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Fördergeld allein macht nicht glücklich

Staatliche Büros helfen im In- und Ausland bei Investitionen
Fördergeld allein macht nicht glücklich

Für Betriebe wird es zunehmend kompliziert, sich für einen neuen Standort zu entscheiden. Vor allem weiche Faktoren werden wichtiger. Öffentliche Institutionen zur Wirtschaftsförderung sind bei Investitionen als Dienstleister für Firmen fast unentbehrlich.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering

Kapital sucht Investitionsstandort: So lautet zur Zeit die Devise in den Unternehmen. Deutsche Direktinvestitionen ins Ausland haben im vergangenen Jahr alle Rekorde gebrochen. Sie waren mit über 170 Mrd. DM gegenüber 1997 mehr als doppelt so hoch. Die Gründe für den Wandel liegen zum einen darin, dass sich die Ostmärkte geöffnet haben. Zum anderen sorgt der internationale Boom bei Mergers & Acquisitions für Kapital, das investiert werden will. Die Investments ausländischer Firmen in Deutschland haben ebenfalls zugelegt: Sie betrugen vergangenes Jahr rund 96 Mrd. DM, doppelt so viel wie im Vorjahr 1998.
Bevor Millionen fließen, ist eine Entscheidung nötig – und die fällt den Unternehmern schwerer denn je. Ein Patentrezept gibt es nicht, jeder Betrieb steht vor seinen individuellen Problemen.
In nahezu allen Staaten und Regionen konkurrieren Standorte um Investoren. Unternehmen profitieren deshalb von staatlichen Wirtschaftsförder-Büros, die sich zu Full-Service-Dienstleistern für Ansiedlungswillige entwickeln. Sie bieten Marktanalysen, Informationen zum Branchenmix vor Ort, zur Energieversorgung, zu den Kosten, zur Arbeitskräfteverfügbarkeit, zum Steuer- und Rechtssystem und nicht zuletzt zu Fördermitteln. Der Trend geht zur sogenannten One-Stop-Agency, das heißt, dass der Unternehmer alle Informationen und Kontakte von einem Ansprechparter erhält, unabhängig von den Zuständigkeiten der Behörden.
Einen Grund für diese Entwicklung sieht Dr. Stefan Feuerstein vom Industrial Investment Council (IIC) in Berlin im Wandel bei den Entscheidungskriterien. Vor allem weiche Faktoren rücken in punkto Wichtigkeit auf der Checkliste weiter nach oben: sprich die Lebensbedingungen für ausländische Manager oder einheimische Führungskräfte und Spezialisten, die zum neuen Standort wechseln.
Fördergelder geraten bei der Stand- ortentscheidung häufig in den Hintergrund, wie Experte Feuerstein beobachtet, der mit dem IIC ausländische Investoren für die neuen Bundesländer akquiriert. Das Geld aus Subventionstöpfen lohne sich in erster Linie für kapitalintensive Vorhaben und für Hersteller, deren Produkte mehr im Preis- als im Qualitätswettbewerb stehen. Geld vom Staat gibt zudem den Ausschlag, wenn sich ein Unternehmer zwischen zwei gleichwertigen Produktionsstandorten entscheiden soll – was in der Praxis selten vorkommt.
„Bei High-End-Produkten mit einem hohen F+E-Anteil haben Subventionen eine vergleichsweise geringe Bedeutung“, erklärt Dr. Feuerstein. Dies gelte gerade für mittelständische Investitionsgüterhersteller, die neben Forschung und Entwicklung stark auf Kundennähe angewiesen sind. „Solche Firmen sind häufig davon abhängig, sich ständig mit einem oder wenigen Hauptkunden auszutauschen. Außerdem benötigen sie Zugang zu Forschungskapazitäten“, so Feuerstein. Ein funktionierendes Zuliefernetzwerk vor Ort sei ebenfalls ausschlaggebend. Wichtig seien zudem ausgebildete, verfügbare Arbeitskräfte. Die Steuerbelastung hingegen sei für international vertretene Firmen nicht mehr so bedeutend wie in früheren Zeiten. Investitionsförderer Dr. Feuerstein: „Ein guter Steuerberater kann international tätigen Unternehmen immer aufzeigen, wie sie die Belastung optimieren.“
