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Glasfasertechnik bringt Licht ins Lager

Neue Sensoren für das Überwachen von Wälzlagern
Glasfasertechnik bringt Licht ins Lager

Neue Sensoren für die Wälzlagerüberwachung basieren auf Glasfasern und machen dem tragenden Stahl im Außenring kaum den Platz streitig. Selbst die Messung direkt in der Laufbahn ist möglich – auch wenn entsprechende Verfahren erst in einigen Jahren praxisreif sind.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Weil im Wälzlager jeder Mikrometer für Wälzkörper und Tragfähigkeit gebraucht wird, ist für Zusatzfunktionen wie Sensoren und Zustandsüberwachung eigentlich kein Platz. Das macht einen messtechnischen Ansatz besonders interessant, den Forscher am Oberpfaffenhofener Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) untersuchen: Sie verwenden winzige Glasfasern, die ihnen Informationen über die Temperatur und Belastung am Lager liefern. Weil diese Informationen über das Medium Licht weitergeleitet werden, lassen sich die Daten problemlos übertragen – auch über längere Strecken als bei den bisherigen Ansätzen.
Bisher haben die IZM-Mitarbeiter vor allem die Möglichkeiten der elektrischen Dehnungsmessung untersucht und in entsprechenden Projekten unter anderem mit der Schweinfurter FAG Kugelfischer AG & Co. oHG gearbeitet. Für eine Dehnungsmessung werden feinste Drähte elektrischer Leiter auf eine Folie aufgebracht. Sobald die Drähte gepresst werden, dehnen sie sich. Dabei ändert sich ihr Durchmesser und damit der Widerstand um rund 10 %, was sich elektronisch erfassen lässt, wenn entsprechend dünne Kontakte angelötet werden.
„Was wir so einer Elektronik im Wälzlager abverlangen, ist enorm“, sagt Dr. Frank Ansorge, der am IZM die Abteilung Mikro-Mechatronik leitet. Eigentlich sei es schon erstaunlich, dass Elektronik-Bauteile noch intakt sind, selbst wenn ein Handy vom Tisch zu Boden fällt. Dabei sind die Chips bei solchen Anwendungen zu ihrem Schutz sogar in Gehäusen untergebracht, die das fünf- bis zehnfache Volumen der Siliziumbauteile aufweisen. Diesen Luxus kann man sich bei Wälzlagerprojekten nicht leisten.
„Im Lager sind 150 °C aber keine Seltenheit, und rund um die Lagerstelle verschwindet die Szenerie im Ölnebel“, so Ansorge weiter. Wie die Messtechnik in Harz eingegossen oder verlötet werden muss, damit die Elektronik das mitmacht, testen die Oberpfaffenhofener an ihren Prüfständen und in der Praxis.
Aber auch wenn ihre Elektronik weniger Platz braucht als die im Handy, muss am Wälzlager ein bisschen Stahl weichen, um beispielsweise die Folien für die Dehnungsmessung unterzubringen: Ihretwegen weist die Außenseite des Außenrings eine Nut auf. Weil der Ring damit dünner wird, muss der Anwender zugunsten der Lagerüberwachung insgesamt auf ein bisschen Stahl und damit auf ein bisschen Lebensdauer verzichten.
Dafür bekommt er jedoch Informationen, beispielsweise darüber, ob das Lager während des Maschinenbetriebs unrund belastet wird oder ob massiv erhöhter Körperschall auftritt. Solche Daten sind gefragt, wie die Sonderschau Condition Monitoring Systems auf der Hannover Messe zeigte. „Wenn Ausfälle an einer Maschine viel Geld kosten, lohnt sich die Zustandsüberwachung im Lager“, fasst Ansorge zusammen. Als Anwendungsbereiche nennt er Druckmaschinen oder Hauptspindeln von Werkzeugmaschinen. Fertige Produkte bietet sein Forschungsinstitut zwar nicht an, aber bis zum Prototypen ist das Projekt gediehen. Die Fraunhofer-Experten haben darüber hinaus untersucht, wie sich solche Lager automatisiert fertigen lassen.
Doch auch die Dehnungsmessung erwies sich als verbesserungsfähig. Denn die geringfügigen Änderungen im Widerstand, die als elektrisches Signal weitergeleitet werden, lassen sich ohne Verstärkung nur über kurze Distanzen übertragen. Den Bauraum für das Verstärken wollten die Forscher sparen und darüber hinaus weniger Platz im Außenring beanspruchen.
