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Gleiche Sorgen bei Getriebe und Gartenschere

Verbundprojekt: So lässt sich die Montage produktiver gestalten
Gleiche Sorgen bei Getriebe und Gartenschere

Neue Konzepte machten die Montage bei mehreren Herstellern nicht nur deutlich produktiver, sondern auch flexibel genug für die Zukunft – und zwar unabhängig vom Produkt.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

„Geringe Losgrößen und wechselnde Marktanforderungen stellen unsere Montage vor ganz neue Herausforderungen.“ So beschreibt Thomas Horz, Geschäftsführer der Zeitlauf Antriebstechnik GmbH & Co KG in Lauf an der Pegnitz, das Problem, vor dem sein Unternehmen seit einigen Jahren steht. Wegen des häufigen Wechsels nahmen Rüst- und Durchlaufzeiten stark zu, es kam sogar zu Überschneidungen im Materialfluss. Mit gezielten Veränderungen hat Horz die Produktivität nun um über 30 % gesteigert.
Ein paar wunde Punkte benennt der Geschäftsführer rückblickend. Seine Mitarbeiter montieren jährlich rund 200 000 Getriebemotoren in Losgrößen von 50 bis 1000 Stück – bisher genug Gelegenheiten für Umrüstaktionen von jeweils einer Dreiviertelstunde Dauer. „Heute brauchen die Mitarbeiter zum Umrüsten eines kompletten Arbeitsplatzes nur noch zehn Minuten“, lobt der Entscheider. Das sei angesichts sinkender Losgrößen ein riesiger Wettbewerbsvorteil. „Und in 80 bis 90 Prozent der Fälle müssen die Mitarbeiter dafür nicht einmal ein Werkzeug in die Hand nehmen.“ Ein Schlüssel zum Erfolg waren hochflexible Werkstückträger, die bei Zeitlauf entwickelt und gebaut wurden. Des weiteren ist heute eine Mitarbeiterin für die Komplettmontage eines Getriebemotors verantwortlich. Dadurch sank die Fehlerquote von rund 3 % auf 0,6 %. Der Materialfluss verläuft geordnet, unnötige Wege wurden eliminiert, und Webcams zeigen den Zulieferern, welche Materialkisten dringend Nachschub erfordern.
Diese Veränderungen sind das Ergebnis von drei Jahren Mitarbeit im Verbundprojekt Marktorientierte Montagestrukturen, kurz Mamos – einem von insgesamt drei Projekten, die sich im Rahmen des Programms „Forschung für die Produktion von morgen“ mit Rationalisierungsmaßnahmen in der Montage befassten. Sechs Firmen sowie der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (Faps) der Universität Erlangen-Nürnberg waren bei Mamos beteiligt.
Für Horz hat sich die Mitarbeit gelohnt: Die Durchlaufzeit für die Getriebemotoren sank um etwa 20 %, die Lagerbestände im Umlauf wurden um rund die Hälfte reduziert. „Das haben wir nicht durch verstärkte Automatisierung erreicht“, betont der Geschäftsführer. Zusammen mit seinen Mitarbeitern habe er sich zwar vor einigen Jahren bei Anbietern automatisierter Systeme umgeschaut. Die Ernüchterung kam jedoch, als die Wirtschaftlichkeit berechnet und auch Faktoren wie Abschreibungsdauer und Umrüstgeschwindigkeit berücksichtigt wurden. „Wir waren enttäuscht, dass sich die automatisierten Lösungen frühestens nach drei oder vier Jahren gerechnet hätten“, gibt Horz zu.
Zusammen mit den Experten vom Faps haben er und sein Team daraufhin ein hochflexibles manuelles Montagesystem entwickelt. Heute erwartet er einen Return on Investment in gut einem Jahr, weil jede Montageinsel nur rund 47 000 Euro kostet. Muss sie für ein neues Produkt umgebaut werden, lassen sich vorhandene Systembestandteile fast komplett wiederverwenden. Das neue Montagesystem bietet jedoch auch die Möglichkeit, die manuellen Arbeitsplätze mit Automatikstationen zu verkoppeln. Eine solche teilautomatisierte Lösung wird an einer zusätzlichen Montagelinie für große Losgrößen im Frühjahr 2004 in Betrieb gehen.
Eine Reihe von Ideen erhielt Zeitlauf von der Lust Antriebstechnik GmbH, einem weiteren Industriepartner im Projekt. Auch die Lahnauer suchten nach einer Möglichkeit, Sondergeräte zu Serienbedingungen herzustellen. Denn bisher hätten die Hersteller von Servo- und Antriebsreglern schon „böse Überraschungen“ erlebt, wenn die Nachfrage nach ihren Produkten kurzfristig nach oben schnellte. „Das Umräumen im Montagebereich während des laufenden Prozesses hat viel zu viel Aufwand verursacht“, erinnert sich Produktionsleiter Eberhard Schmauch.
Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt sei gewesen, von vornherein den Raum, die Position und auch die Ausstattung jedes Montage-Arbeitsplatzes auf Zuwachs zu planen. Dafür muss das Montagesystem modular gestaltet sein. „Dass wir mit einem Einzelarbeitsplatz anfangen würden, war klar, und auch die erste Stufe der Erweiterung haben wir fest vorgeplant“, erläutert Schmauch. Für den Moment der größten Nachfrage, von der niemand sagen konnte, wann sie kommen und wie groß sie sein würde, haben die Lahnauer mit den Forschern unterschiedliche Szenarien entwickelt. Auf Anraten der Experten haben sie nicht auf Standardangebote aus dem Markt gesetzt, sondern auf eine individuelle Lösung.
„Die Standardlösungen arbeiten schon in der ersten Ausbaustufe mit Transportbändern und bringen einen Automatisierungsgrad ins Spiel, der für die Einführung eines Produkts viel zu hoch ist und auch beim Rückbau der Montage Probleme machen würde“, hat Faps-Mitarbeiter Stefan Slama beobachtet. Darüber hinaus könne sich ein Betrieb mehr Flexibilität erhalten, wenn er manuelle Arbeitsplätze von Anfang an einplant. „Ohne Menschen geht es zu keinem Zeitpunkt der Produktlebensdauer“, betont Slama. „Und es schadet der Produktivität, die Mitarbeiter zum Schluss in eine freie Ecke zu quetschen.“
Ihre Erfahrungen haben die Forscher in einem Leitfaden zusammengefasst. Dass übertragbare Lösungen entstanden sind, hat das Projekt Mamos laut Thomas Horz gezeigt, der seine Probleme in anderen Betrieben gespiegelt sah: „Wenn Sie die Montage verbessern wollen, gibt es kaum einen Unterschied zwischen einer Gartenschere und einem Getriebemotor.“
Flexible Arbeitsplätze kommen ohne Transportband aus
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