Die Hersteller von Großpressen stehen vor einer Neuausrichtung: Ohne die Großaufträge aus der Automobilindustrie sind andere Strategien erforderlich.
„Müller Weingarten hat auf einige Marktveränderungen nicht in der Konsequenz reagiert, wie es notwendig gewesen wäre“, sagt Rolf Zimmermann, „wir müssen erkennen, dass wir die bisherigen Prozesse und Strukturen weiter entwickeln müssen.“ Der neue Vorstandsvorsitzende der Müller Weingarten AG, der im Sommer sein Amt angetreten hat, soll bei dem Hersteller von Großpressen das Ruder herumreißen: Der Verlust vor Steuern betrug zum Halbjahr – 18,9 Mio. Euro; der Auftragseingang liegt bei 125 Mio. Euro nach 150 Mio. Euro im Vorjahr
Ein Sanierungsprogramm mit dem Namen „MW Transformation“ soll es richten. Zimmermann will Personalüberhänge abbauen, mehr Teile zukaufen, günstiger Einkaufen. Zudem hat er die Matrix-Organisation aufgelöst und mit neuem Führungspersonal eine Linienverantwortung eingeführt. Seine Vision ist ein Wandel „vom integrierten Sondermaschinenbauer zum produzierenden Engineering-Unternehmen“.
Die Flaute der Automobilindustrie hat die Hersteller von Großpressen gebeutelt, die hauptsächlich auf die großen OEMs gesetzt haben. Seit zwei Jahren geht es eigentlich in der Umformtechnik-Branche wieder aufwärts. Für das erste Halbjahr dieses Jahres meldet der Verband VDW ein Plus von 27 %. Viele Hersteller melden volle Auftragsbücher und hohe Gewinne. Die Großpressenhersteller profitieren davon aber nicht. „Der Grund für diese Abkoppelung vom allgemeinen Trend liegt auf der Hand“, kommentiert Joachim Beyer, Mitglied des Vorstands der Schuler AG, „die Automobilindustrie bremste ihre Investitionen in neue Fertigungssysteme nochmals spürbar.“
Der Pressenhersteller mit Sitz in Göppingen, dessen Geschäft zur Hälfte von der Fahrzeugindustrie abhängt, meldete im ersten Halbjahr 2005/2006 einen weiter gesunkenen Auftragseingang. Auch bei Schuler trat – ebenso wie beim Konkurrenten in Weingarten – vor kurzem ein neuer Vorstandsvorsitzender an: Jürgen Tonn, vormals Vorstandschef von DS Technologie, soll den Konzern auf den richtigen Kurs bringen.
Beobachter registrieren einen Wandel auf der Abnehmerseite: Die OEMs vergeben zunehmend Aufträge an Zulieferunternehmen, anstatt selbst Kapazitäten aufzubauen. So will man sich bei Schuler verstärkt um diese Zielgruppe kümmern. „Einkaufsstrategien und Produktionsprozesse von Zulieferern unterliegen anderen Bedingungen als Einkauf und Fertigung bei Automobilkonzernen“, begründet Manager Beyer. Entsprechend habe Schuler das Produktprogramm überarbeitet: „Wir können aus unserem Produktbaukasten Pressen von 2500 kN bis 25 000 kN anbieten.“ Der hohe Zeit- und Kostendruck, dem die Zulieferindustrie unterliege, erfordere kostengünstige Ausrüstungen und kurze Lieferzeiten. Zugleich sei ein hohes Maß an Flexibilität gefragt.
Auch der neue Müller-Weingarten-Chef Rolf Zimmermann will sich neben den organisatorischen Einschnitten mit seinem Portfolio beschäftigen: Er hat angekündigt, die Bereiche konsequent auszubauen, bei denen das Unternehmen eine Chance auf eine Markt bestimmende Position hat.
Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de
An Strategien wird gearbeitet
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