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Günstige Alternative zu Resolver und Encoder

Kapazitiver Sensor könnte Kosten in der Lineartechnik reduzieren
Günstige Alternative zu Resolver und Encoder

Wo zwischen Präzision und Kosten das Optimum liegt, hängt auch bei Drehgebern von der Anwendung ab. Für Standardachsen und Handlings könnte es sich lohnen, einen neuen, kapazitiv messenden Sensortyp und ein offenes Schnittstellenprotokoll ins Kalkül zu ziehen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Präzision bei Drehzahlregelung und Positionierung eines Antriebs ist in der Automatisierung durchaus willkommen. Aber ein Geber beansprucht nicht nur zusätzlichen Bauraum, er macht sich bei Anwendern auch durch den Aufwand bei der Montage und den Kosten unbeliebt. Experten schätzen, dass Sensoren und Auswerteelektronik je nach Antriebssystem bis zu 30 % der Anschaffungskosten ausmachen können. Das zwingt die Entwickler seit geraumer Zeit, nach günstigeren Alternativen zu suchen. So entstanden zum einen Verfahren, einen Antrieb auch ohne Gebersystem auf der Basis von ausgewerteten Motordaten zu regeln, zum anderen weiterentwickelte Sensoren.
„Fast jeder Hersteller von Frequenzumrichtern für Asynchronmotoren hat heute mindestens ein Gerät, das eine drehgeberlose Regelung ermöglicht“, sagt Prof. Walter Schumacher vom Institut für Regelungstechnik der TU Braunschweig. Zwei Dinge sind diesen Lösungen gemeinsam: Sie sind günstiger als Varianten mit Gebern, und sie haben eine etwa um den Faktor 100 reduzierte Präzision. „Mit einem digitalen Inkrementalgeber beispielsweise arbeitet ein Antrieb so genau, wie es die Elektronik erlaubt“, erläutert Schumacher. „Das heißt, es treten Abweichungen von nur etwa 1 ppm von der Nenndrehzahl auf, wenn in der Regelelektronik ein entsprechend präziser Quarz eingebaut ist.“ Bei geberlosen Systemen hingegen müsse man mit Abweichungen von bis zu 1 % der Nenndrehzahl rechnen, bei niedrigen Drehzahlen sogar bis 5 %. Große Verbesserungen sind auf diesem Sektor nach Auskunft des Forschers nicht zu erwarten: „Ein Motor wird warm, so dass sich die Widerstände von Kupfer und Aluminium ändern. Weil das die drehgeberlose Regelung beeinflusst, wird man die Abweichungen nicht wesentlich unterschreiten.“
„Fortschritte wären bei der drehgeberlosen Regelung nur zu erreichen, wenn zusätzliche Motoreigenschaften als Informationsquelle genutzt werden“, sagt auch Steffen Winkler, Produktmanager bei der Bosch Rexroth AG, Lohr am Main. „Damit wäre das Verfahren aber nur noch für spezielle Motoren einsetzbar.“
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Wenn Präzision gefordert ist, führt also nach wie vor kein Weg am Geber vorbei. In mehr als der Hälfte der Standard-Servoanwendungen setzen die Ingenieure nach Schätzung von Fachleuten heute Resolver ein – also den dienstältesten Gebertyp, der nach dem elektromagnetischen Prinzip misst, robust und zuverlässig ist und als kostengünstig gilt. Sind beispielsweise für Anwendungen in der Druckindustrie oder bei der visuellen Inspektion von Bauteilen absolute und präzisere Messwerte gefragt, werden in der Regel die genaueren, aber auch teureren optischen Gebersysteme oder Encoder eingesetzt.
