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Für einen guten Schnitt

Blechbearbeitung: Mit durchgängigen IT-Systemen erfolgreich
Für einen guten Schnitt

Zusatzmodule in CAD/CAM-Programmiersystemen vernetzen Produktionsplanung und -steuerung mit der Arbeitsvorbereitung. Die wachsende Transparenz in der Blechfertigung macht die Kosten durchsichtiger.

„Die Einführung eines Produktionsplanungs- und -steuerungssystems ist für die Mitarbeiter eine enorme Mehrbelastung“, klagt Dieter Thoben im Verkauf der Schickling GmbH in Visbek, wo er derzeit mit der Einführung eines PPS-Systems befasst ist. Ob es sich wirklich lohnt, wird sich erst zeigen, wenn das System eingeführt ist und läuft. Derzeit jedenfalls trauert Thoben der Einfachheit der manuellen Erfassung nach. Es hatte auch etwas bestechend Einfaches, wenn Aufträge von Hand schnell rausgeschrieben, die wenigen Daten zur Auftragskennzeichnung in der Arbeitsvorbereitung schnell ins Programmiersystem eingetippt und die Maschinenbelegung vom Meister rasch an der Plantafel entworfen werden konnten.

Dass die manuelle Erfassung letztlich unflexibel ist, stark von einer Person abhängt und zudem die wahren Kosten hinter einem Auftrag verschleiert, bestreitet Thoben nicht. Kein Experte zweifelt heute daran, dass im zunehmenden internationalen Wettbewerb die Blechfertiger mit genaueren Kalkulationen arbeiten müssen und jederzeit in der Lage sein sollten, ihre Fertigung flexibel umzustellen und dabei unmittelbar die Folgen der Änderungen abzuschätzen. Transparente Fertigung ist das Stichwort, das auch bei jenen Lohnfertigern angekommen ist, die bisher noch mit selbstgestrickten Excel-Listen kalkulieren. Angesichts der aktuellen Auftragsflut geht in diesen Unternehmen der Überblick verloren, und man kümmert sich um systematische Lösungen. Andererseits bietet eine Koordination zwischen Arbeitsvorbereitung und betriebswirtschaftlicher Planung erhebliches Verbesserungspotenzial.
Es gibt erfolgversprechende Ansätze, die Aspekte der betriebswirtschaftlichen Planung und Auftragsverwaltung in die CAD/CAM-Programmiersysteme der Arbeitsvorbereitung (AV) zu integrieren und so den Besonderheiten der Blechbearbeitung gerecht zu werden. Hierfür spricht, dass in der AV Aufträge als Bestandteil der Fertigungsplanung verwaltet werden, dass in der AV echte Fertigungsdaten für die Kalkulation vorliegen, und dass hier die Rückmeldungen der Maschinen aus MDE/BDE zusammenlaufen.
Allein der Datenaustausch zwischen PPS-System und AV bringt schon deutliche Einsparungen. Allerdings führen auch hier verschiedene Wege nach Rom. So steht Guido Marcus Herz, Geschäftsführender Gesellschafter der Blechwelt GmbH, Sankt Augustin, für jene Anbieter von CAD/CAM-Software, die betriebswirtschaftliche Verwaltungsaufgaben von der Auftragsverwaltung bis zur Rechnungserstellung am besten in einem PPS-System aufgehoben sehen: „CAD/CAM-Programmiersysteme sollten vor allem über optimierte Schnittstellen verfügen, um die relevanten Daten an die PPS-Systeme zu übergeben.“ Voraussetzung hierfür ist, dass die eingesetzten PPS-Systeme die Spezifika der Blechfertigung kennen und berücksichtigen.
„Ein Standard-PPS-System geht üblicherweise von einer Normfertigung aus“, erläutert Gustav Evers, Geschäftsführer der IBE Software GmbH in Wilhelmshaven. „Und in der Normfertigung wird ein Werkstück – zum Beispiel ein Frästeil – durch einen Fertigungsprozess geschleust. In der Blechfertigung hingegen sind in der Regel verschiedene Teile aus verschiedenen Aufträgen auf ein und derselben Tafel geschachtelt – und Teile aus einem Auftrag sind zudem auf verschiedenen Tafeln platziert. Zudem müssen Restplatten verwaltet werden, bei denen es auf Größe und Geometrie ankommt.“
Evers’ Ansatz geht dahin, die administrativen Daten der Aufträge im PPS-System zu verwalten, während der Auftragsbestand, der Materialbestand und die Maschinenbelegung in der Arbeitsvorbereitung anzusiedeln sind. Im „Blechcenter“-Konzept von IBE führt dann ein zentrales Modul die Auftragsdaten aus dem PPS-System und die Schneidprogramme aus der Arbeitsvorbereitung zur Fertigungsplanung zusammen, stößt die Fertigung an, überwacht deren Ausführung und meldet Aufträge sowie Restmaterial an das PPS-System zurück. Diese Zusammenführung hat IBE nach Evers’ Angaben schon etliche Male erfolgreich installiert. Die größten Erfolge hatte man bei Kunden, die bereits über ein laufendes PPS-System verfügten.
Der Ansatz der Trumpf GmbH + Co. KG, Ditzingen, ist ganz anders: „Unser Anspruch ist es, dass ein Anwender mit unserem Fertigungsmodul TruTopsFab zu einer transparenten Blechfertigung kommt, ohne dass dazu zwingend ein PPS-System erforderlich wäre“, sagt Martin Schmid, Projektleiter bei Trumpf.