Daher starteten sie ein weiteres Sensorlagerprojekt, das nicht mehr auf eine Veränderung des elektrischen Widerstands setzt, sondern Unterschiede in der Lichtbrechung in Glasfasern erfasst. Das so genannte Fiber-Bragg-Grating-Verfahren hat laut Dr. Ansorge bisher noch niemand für derartige Zustandsüberwachung eingesetzt. Es basiert darauf, dass in sehr feine Glasfasern in festgelegten Abständen Brechungsgitter eingebrannt sind. Sie reflektieren Licht in Abhängigkeit von der Spektralfarbe. Wohin es reflektiert wird, hängt von der Periode der Brechungsgitter in der Faser ab. Sobald die Faser länger wird, ändert sich die Farbe des reflektierten Lichts.
„Die Glasfasern sind erheblich dünner als Folien mit Draht, die wir für die Dehnungsmessungen verwendet haben“, erläutert Mechatronik-Experte Ansorge. Damit schrumpft die Nut im Außenring. Beim Fiber-Bragg-Verfahren werden die Fasern aber nicht nur länger, wenn rollende Wälzkörper den Lageraußenring um einige Hundertstel Millimeter nach außen dehnen. Sie reagieren auch auf Temperaturänderungen. „Damit dieser Effekt keine Fehler in der Überwachung verursacht, legen wir eine zusätzliche Faser in die Nut. Sie wird vor der Dehnung des Außenrings geschützt und liefert uns Temperaturdaten, mit denen wir den rein mechanischen Effekt berechnen können.“ Größer muss die Nut dafür allerdings nicht werden.
Für die Maschinenbauer bietet die Überwachung via Glasfaser den Vorteil, dass die Daten auch ohne Verstärker rund 5 km weit geleitet werden können. Damit kommen sie wesentlich weiter als bei der Dehnungsmessung, was bei großen Maschinen ein entscheidender Faktor sein kann. Erste Interessenten haben sich bereits gemeldet.
Noch genauere Daten über den Zustand eines Lagers wollen Wissenschaftler vom Braunschweiger Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) messen. Sie erfassen Druck und Temperatur direkt im Lager mit einem multifunktionalen Sensormaterial, mit dem sie die Laufbahn des Innenrings überziehen. Diese Schicht aus dem amorphen Kohlenstoff Diaforce verändert beim Wechsel von Druck, Kraft oder Temperatur ihren elektrischen Widerstand. „Durch die Messung im Wälzkontakt sind Probleme sehr schnell zu erkennen“, erläutert Holger Lüthje, Leiter der Gruppe Mikro- und Sensortechnologie am IST. Denn wenn sich am Außenring bedenkliche Temperaturen einstellten, könnten an der Laufbahn längst Schäden aufgetreten sein.
Dass die Sensortechnik funktioniert, haben die Experten im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes Intelligente Spindeleinheit bereits an Demonstratoren nachgewiesen. Auch eine Möglichkeit, die Messdaten telemetrisch zu übertragen, hat ein Projektpartner entwickelt. Ohne Telemetrie geht es in der Praxis nicht: Denn der rotierende Innenring lässt sich am besten beschichten, schließt durch seine Rotation aber ein Verkabeln der Sensoren aus.
„Mit unserem Verfahren werden wir sehr genaue Zustandsdaten bekommen, ohne die Präzisionslager in Zukunft kaum auskommen werden“, sagt Lüthje. Selbst eine adaptive Schmierung durch Mikropumpen lasse sich auf der Basis solcher Sensoren im Lager realisieren. Praxistests in einem weiteren Forschungsprojekt sind geplant. Mit Produkten sei aber frühestens in fünf Jahren zu rechnen.
Zustandsdaten direkt aus dem Wälzkontakt

Verfahren zur Lagerüberwachung
Zur Lagerüberwachung werden bisher folgende Verfahren getestet:
  • Dehnungsmessung Sensoren messen Kraft oder Temperatur am Lagerring über Widerstandsänderung. Messstelle liegt nicht direkt im Wälzkontakt. Datenübertragung bis 3 m ohne Verstärker. Praxistauglicher Prototyp liegt vor.
  • Fiber-Bragg-Verfahren Platzsparende Sensoren aus Glasfasern messen Dehnung und Temperatur am Lagerring über veränderte Lichtbrechung. Messstelle liegt nicht direkt im Wälzkontakt. Datenübertragung bis 5 km ohne Verstärker.
  • Akustische Messungen Kräfte im Wälzlager werden indirekt nach der Surface-Acoustic-Wave-Methode (SAW) gemessen. Aufwendige Messtechnik erforderlich, um Verformung der Lagerschalen zu erfassen.
  • Sensorschichten Direkte Messung im Wälzkontakt über sensitive Schichten. Da der beschichtete Innenring rotiert, müssen Daten via Telemetrie übertragen werden. Forschung läuft.
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