Qualifizierte Arbeitskräfte sind oft Mangelware
Dennoch: Subventionen spielen nach wie vor eine große Rolle. 1998 flossen in der Bundesrepublik 229 Mrd. DM an Finanzhilfen in Unternehmen sowie an staatliche und halbstaatliche Einrichtungen. Hinzu kommen Steuervergünstigungen von knapp 74 Mrd. DM. Mitte der 90er Jahre lagen die öffentlichen Finanzhilfen sogar bei 263 Mrd. DM.
Mit Fördergeldern locken natürlich auch die Standorte im Ausland. Doch wenn deutsche Unternehmer den Schritt über die Grenzen wagen, wollen sie damit nicht nur die Produktionskosten senken. Der Markteintritt und die Nähe zum Kunden sind die wichtigsten Gründe für eine neue Niederlassung, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln in einer Studie herausgefunden hat. Ebenso wichtig sei die Absicht, einen bestehenden Absatzmarkt durch die Präsenz vor Ort abzusichern. Arbeitskostenvorteile werden als zweitrangig eingestuft.
Einzige Ausnahme: Mittelständler und auch Großunternehmen, die sich in den Ländern Mittel- und Osteuropas engagieren, stufen den Kostenvorteil als wichtiger ein als die Nähe zum Markt. Sie nutzen also den MOE-Standort als verlängerte Werkbank. Andere Gründe für den Schritt ins Ausland liegen laut der IW-Studie auf den hinteren Plätzen: beispielsweise Steuersatz und weniger Reglementierungen.
Dass viele komplizierte Kriterien die Standortwahl im Ausland beeinflussen, bestätigt beispielsweise auch Harald Tauchhammer vom Portugiesischen Handels- und Touristikbüro (Icep) in Berlin. Tauchhammer berät deutsche Unternehmer, die sich in Portugal ansiedeln wollen. Während sich das EU-Mitglied als Produktionsstandort für Automobilzulieferer, Elektroindustrie und High-Tech sowie in jüngerer Zeit auch für Dienstleistungen positioniert, stehen nach Tauchhammers Erfahrung neben allen anderen wichtigen Faktoren immer wieder zwei Gründe im Vordergrund: die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften sowie die Lebensbedingungen für die Führungskräfte. Und gerade im letzten Punkt habe Portugal häufig die Nase vorn.
Beispiel: LEG Thüringen: One-Stop-Agency berät Unternehmer bei Standortwahl
Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen hat unter den deutschen Förderinstitutionen eine Sonderrolle: Sie nimmt nach eigenen Angaben als einzige Stelle sowohl die Aufgabe der Wirtschaftsförderung als auch die des Flächen-Managements wahr. „Wir wollen den Unternehmen einen Rundum-Service anbieten und alle Fragen auf eine einzige Anlaufstelle konzentrieren“, erklärt Reinhold Stanitzek (Bild), Sprecher der Geschäftsführung. Die LEG kombiniere so ihr Know-how in der Flächenentwicklung mit der Wirtschaftsförderung.
Das Vorgehen: Gemeinsam mit dem Unternehmer wählen die Berater passende Standorte für Industrie- oder Gewerbeflächen aus. Die Gesellschaft vermittelt darüber hinaus Kontakte zu den Gebietskörperschaften und klärt einzelne Fragen mit den zuständigen Behörden. Fachleute unterstützen bei Marktanalysen und vermitteln – wenn gewünscht – Kooperationspartner. Außerdem helfen die Thüringer den Unternehmern dabei, sich den Durchblick beim Thema Förderung zu verschaffen: Die LEG erarbeitet ein maßgeschneidertes Förderpaket und hilft beim Förderantrag.
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