Eine kostengünstige Alternative vertreibt die Münchner Maccon GmbH (Halle 14, Stand G42): Das Systemhaus, das sowohl Antriebe anbietet als auch Komplettlösungen zusammenstellt, ist eine Vertriebspartnerschaft mit der Netzer Precision Motion Sensors Ltd. im israelischen Misgav eingegangen. „Die Netzer-Sensoren arbeiten nach dem kapazitiven Prinzip, sind präziser als Resolver, aber günstiger als optische Encoder, und liefern Absolutinformationen innerhalb einer Umdrehung“, erläutert Maccon-Vertriebsleiter Volker Löffler. Das kapazitive Mess-Prinzip an sich ist zwar nicht neu. Weil es den Entwicklern aber gelungen ist, die Sensoren gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern immun zu machen, eignen sie sich nun für den industriellen Einsatz und sind auf dem deutschen Markt seit Herbst des vergangenen Jahres erhältlich. „Wir haben in der Bundesrepublik noch keine Serienanwendungen, aber eine Reihe von Versuchen laufen“, berichtet Löffler. Diese sind beispielsweise in der Automobilfertigung angesiedelt, betreffen Aufzüge, die Medizintechnik, die Halbleiterindustrie, aber auch den Einsatz in Industriemotoren. „Ein großer deutscher Motorenhersteller kombiniert seine Motoren mit Netzer-Gebern, um kostengünstigere Produkte anbieten zu können“, berichtet der Ingenieur. Die Vorserienfertigung für die Motorengeneration sei bereits angelaufen.
Der niedrigere Preis der Sensoren sei nicht allein auf die Produktionskosten zurückzuführen, sondern auch darauf, dass sich Hersteller Netzer für eine offene Schnittstelle zum Übertragen der Messdaten entschieden hat, für die keine Lizenzgebühren anfallen: Die sogenannte Biss-Schnittstelle ist ein offenes Protokoll, das die IC-Haus GmbH, Bodenheim, vor rund zwei Jahren entwickelt hat. Die Bodenheimer produzieren kundenspezifische Asics für Industrie, Automobil- und Medizintechnik. „Das rein digitale Biss-Protokoll hat gegenüber etablierten Schnittstellen wie Hiperface oder En-Dat keine technischen Nachteile“, sagt Maccon-Mitarbeiter Löffler.
Organisatorisch ist es allerdings noch schwierig, auf Biss umzusteigen. „Wer die Lizenzgebühren umgehen möchte und auf die offene Biss-Schnittstelle setzt, ist bisher noch als Exot anzusehen“, räumt Löffler ein. Denn noch gebe es praktisch keine Standard-Antriebsregler, die das Biss-Protokoll unterstützen. Führende Antriebshersteller bieten ihre Regler kompatibel zu etablierten, aber proprietären und somit lizenzpflichtigen Protokollen an: So hat der Sensorhersteller Stegmann GmbH & Co. KG, Donaueschingen (Halle 9, Stand F54) das Hiperface-protokoll in den Markt eingeführt, während die Traunreuter Dr. Johannes Heidenhain GmbH (Halle 9, Stand G06) die Endat-Schnittstelle entwickelt hat.
Den Exotenstatus könnte das Biss-Protokoll jedoch verlieren, denn der Maccon-Vertriebsleiter rechnet mit steigender Nachfrage. „Die Netzer-Sensoren eignen sich auch als Absolutwertgeber in Linearsystemen. Dort sind sie nicht nur erheblich günstiger als alles, was bisher auf dem Markt ist. Sie arbeiten außerdem ohne mitgeführte Kabel.“ Zwar bieten sie nicht die höchste Präzision. „Für Handlings sind sie aber sehr interessant“, so Löffler.
Anwendungen mit höchster Präzision visiert der Geschäftsbereich Automation & Drives der Siemens AG an (Halle 11, Stand A41). Ergänzend zu der durchgängigen Antriebsplattform Sinamics zeigen die Nürnberger integrierbare Sensormodule für Servoantriebe, die mit unterschiedlichen Gebern nach Anwenderwunsch arbeiten. Die Signale des Gebers wertet das Sensormodul aus und entlastet so die Steuerung. Für das Übertragen der Daten setzt Siemens die proprietäre Schnittstelle Drivecliq ein. Anders als Endat, Hiperface oder Biss werden darüber jedoch nicht nur Sensordaten weitergeleitet, sondern auch Gerätedaten im Stil eines elektronischen Typenschildes, so dass die Inbetriebnahme beschleunigt wird.
Präziser als Resolver, aber günstiger als optische Encoder
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