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Fusion der Datenwelten schafft erhebliche Synergie-Effekte

Neue Automationsnetzwerke für Nutzbauten senken die Betriebskosten erheblich
Fusion der Datenwelten schafft erhebliche Synergie-Effekte

Vernetzte Gebäude sparen Geld durch flexibles, teils automatisches Anpassen der Ressourcen an den Bedarf. Die einen setzen auf PC und Ethernet mit Windows-Betriebssystemen, wie Microsoft in seiner Deutschland-Zentrale. Andere wie ZF Friedrichshafen vertrauen auf LON-Netzwerke, die in Werkshallen und Gebäuden agieren – als elektronische Aufseher für Beleuchtung, Jalousien, Einzelraumregelung für Heizen und Kühlen und Brandschutz-türenüberwachung oder Zutritt.

Werner Möller ist Redaktionsmitglied, Sven Hardt ist freier Journalist in Neuenhagen bei Berlin

Türen und Fenster, die wie von Geisterhand in eine programmierte Auf-Position surren, automatische Lichtführung beim Betreten einer Zone, Videoüberwachung ohne separates Verkabeln oder Zutrittkontrolle mit angekoppeltem Personalwirtschaftsmodul – alles Magie? Nein, nur ein vernetztes Gebäude.
Der Ort, an dem PC und Software, Ethernet und dezentrale E/A-Stationen in Form von Busklemmen eingezogen sind, ist die neue Microsoft-Deutschland-Zentrale in Unterschleißheim bei München.
Hier entstand ein modernes Gebäude-automatisierungskonzept in Form einheitlicher Verfahren und Übergangsmedien für Steuerungsdaten, Dokumente, Archiv-informationen, Servicesteuerung und Dokumentation. TCP/IP-Protokoll, HTML-Technologie, Soft-SPS, PC- und erprobte Feldbus-Hardware sind weitere Schlagworte zukunftsweisender Gebäudeautomation. Pro Gebäude hat ein Industrie-PC mit einem Windows-NT-Embedded-Betriebssystem die Oberhoheit. Softwarepartner ist das Automatisierungsprogramm Twincat für die zentrale Gebäudesteuerung. Automatisierer Beckhoff GmbH überträgt damit nicht nur seine langjährigen Maschinenbauerfahrungen auf die Gebäudeautomation, sondern setzt die Technik auch in seinem eigenen Fertigungskomplex am Hauptsitz in Verl ein.
Den gleichen Ansatz nutzt das Local Operating Network, kurz LON. Deren Nutzervereinigung spricht sogar von einem De-facto-Standard in der Gebäudeautomatisierung. Die dezentrale und offene Struktur bietet nicht nur kostengünstige Lösungen – auch bei Modernisierungen. LON verspricht auch deutlich mehr Komfort bei geringeren Betriebskosten. Bram Adema, Geschäftsführer des niederländischen Smartest Buildings aus Amersfoort, berichtet von bis zu 40 % reduzierten Betriebskosten als Folge einer LON-Automatisierung von Beleuchtung und Heizung, Lüftung, Klima. Im Schnitt liege die Ersparnis bei 20 %, versichert Andema, der heute schon weiß, dass sich schon nach knapp zwei Jahren die Investitionen amortisieren würden. Pro Mitarbeiter und Jahr spare das System 40 bis 100 Euro oder 2 bis 4 Euro/m² und Jahr.
Beispiel ZF Friedrichshafen AG: Der Spezialist für Antriebs- und Fahrwerkstechnik beauftragte die zur Hörburger-Gruppe gehörenden HWS Control Systems GmbH aus Erfurt, die Gebäudetechnik des Werks 4 in Friedrichshafen auf den neuesten Stand zu bringen: zwei Bürokomplexe, ein Prüffeld und ein Konferenzgebäude. HWS sollte den neuen Konferenzbau am Bodensee mit der vorhandenen Leittechnik der Altbauten verbinden und gleichzeitig den Bestand modernisieren. Die Bauten werden unterschiedlich genutzt (Prüffeld, Büros, Konferenzgebäude/Casino) und sind insofern typisch für eine industrielle Umgebung. Folgende Aspekte waren für ZF wichtig: Das System
– muss sich Nutzungsänderungen ohne großen Aufwand anpassen,
– soll unabhängig von bestimmten Herstellern sein,
– soll sich problemlos in die vorhandene Leittechnik einfügen und
– vorhandenes Personal für den laufenden Service einbinden.
