte deutlich verbessert.
Diese Organisationsform setzt allerdings voraus, dass jedes Teammitglied alle Insel-Maschinen bedienen und jede mit dem Auftrag verbundene Arbeit verrichten kann. Ist das der Fall, vereinfacht sich die Selbstorganisation des Teams wesentlich. Die Mitglieder können die anstehenden Tätigkeiten nach betrieblichen und individuellen Gesichtspunkten einteilen und steuern. Durch diese Flexibilität entstehen Freiräume, die sowohl den Werkern als auch dem Unternehmen zugute kommen. Ein weiterer Vorteil: Das Team kann bereits bei der Produktentwicklung sein Know-how einfließen lassen und eine enge Beziehung zum Kunden aufbauen. Und die mit der Inselfertigung verbundene Job-Rotation gewährleistet, dass der Wissensstand des Teams ständig aktuell ist.
Seit der Umstrukturierung gliedert sich der Werkzeugbau von SFS Intec in zwei Fertigungsbereiche. Im ersten sind die „klassischen“ Verfahren wie Fräsen oder Drehen, das Rohmateriallager und die Wärmebehandlung zusammengefasst. Zum Fertigungsbereich II gehören 16 Schneid- und 14 Senkerodiermaschinen, auf denen Werk-zeugeinsätze hergestellt werden.
Job-Rotation sorgt für aktuellen Wissensstand
Den neuesten technischen Stand unter den Schneiderodieranlagen repräsentieren Maschinen des Typs Agiecut Excellence der Agie S.A. aus Losone/Schweiz. Da die Anlagen hinsichtlich des Automatisierungsgrades offen sind, konnten die Handlingsysteme der Erowa AG, Büron/Schweiz, problemlos angebaut und eingebunden werden. Durch die einfache Bedienung der Agievision-Steuerung ist der Bediener nur während rund einem Drittel der Bearbeitungszeit an die Maschine gebunden.
Die Excellence erodiert selbst komplizierte Teile mit einer mittleren Konturabweichung von 0,015 mm und einer Oberflächenrauheit von Ra kleiner 0,1 µm. Mit Verfahrwegen von 500 mm x 350 mm x 256 mm in X-, Y- und Z-Richtung und einer Schneidleistung von 300 mm²/min lassen sich die Teile bei hoher Prozesssicherheit zuverlässig und wirtschaftlich bearbeiten.
Die Leistungsfähigkeit der Anlagen sorgt im Vergleich zu früheren Typen für deutlich kürzere Bearbeitungszeiten. Das ermöglicht es dem Bediener, bei Bedarf öfter umzustellen und mehr Teile pro Zeiteinheit zu bearbeiten. Die höhere Produktivität bindet ihn dabei nicht länger an die Maschine.
Entscheidende Zeit- und Kostenvorteile bietet die Excellence bereits beim Einrichten. Eine Einrichthilfe ermittelt durch Antasten die Ebene des aufgespannten Werkstücks und stellt den Schneiddraht entsprechend der ermittelten Daten senkrecht zur Werkstückoberfläche. Anschließend wird die Position des frei im Arbeitsbereich aufgespannten Werkstücks gemessen. Einen Versatz in X- und Y-, optional auch in Z-Richtung, übernimmt die Steuerung automatisch und ordnet sie dem Werkstück zu. Der automatisch ablaufende Zyklus macht manuelles Ausrichten überflüssig und reduziert damit die Nebenzeiten.
