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Für viele Instandhalter hat Zukunft noch nicht begonnen

Instandhaltung: Maschinendiagnose offenbart Fehler bereits im Ansatz
Für viele Instandhalter hat Zukunft noch nicht begonnen

Rund 70 % der deutschen Unternehmen betreiben noch eine ausfallorientierte Instandhaltung. Eine informations- und wissensbasierte Strategie reduziert Kosten und Stillstandzeiten. Dar-über hinaus trägt sie zu wartungsfreundlichen Neukonstruktionen bei.

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett – haider.willrett@konradin.de

Wenn die Instandhaltung mit den Veränderungen des Produktionsprozesses nicht Schritt hält, läuten für den Betrieb die Totenglocken“, warnt Helmut Winkler, Bundesgeschäfts-führer der Gesellschaft für Instandhaltung e. V. (Gfin), München. Teure, unplanmäßige Stillstandzeiten und Qualitätsverluste in der Produktion kann sich kein Unternehmen leisten. Um so wichtiger ist es, Veränderungen des Maschinenzustands frühzeitig zu erkennen und zu analysieren.
Ein Instrument dazu ist die technische Maschinendiagnose. Mit ihrer Hilfe können Instandhalter Abweichungen vom Soll-Zustand bereits im Ansatz feststellen. Eine große Chance, denn viele Veränderungen sind anfangs kaum wahrzunehmen. Doch gerade in diesem Stadium lassen sie sich meist einfach und mit geringem Aufwand korrigieren. Das spart Zeit und Geld. Beispielsweise kann es bei geschmierten Maschinenelementen ausreichen, einen anderen Schmierstoff einzusetzen, um weiteren Verschleiß zu verhindern. Wartet der Anlagenbetreiber jedoch, bis der Schadensfall eintritt, muss er mit vergleichsweise hohen Kos- ten und langen Ausfallzeiten rechnen. Zudem überlagern Folgeschäden häufig die eigentliche Ursache. Das wiederum erschwert es, das tatsächliche Problem zu lokalisieren und richtig zu beurteilen.
„Eine gut funktionierende Instandhaltung strebt danach, sich selbst überflüssig zu machen“, sagt Winkler, der auch Chef des Beratungsunternehmens TMM Technik & Marketing München ist. Das Ziel lautet: Ursachen von Abweichungen ergründen, um dann den Hebel am Kern des Problems anzusetzen. Dazu nutzen Instandhalter im Rahmen der Maschinendiagnose verschiedene Techniken. Neben Temperatur- und Schwingungsmessung sind die Ölanalyse oder die Thermografie wichtige Instrumente, die das Innenleben einer Maschine sichtbar machen. Schlechte Schmierung, mechanische Überlastung, Verschleiß an Lagern oder Getrieben, Leckagen, lose Klemm- oder Schraubverbindungen, Wärmeherde oder Wärmebrücken werden so offenkundig, ehe ein Bauteil versagt und womöglich größere Schäden verursacht. Präzise Kenntnisse über die Maschine, ihre Funktionen sowie die dynamischen Vorgänge während des Bearbeitungsprozesses sind Voraussetzung, um Ausfälle auf Grund des gleichen Problems künftig zu vermeiden.
Allerdings reicht es nicht, Daten und Fakten einfach nur zu ermitteln und zu sammeln. Entscheidend für den Erfolg ist es, die Messergebnisse korrekt auszuwerten, die erforderlichen Schritte festzulegen und diese zielgerichtet umzusetzen. Der Maßnahmenkatalog reicht bis hin zu konstruktiven Veränderungen einzelner Elemente. Die gewonnenen Informationen sollen Entwicklern helfen, Bauteile und Prozesse so zu gestalten, dass Fehler gar nicht erst auftreten. Verschleißteile müssen ein großes Abnützungspotenzial aufweisen. Die längere Laufzeit zwischen den Wartungsarbeiten, die dadurch möglich ist, reduziert nicht nur die Kosten für die Instandhaltung. Sie führt auch zu einer besseren Auslastung der Maschine und zu einer höheren Produktivität.
Helmut Winkler schätzt, dass 70 % der Unternehmen in Deutschland noch immer eine ausfallorientierte Instandhaltung betreiben. Bei dieser Feuerwehr-Strategie greifen die Techniker erst ein, wenn bereits ein Schadensfall vorliegt. Dann allerdings verschlingen die Reparaturen oft bis zu 70 % des Instandhaltungsetats. Geld, das der Betreiber sinnvoller einsetzen könnte. Doch auch die nächste Stufe, die Präventiv-Strategie, reicht heute nicht mehr aus. Diese vorbeugende Instandhaltung auf der Basis von Inspektionen ist den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Will der Instandhalter das Verschleißpotenzial optimal nutzen und teuere Teile nicht unnötig früh austauschen, muss er das System am Ende des Lebenszyklus intensiv im Auge behalten. Sonst besteht das Risiko, dass das Element unerwartet versagt. Ein teures und aufwendiges Verfahren. Erfolgversprechender ist da schon die zustandsorientierte Instandhaltung (Inspektions-Strategie). Hier liefert die Maschinendiagnose dem qualifizierten Instandhalter Daten über den genauen Status einer Anlage. Informationen, die es ihm erlauben, die Situation gut einzuschätzen und die Grundlage für ein geplantes und rationelles Vorgehen bilden.