Das System der Ditzinger besteht aus mehreren kaufmännischen und fertigungstechnischen Modulen, die der Kunde nach Bedarf wählt, und die mit den CAM-Programmiersystemen für das Laserschneiden, Stanzen, Biegen oder die 3D-Bearbeitung kommunizieren und zusammenarbeiten. So verwaltet ein Customer-Modul die Kundenbeziehungen von der Angebotserstellung zur Auftragserteilung über die Auftragsverwaltung bis zur Rechnungsstellung. Ein Kalkulationstool nutzt die Fertigungsdaten für die Kalkulation von Angeboten. Die daraus entstehenden Aufträge werden vom Modul Quickjob in die Programmiersysteme eingelastet und gesteuert. Es stößt die Schachtelung von Aufträgen an, ermittelt den Materialbestand und erstellt den Fertigungsplan. Bis hin zur Fertigmeldung der Maschinen an die BDE/MDE ist damit alles zentral gesteuert und transparent organisiert.
„DaimlerChrysler könnte mit unserem System über die Blechfertigung hinausgehende Belange sicherlich nicht organisieren und überwachen, die Blechfertigung aber sehr wohl“, erläutert Schmid. „Das System ist so angelegt, dass unsere Kunden damit alle wesentlichen Aspekte ihrer Blechfertigung abbilden können – und zwar ohne ein zusätzliches PPS-System.“ Lohn- und Serienfertiger sollen damit ihre Fertigung durchsichtiger gestalten können, die Kostenquellen kennen und mit dem Gesamtsystem zu deutlichen Kostensenkungen kommen – und dies selbst beim Einsatz nur einer Maschine. Die Kalkulationsschritte anderer Prozesse wie Montage oder Schweißen lassen sich in das System einpflegen, so dass es auch über die Blechfertigung hinaus genutzt werden kann. Diese Funktionen will Trumpf weiter ausbauen.
„Optimale automatische Rückmeldungen der Steuerungen sind allerdings nur mit Trumpf-Maschinen sichergestellt“, merkt Schmid an. Bei Maschinen anderer Fabrikate sei dies wegen der nur eingeschränkten Verfügbarkeit des Zugriffs auf die Maschinendaten nicht hundertprozentig zu garantieren. TruTopsFab übernimmt viele Funktionen der PPS, es kann aber auch zusammen mit einem vorhandenen PPS-System eingesetzt werden. Dann übernimmt das Modul Quickjob den Datenaustausch über eine angepasste Schnittstelle.
Der Laserlohnfertiger PS-Laser AG, Thedinghausen, setzt eine offene CAD/CAM-Software ein und erledigt die PPS über ein eigenes System. Beide Systeme tauschen ihre Daten über eine eigens definierte Schnittstelle aus. „Es wird schon mal mit dem Programmiersystem kalkuliert, aber im Normalfall ist die Kalkulation dort, wo sie hingehört: im PPS-System“, erläutert Verkaufsleiter Lutz Schröder das Vorgehen bei einem der größten Jobshops Deutschlands. „Dort kann man mit der Kenntnis der echten Kosten dann einen Preis machen, der auch die Marktlage, die Marktsituation und die angestrebte Beziehung zum Kunden berücksichtigt.“
Ob Fertigungsplanungs- oder PPS-System: Die Einführung eines IT-Systems ist immer mit Aufwand verbunden. Die Anbieter passen die Systeme jeweils an die individuellen Umgebungsbedingungen der Fertigung an. Zur vorhandenen Software müssen kompatible Austauschformate gefunden werden, letztlich müssen auch vorhandene Daten portiert werden, und gewisse Anpassungen im Arbeitsablauf sind in der Regel ebenfalls erforderlich. Dieser nicht unerhebliche Aufwand macht sich bezahlt, wenn das Ziel der transparenten Blechfertigung durch IT-Technik tatsächlich erreicht wird.
Angesichts des Aufwandes empfiehlt Guido Marcus Herz von Blechwelt, die langfristigen Unternehmensplanungen in die Betrachtung einzubeziehen und zu überlegen, wo das Unternehmen in zwei oder fünf Jahren stehen will. Ist die ausgewählte IT-Lösung dann noch mächtig genug? Oder wird bei positiver Geschäftsentwicklung das nächste System mit dem erneuten Aufwand zur Einführung fällig?
Auftragsverwaltung und Fertigungsplanung wird es in den Blechfertigungsbetrieben auch in Zukunft geben. Mit IT-Unterstützung werden diese Aufgaben mit weniger Aufwand, allerdings bürokratischer, zu erledigen sein. Die Befürchtung, dass der Mittelstand mit dieser Art der Bürokratisierung den Vorteil der Flexibilität verlieren könnte, ist angesichts des erfolgreichen Einsatzes der Systeme bei renommierten Lohnfertigern unbegründet. Allerdings könnte die transparente Fertigung zeigen, was „flexibel hereingeholte“ Aufträge tatsächlich kosten – und dann wird sich manches Unternehmen für weniger Flexibilität und mehr Wirtschaftlichkeit entscheiden.
Volker Albrecht Freier Journalist in Bamberg
Erfolg besonders bei Kunden mit laufendem PPS-System
Anbieter passen Systeme an Fertigungsbedingungen an
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