Die Steuerung definiert und regelt alle erodierspezifischen Daten und Abläufe. Die von der Arbeitsvorbereitung erstellten Programme werden direkt an die Maschine überspielt. Der Bediener braucht lediglich Oberflächenqualität, Genauigkeit sowie Schneidleistung anzugeben. Arbeitsfolge und Arbeitsablauf generiert die Anlage danach automatisch. Bei Bedarf kann der Bediener aber auch sein Wissen und seine Erfahrung einbringen und mit Unterstützung der Steuerung und verschiedener Software-Module die Abläufe professionell gestalten und optimieren. Mit den Eingaben Stempel/Matrize, Werkstückhöhe, Drahttyp, Werkstoff, Ein-/Ausfahren und Geometrie ist das Teil für die Steuerung ausreichend beschrieben. Das System unterbreitet Technologievorschläge, die der Bediener nur zu bestätigen oder zu ändern braucht. Die Schnittfolge lässt sich auch dem Arbeitsrhythmus anpassen, indem sie die Bearbeitung tagsüber, einen Start am Abend mit Nachtarbeit oder sonstige betriebliche Bedürfnisse berücksichtigt. Wird diese Strategie für spätere Anwendungen gespeichert, ergeben sich wiederum Zeit- und Kostenvorteile.
Der Bediener kann alle Arbeiten nach Prioritäten ordnen und organisieren. Arbeitsunterbrechungen – etwa wegen Expressaufträgen – bereiten keine Probleme. Die Steuerung speichert alle Daten der abgebrochenen Arbeit, sucht sich nach dem Wiederaufspannen automatisch den Referenzpunkt, richtet alle Verfahrbewegungen auf die neue Werkstücklage aus und startet die Arbeit an der unterbrochenen Stelle unter gleichen Erodierbedingungen. Auf die Genauigkeit oder die Bearbeitungsqualität wirken sich solche Unterbrechungen nicht aus. Der Bediener kann flexibel auf jede Situation reagieren. Er hat die Möglichkeit
– während der Bearbeitung vorhandene Programme einzulesen oder neue zu planen,
– sich wiederholende Bearbeitungen als Modell abzulegen,
– Programme auf Vollständigkeit zu überprüfen,
– Änderungen in letzter Minute vorzunehmen oder
– die Schnittfolgen verschiedener Teile automatisch zu optimalen Abläufen zu ordnen.
Mit seinem Fachwissen, unterstützt von den verschiedenen Software-Modulen, kann der Maschinenbediener die hohe Prozesssicherheit der Anlagen nutzen und für den autonomen Betrieb optimieren. In Verbindung mit den Automatisierungseinrichtungen von Erowa sind die kurzen Rüst- und Nebenzeiten eine wichtige Voraussetzung, um die Autonomie und Flexibilität der Anlagen zu verbessern. Das Ergebnis zeigt sich in der jährlichen Maschinenlaufzeit: Bei SFS Intec arbeitet jede Erodiermaschine im Jahresdurchschnitt 5000 h.
Rund die Hälfte der in Heerbrugg erodierten Teile besteht aus Hartmetall. Beim Bearbeiten der hochgenauen und stark beanspruchten Bauteile unterstützt ein weiteres Software-Modul den Mann an der Maschine. Die beeinflusste Zone der so bearbeiteten Werkstücke ist auf weniger als 1 µm begrenzt. Dadurch können die Schweizer die Werkstoffeigenschaften des Hartmetalls ausnutzen und die Standzeiten der Werkzeuge und Formen deutlich erhöhen.
Software-Module verkürzen Rüst- und Nebenzeiten
Gerade beim breiten Produktspektrum von SFS Intec wirken sich die unterschiedlichen, aufgabenorientierten Software-Module besonders zeit- und kostensparend aus. In Heerbrugg bearbeiten etwa 100 Facharbeiter und 40 Lehrlinge pro Jahr rund 30 000 Aufträge mit einer durchschnittlichen Losgröße von sechs Stück. Auf den produzierten Werkzeugen und Formen entstehen dann jährlich rund vier Milliarden Präzisionsteile in 4000 Ausführungen, unter anderem für die Automobil-, Elektro- oder Flugzeugindustrie.
Zu den technischen und organisatorischen Vorzügen der Inselstruktur kommt noch ein weiterer entscheidender Aspekt. Die Toleranz und Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter und damit ihre Teamfähigkeit allgemein haben sich deutlich verbessert. Und dadurch wirkt sich die gewählte Fertigungsorganisation auch auf die Motivation der Mitarbeiter und auf das Betriebsklima positiv aus.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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