Die Zukunft gehört jedoch der informations- und wissensbasierten Instandhaltung. Diese ganzheitliche Strategie gründet darauf, dass alle relevanten Einflüsse auf eine Maschine transparent und für alle Beteiligten zugänglich sind. „Das erfordert jedoch qualifizierte Mitarbeiter“, benennt Gerd Kaspari eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg. „Sie müssen vernetzt denken, alle am Prozess beteiligten Parameter verstehen und berücksichtigen sowie deren Ursache und Wirkung unterscheiden können“, erläutert der Geschäftsführer der AS Antriebstechnik & Service GmbH, Reken. Ein guter Diagnostiker muss ein technischer Allrounder auf sehr hohem Niveau sein. Er muss über alle Details der Maschinen und Anlagen Bescheid wissen, systematisch arbeiten und über Durchsetzungsvermögen verfügen. Darüber hinaus fordert die Tätigkeit eine überdurchschnittliche Kommunikations- und Teamfähigkeit.
Kaspari beanstandet, dass instandhaltungsgerechte Konstruktionen noch viel zu selten sind. Konstrukteure seien all zu oft von der Außenwelt abgeschnitten. Marktmeldungen und Schadensberichte dringen nur selten zu ihnen vor. „Wir erleben es in unserer täglichen Arbeit: Da werden die einfachsten Regeln verletzt. Ingenieure lernen heute an den Hochschulen alles rund um das Thema Informationstechnik, doch die Grundlagen der Werkstoffkunde, der technischen Mechanik oder der Konstruktion geraten immer mehr in den Hintergrund“, klagt der Diplom-Ingenieur.
Als Beispiel, dass es auch anders geht, beschreibt er eine einfache konstruktive Änderung an einem Getriebe, durch die sich die Instandsetzungskosten um mehr als 50 % reduzierten: „Ein Stirnrad musste erneuert werden. Weil Verzahnung und Nabenteil aus einem Stück ge-fertigt waren, hätten wir das komplette Bauteil ersetzen müssen. Kostenpunkt: rund 15000 Euro.“ Statt dessen trennten die AS-Techniker Stirnrad und Nabenteil und flanschten die neue Verzahnung an die alte Nabe. „Dadurch konnten wir nicht nur die Instandsetzungskosten erheblich senken. Wir haben zudem eine wartungsgerechte Konstruktion geschaffen, die dem Betreiber auch in Zukunft viel Geld spart.“ Darüber hinaus hat AS die Schmierung verbessert und so die Lebensdauer des Getriebes deutlich erhöht.
Ein weiteres Beispiel für das Einsparpotenzial infolge einer technische Maschinendiagnose liefert Gfin-Chef Helmut Winkler: „Mir ist ein Fall bekannt, bei dem sich durch eine Investition von 1600 Euro in die Analyse des gebrauchten Schmierstoffs Instandsetzungskosten von rund 60000 Euro einsparen ließen.“
Die Diagnose wird nur dann erfolgreich sein, wenn
– sie Bestandteil der Unternehmensphilosophie ist,
– sie als Zentralfunktion anerkannt ist,
– sich qualifiziertes Personal darum kümmert,
– die Instandhaltung nach einer klaren Strategie vorgeht,
– die notwendigen Finanzmittl bereit stehen und
– alle erforderlichen Messmethoden eingesetzt werden.
„Vielen Unternehmen fehlt die klare Zielsetzung“, beschreibt Winkler einen entscheidenden Fehler. „Sie haben keine konkrete Vorstellung, welchen Nutzen sie erreichen wollen. Das Resultat sind teure Diagnosegeräte im Schrank, manchmal viele bunte Bilder, in der Regel jedoch frustrierte Mitarbeiter und eine Menge vermeidbarer Kosten.“
Produktionsbetriebe, die erfolgreich sein wollen, kommen nicht umhin, sich intensiv mit einer zukunftsorientierten Instandhaltungsstrategie auseinanderzusetzen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten sie maschinenbezogenen dokumentieren und auch dem Konstrukteur zugänglich machen. So tragen Fehlfunktionen und Schäden dazu bei, künftige Produkte zu verbessern. Damit würde sich der Kreis schließen.
Maschinendiagnose: Was sie bringt
Das Abnutzungspotenzial von Verschleißteilen lässt sich besser nutzen.
Die mittlere, wartungsfreie Maschinenlaufzeit erhöht sich.
Abgenutzte Bauteile werden in geplanten Stillstandzeiten ausgetauscht.
Teuere „Feuerwehr-Einsätze“ bei Ausfällen sind deutlich seltener.
Instandhaltungskosten sinken.
Ersatzteilkosten sinken.
Weniger Ersatz- und Verschleißteile liegen im Lager.
Qualität der Produkte ist gleichbleibend hoch.
Größere Sicherheit.
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