Die Entscheidung für Lonworks als Rückgrat des Konzepts fiel leicht, weil mit dieser Technologie die ZF-Anforderungen kostengünstig realisiert werden können. ZF hat in der Ausschreibung lediglich Funktionsprofile und ein Massegerüst vorgegeben. So blieb den Anbietern Freiheit für eigene Lösungsvorschläge. Die Erfurter haben bei ZF aber auch Schnittstellen zu anderen Systemen geschaffen. „Für die Medienver- und -entsorgung des Prüffelds setzen wir Profibus ein“, erklärt HWS-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Martin Wenzel. „Wir hätten für das Prüffeld neue LON-Applikationen entwickeln müssen. Dafür war die Zeit zu knapp. Für die LON-Vernetzung zwischen den Gebäuden haben die HWS-Techniker das vorhandene Ethernet genutzt. Die Kommunikation regelt das Internet-Protokoll. Funktionen wie das Hoch- und Runterfahren der Jalousien lassen sich von jedem vernetzten PC via Internet Browser ohne zusätzliche Software steuern. Dieses Konzept macht jede Nutzungsänderung problemlos mit. Noch ein Kostenkiller: LON kommt mit einfachsten Verdrahtungen zurecht. „In den Büros haben wir zur Steuerung der LON-Geräte einen neuen Zweidraht-Bus installiert, volkstümlich gesprochen: ein herkömmliches Telefonkabel“, sagt Martin Wenzel.
Hörburger hat bei ZF mit rund 2000 verbauten Knoten ein dezentrales und schlankes Netz eingezogen. Die Bustopologie besteht aus einem TP/XP 1250 Backbone und 30 FTT10-Subnets. Zur Steuerung via PC dient Lonmaker for Windows. Das Leitsystem Ifix der Intellution GmbH aus Haar war bereits vorhanden. Diese Software für Prozessvisualisierung und Leitsystemaufgaben unterstützt auch die Datensammlung, animierte grafische Anlagenbilder, die Alarmerkennung und die Datenarchivierung in einer verteilten Netzwerkumgebung. Das von Ifix genutzte Scada-Protokoll ist über entsprechende Schnittstellen ebenfalls mit LON kompatibel. „Dort läuft alles zusammen“, berichtet Wenzel, „die Medienversorgung des Prüffelds mit Profibus ebenso wie die Gebäudeautomation mit LON.“
Intelligente Lonmark-Komponenten steuern bei ZF 95 % der mehr als 25 000 Datenpunkte. Lonmark-Managementcontroller mit Sonderapplikationen steuern übergeordnete Management-Funktionen, darunter einige Funktionsüberwachungen und die Primäranlagen-DDC (Direct Digital Control). „Bei jedem Projekt gibt es kleine und große Aufgaben, für die keine fertige Lösung am Markt vorhanden ist“, weiß HWS-Chef Wenzel. „Mit dem offenen LON-System lassen sich Sonderlösungen relativ preiswert entwickeln und implemetieren.“
So sollten bei ZF zehn Rolltore im Gebäudebereich „Fahrversuch“ gemeinsam über eine Funkfernsteuerung zu bedienen sein. Hierfür haben die Thüringer vorhandene Einzellösungen des Marktes vernetzt und mit neuen Bausteinen ergänzt. Ergenbis: Die Bausteine schließen die Tore bei Betriebsschluss und schalten die Rundumleuchten ein.
Dezentrale Intelligenz íst auch bei Microsoft in Unterschleißheim das große Thema. Die Softwerker verstehen darunter Stockwerksstationen, die mit Beckhoff-Buskopplern und -Busklemmen für Ethernet ausgestattet sind. Diese Klemmenkästen bieten gleichzeitig integrierte Steuerungsfunktionalitäten (IEC1131-SPS). Alle Signale – in Unterschleißheim sind es rund 8000 – für die Bereiche HKL, Sicherheit oder Zutritt werden über die elektronischen Klemmen zusammengefasst. Die elektronischen Koppler wiederum modulieren die Licht-, Temperatur- oder Beschattungssignale und kommunizieren über Ethernet mit dem Gebäude-PC. Von dort aus gelangen sie in den zentralen Ethernet-Informationsstrang von Microsoft.
Ethernet fungiert als Kommunikations-medium bei Microsoft. Es hat den Markt der Büronetze revolutioniert und wurde als durchgängiger Datenstrang auch für die Gebäudeausrüstung gewählt. In Unterschleißheim entstehen so durch die Fusion der beiden Datenwelten Büro und Gebäude Synergie-Effekte. Der Grund: Wenn von der Aktor-Sensor-Ebene über die PC- bis auf die Verwaltungsebene alles über ein Protokoll läuft, entfällt die doppelte Datenhaltung.
