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Geclinchte Bleche bleiben einseitig eben

Clinchen mit Kaltpressschweißen erweitert Einsatzpotenzial
Geclinchte Bleche bleiben einseitig eben

Durch Kombinieren mit dem Kaltpressschweißen erweitert sich das Einsatzpotenzial des Clinchens: Die Fügepunkte erreichen nahezu doppelte Festigkeit. Außerdem lassen sie sich als Flachpunkte mit ebener Blechseite herstellen.

Dr. Frank Riedel ist Oberingenieur am Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik (IFS) der Technischen Universität Chemnitz

Zukunftsprognosen schreiben den mechanischen Fügetechniken ein starkes Wachstumspotenzial zu, insbesondere als Alternative zu konventionellen thermischen Schweißverfahren. Für das Clinchen sprechen zahlreiche Gründe: Es eignet sich für eine Vielfalt von Werkstoffen, ist ökologisch verträglich und sehr wirtschaftlich, setzt die Fügeteile keiner thermischen Beanspruchung aus und ermöglicht eine einfache Prozess- und Qualitätskontrolle.
Doch im Vergleich zum Widerstandspunktschweißen ist das Einsatzgebiet immer noch eingeschränkt: Zum einen weisen Clinchverbindungen teils geringere Festigkeiten auf. Andererseits besitzen die gefügten Bleche keine ebene geometrische Form, die an Sichtflächen aber erwünscht ist und an Funktionsflächen sogar gefordert wird. Beim Fügen von Aluminiumwerkstoffen oder einer Kombination aus Alu- und Stahlblech ist nun eine Weiterentwicklung in Sicht, die beide Einschränkungen ganz oder teilweise aufhebt: Wird im Clinchpunkt gezielt eine Kaltpressverschweißung erzeugt, entstehen Verbindungen mit einer bis zu doppelten Festigkeit sowie einseitig ebene Verbindungen.
Auf herkömmlichem Weg lassen sich die Eigenschaften von Clinchverbindungen kaum noch weiter optimieren: Die konstruktiven und werkstofflichen Fügebedingungen sind in der Regel durch das Bauteil vorgegeben. Zudem hat die technologische Optimierung über Prozessparameter wie Fügekraft und -weg bereits einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Ein großes Potenzial zur Eigenschaftsverbesserung bietet die Kombination des Clinchens mit stoffschlüssigen Verbindungen. Clinch-Kleb-Verbindungen bieten beispielsweise Vorteile, die in der Praxis in verschiedenen Anwendungen genutzt werden. Nachteilig ist aber, dass mit dem Klebstoff ein Zusatzwerkstoff verwendet werden muss.
Die Eigenschaften von Clinchverbindungen lassen sich aber auch durch die Kombination mit Schweißverbindungen bedeutend verbessern. So erfordert das Kaltpressschweißen keinen Zusatzwerkstoff und kaum Mehraufwand im Vergleich zum herkömmlichen Clinchen. Die kombinierten Verbindungen können mit den üblichen Clinchwerkzeugen und den dafür eingesetzten Prozessparametern hergestellt werden.
Damit eine Clinch-Kaltpressschweiß-Verbindung entsteht, müssen die Kriterien der Fügbarkeit (DIN 8528) erfüllt sein, wofür vor allem werkstoffliche und technologische Kriterien ausschlaggebend sind. Als Werkstoff eignet sich insbesondere Aluminium, auch kombiniert mit anderen Werkstoffen. Aus technologischer Sicht muss ein bestimmter Verformungsgrad erreicht werden, damit die Oxidschicht aufreißt und die Oberflächen sich letztlich bis auf atomare Abstände nähern können. Ein entscheidendes Kriterium dafür, dass atomare Bindungskräfte zum Wirken kommen, ist der Oberflächenzustand der zu fügenden Bleche. Sie müssen für das Kaltpressschweißen frei von Fremdschichten (Öle, Fette) sein.