Der Clou ist jedoch, dass die TCP/IP-Protokoll-Fähigkeit zu einem Web-basierten einheitlichen Management führt. Jeder Nutzer kann per Arbeitsplatz-PC über eine „Raum-Web-Page“ die ihm angenehme Beleuchtung oder Zimmertemperatur einstellen. Ebenso lassen sich von hier aus Jalosien steuern sowie verschiedene Raumsonderfunktionen auslösen. Zusätzlich vereinfacht sich das technische Gebäudemanagement durch integrierte Diagnose-, Parametrierungs- und Programmierfunktionen sowie einen vereinheitlichten Zugriff auf alle Gebäudedaten wie Pläne, Funktionsbeschreibungen oder Fotos.
Aber auch die ZF-Friedrichshafen-Lösung hat ihren Reiz. Im Bürogebäude haben die HWS-Techniker rund 1500 LON-Knoten verbaut und an die vorhandene Leitzentrale angebunden. Dies ermöglicht eine Fernwartung sämtlicher Raumfunktionen – auch via Internet – und somit nochmals reduzierte Servicekosten. Die Einzelraumregler steuern das intelligente Zusammenspiel von Heizung oder Kühlung und den Jalousien oder Fenstern, die zum passiven Heizen und Kühlen genutzt werden. Bei aller Automatisierung ist klar: Das System will den Nutzern nicht seinen Willen aufzwingen. So hängt die Funktion eben nicht nur von der Sonneneinstrahlung und der Temperaturanforderung des Einzelraumreglers ab, sondern auch vom Bedürfnis der Nutzer. Der Heiz- und Kühlbedarf geht an die Leitzentrale, die die Energiebeschaffung durch Lastmanagement optimiert und den Kostenstellen zuordnet.
Besonders effizient ist die präsenz-, tageslicht- und situationsabhängige Beleuchtungssteuerung laut Wenzel in modernen Werkhallen mit teilweise automatisierter Produktionstechnik. „Hier sind Stromeinsparungen von mindestens 30 Prozent drin, weil eine gleichmäßig helle Beleuchtung schlicht unnötig ist“, findet der HWS-Geschäftsführer. Für Hallen mit wenigen Arbeitsplätzen empfiehlt Wenzel, völlig auf verdrahtete Schalter zu Gunsten von Handfunksendern zu verzichten.
LON macht auch sicher. Entsprechende Schließsysteme ermöglichten es bei ZF, sie kostengünstig an die Gebäudesteuerung anzubinden. Bei Betriebsschluss lösen sich die Türoffenhaltungen, die Türen schließen automatisch. Offene Brandschutztüren werden gemeldet. Die Alarme ausgelöster Fluchtwächter werden ebenso reibungslos übermittelt wie die Störung einer Automatiktür. Die neuronale Struktur eines Lonworks-Netzes bietet eine gewisse Sicherheitsreserve bei Ausfällen. Nicht betroffene Geräte arbeiten weiter. Die Störung wird sofort gemeldet: wenn es sein muss, als SMS aufs Handy des Facility Managers – und das alles wie von Zauberhand.
Nachgefragt: „Simple Dinge wie eine Lichtsteuerung sparen viel Energie“
Werner Boes, Abteilungsleiter Werksanlagen (E-Technik/Elektronik) bei der ZF Friedrichshafen AG, gibt einen Überblick über seine Erfahrungen mit Bustechnologien.
Warum legen Sie bei ZF Wert auf eine vernetzte und intelligente Gebäudetechnik?
Nur so lässt sich der Energieverbrauch minimieren. Auch das Bedienen und Überwachen von Lüftung, Heizung, Kühlung und Beleuchtung ist nur mit dieser Technik kostenoptimiert möglich.
Wieviel haben Sie in das System investiert, und wann erwarten Sie Amortisation?
LON ist relativ preiswert, auch in Bezug auf Raumflächenersparnis, Brandlastreduzierung oder Verkürzung der Installationszeit. Die Frage nach den Gesamtkosten ist derzeit noch offen, da erst die Trennlinie zwischen Gebäudeautomation und GTA-Elektroinstallation definiert werden muss. Wir rechnen mit einer Amortisationszeit von zwei Jahren.
Welche Einsparungen realisieren Sie?
Die Einsparung bei Licht beträgt 30 bis 40 Prozent. Bei der Heizung rechnen wir mit 10 bis 20 Prozent. Dazu kommen noch 15 Prozent durch Präsenz-erfassung der Mitarbeiter, Beschattung durch Jalousien, Dachfenstersteuerung, Abschaltung der Kühlung bei geöffneten Fenstern.
Was bringt das für die Mitarbeiter?
Motivation und Konzentration steigen, krankheitsbedingte Ausfälle gehen durch zugfreies Kühlen ohne Umluft zurück.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 7
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