Metallographische Untersuchungen beweisen, dass die Herstellung von Clinch-Kaltpressschweiß-Verbindungen in der Praxis möglich ist. Der beim Clinchen auftretende, zwischen 10 und 20µm breite Spalt wird geschlossen und teilweise verschweißt. Dass tatsächlich Stoffschluss entsteht, lässt sich mit Hilfe einer Wärmebehandlung nachweisen, die ein Kornwachstum in der Fügenaht auslöst (siehe Bild). Dieser Stoffschluss bewirkt in den Clinchverbindungen eine Festigkeitssteigerung um bis zu 100%.
Interessante Ergebnisse konnten mit dem kombinierten Clinchen-Kaltpressschweißen beim Fügen von Aluminium- mit Stahlblechen erzielt werden. Die erreichten Höchstscherzugkräfte übertreffen überraschenderweise sogar die Werte konventioneller Clinchverbindungen von unlegierten Stählen gleicher Blechdicke. Die höchsten Festigkeiten wurden mit gebeizten und gebürsteten Blechen erzielt. In der Praxis können dafür gängige Verfahren zur Oberflächenvorbehandlung wie Entfetten oder Beizen eingesetzt werden.
Die Kaltpressverschweißung im Clinchpunkt ändert den Kraftübertragungsmechanismus. Beispielsweise ist der für den konventionellen Fügepunkt charakteristische Hinterschnitt nicht mehr in jedem Fall notwendig, um die Verbindung herzustellen. Dies ist besonders für den Flachpunkt von Bedeutung.
Erste Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich ein Flachpunkt in nur einem Arbeitsgang einstufig herstellen lässt und dann wie gewünscht einseitig völlig eben ist. Dafür wurde die Werkzeugmatrize durch einen ebenen Amboss ersetzt. Die statische Scherzugfestigkeit liegt teilweise sogar höher als bei konventionellen Clinchverbindungen. Bei der Kopfzugfestigkeit hingegen konnten die Werte konventioneller Verbindungen noch nicht erreicht werden. Das ist auf den fehlenden Hinterschnitt zurückzuführen. In Versuchen ließ sich aber nachweisen, dass sich auch in diesen einseitig flachen Verbindungen ein Hinterschnitt erzeugen lässt.
Resümee: Die Kombination mit einer Kaltverschweißung eröffnet Clinchverbindungen ein erweitertes Anwendungspotenzial. Sie lassen sich nun auch für hochbeanspruchte Aluminiumbauteile einsetzen. Nachteilig ist lediglich der benötigte höherwertige Oberflächenzustand der zu fügenden Bleche. In der Praxis sind diese Oberflächen-zustände aber oft auch die Voraussetzung für andere Fertigungsprozesse.
Ein größeres Anwendungspotenzial bietet die Möglichkeit, Flachpunkte mit einseitig ebenem Blech herzustellen. Denn häufig schränkt die geometrische Form des Clinchpunktes den Einsatzbereich ein. Neben optischen Ansprüchen machen oft Funktionsflächen blechebene Fügenähte erforderlich wie etwa in der Automobilindustrie. Bisher entstehen sie so: Nach dem Clinchen werden die matrizenseitigen Erhebungen in einem zweiten Arbeitsgang zurückgepresst und die restlichen Erhebungen teils abgeschliffen. Lässt sich dieselbe einseitig ebene Verbindung in einem einzigen Arbeitsschritt ohne Nacharbeit herstellen, wird die Wirtschaftlichkeit des Fügeprozesses deutlich ansteigen.
Beide durch die Kombination mit dem Kaltpressschweißen ermöglichte Entwicklungen – höhere Festigkeit und Herstellung von Flachpunkten – zeigen das in den Clinchverbindungen enthaltene Potenzial zur Eigenschaftsverbesserung auf. Kommen sie zur Anwendungsreife, werden sie das Einsatzfeld des Clinchens weiter vergrößern.
Industrieanzeiger
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