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Gütesiegel für die Produktqualität

Industriedesign wird zum Innovationstreiber der Wirtschaft
Gütesiegel für die Produktqualität

Im Buhlen um die Gunst der Käufer entdeckt die Industrie neue Argumente durch Design. Doch ohne Innovation ist die prägende Hülle nur Dekoration. Der Weg zur topgestylten, einfach bedienbaren Technik führt über die Integration des Designprozesses in den Produktentwicklungsablauf.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser

Die Gebrauchstauglichkeit moderner Systeme stellt oft hohe Anforderungen an die Benutzer. So wird bei einem Fahrzeug der Premiumklasse der Wagenlenker im Bedarfsfall mit einer Bedienungsanleitung konfrontiert, die gut und gerne 500 Seiten umfasst. Dass gerade die Anleitungen in bestimmten Mietwagen oft zerfleddert sind, macht deutlich: „Bei den Themen Betätigen und Benutzen sowie der Erkennbarkeit und Sichtbarkeit liegt noch vieles im Argen“, kritisiert Thomas Maier.
„Technische Interfaces sind heute noch mit zu vielen Bedienebenen ausgestattet“, weiß der Design-Professor von der Universität Stuttgart. Der Ingenieurs-Idealismus, alles in ein Produkt integrieren zu wollen, verärgert viele Anwender mehr als er ihnen nutzt.
Die Grundanforderung an die Produktentwickler lässt sich auf eine Formel bringen: Geräte und Systeme müssen einfacher zu bedienen sein. Bislang bestimmten die Entwickler mit Hilfe mechatronischer Trends wie Automatisierung, Digitalisierung und Miniaturisierung die Richtung. Doch die „multimodale Wahrnehmung, bei der das Sehen, Hören und Tasten eine Schnittmenge bildet“, wie es der Tübinger Max-Planck-Forscher Marc Ernst formuliert, rückt bei Investitionsgütern die Schnittstelle Mensch-Maschine in den Blick – und damit das Design.
Doch weniger in der reinen Gestaltung als im Prozess liegt die Kernkompetenz. Weil Design die Bedien- und Wartungsfreundlichkeit entscheidend beeinflusst, spricht laut Dr. Heinrich Frontzek alles dafür, „den Designprozess bereits in der grundsätzlichen Konzeption des Produktentstehungsprozesses einzubinden“. Von Seiten der Mechatronik beobachtet Frontzek, in Personalunion Kommunikationschef der Festo AG, Esslingen, und Vorsitzender des Kompetenznetzwerks Mechatronik e. V. in Göppingen, ohnehin „einen Wandel vom sequenziellen hin zum integrierten Entwicklungsablauf“. Analog dazu müsse der Designprozess ebenso in den Produktentstehungsprozess integriert werden, fordert Frontzek.
Diesen Trend wollen die Göppinger Mechatroniker jetzt auch in den Betrieben fester verankern. Unter dem Titel „Design Process“ hat der Verein, dessen Mitglieder einen Jahresumsatz von 5 Mrd. Euro und 25 000 Mitarbeiter in der Region Stuttgart repräsentieren, einen Fachkongress ins Leben gerufen, der nun im Jahreskalender etabliert wird. Profitieren von dieser Maßnahme sollen alle Beteiligten: Die Anwender durch einfacher zu bedienende Produkte, die Unternehmen, die mit funktionalen, ergonomisch ansprechenden Produkten ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten festigen können, aber auch die Region, die sich „durch Industrial Design einen weiteren Standortvorteil verschaffen kann“, unterstreicht Heinrich Frontzek die Bedeutung.
Auch die neulich erfolgte Umbenennung des Konstruktions-Lehrstuhls der Universität Stuttgart in Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design (KTD) steht im Zeichen dieses Trends. Lehrstuhlinhaber Prof. Dr.-Ing. Thomas Maier, zuständig für den Design-Part, sieht das Technische Design zunehmend als Interface-Disziplin, die das innere mit dem äußeren System verbindet, die als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine fungiert.
Der Industrial-Design-Ingenieur Maierscher Prägung befasst sich mit dem „Gebrauchswert, und damit mit dem Mehrwert eines Produktes“, rückt der Hochschullehrer dessen Fachkompetenz in den Fokus. Bedienung, Sichtbarkeit und Erkennbarkeit sind die Schlüsselbegriffe. Auch Bedienelemente, die nicht direkt im Bereich des Sichtfeldes liegen, spielen hier eine Rolle. Das kann bei einer CNC-Drehmaschine ebenso sein wie beim Cockpit eines Fahrzeugs während einer Nachtfahrt. „Beim Griff ins Dunkel muss der Knopf getroffen werden, der in dem Moment benötigt wird“, definiert Maier die Anforderung. Dieser „Blindbetätigung“ widmet sich am Stuttgarter Lehrstuhl derzeit eine Dissertation, die das Problem im Umfeld CNC-Drehmaschine lösen soll.
Die Arbeit an solchen Themen wird für Maschinenbauer zur existenziellen Frage. Denn die Maschinen selbst werden sich leistungsmäßig kaum mehr unterscheiden – allenfalls das prägende Design macht den Unterschied. Doch wie lange noch? Maier ist sich sicher: „Die Zukunft liegt eindeutig im schnelleren, einfacheren Bedienen, denn Zeit ist Geld.“
Zugleich kommt das, was die Ingenieure austüfteln, erst durch die Gestaltung richtig zum Vorschein. „Erst gutes Design macht Mechatronik sichtbar“, formuliert Volker Schiek. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Mechatronik-Netzwerks hat selbst erfahren, was das für den Verkaufserfolg bedeuten kann. Als Entwicklungsleiter bei der Rehm GmbH & Co. KG in Uhingen, engagierte Schiek den Ammerbucher Designer Jürgen R. Schmid, um ein konventionelles tragbares Schweißgerät mit neuartigem Design auf Differenzierung und Bedienerfreundlichkeit zu trimmen. Derartige Geräte gleichen sich oft wie ein Ei dem anderen. Schmids Design-Tech-Team holte zum gestalterischen Rundumschlag aus. Heute signalisiert die Optik nicht nur, dass das Schweißgerät tragbar ist. Statt Blech dominiert eine futuristisch anmutende Hülle aus Kunststoff – obwohl Schweißer eher auf Metall stehen.
Der Ammerbucher Designer hat den Spagat zwischen ambitionierter Technik und überzeugender Form geschafft. Schmid ist bei diesem Auftrag gelungen, was Festo-Designer Jan Kleffman so formuliert: „Design erzeugt Wiedererkennungswert und hebt das Produkt von anderen ab. Zudem muss Design die Qualität des Produktes veranschaulichen und die äußere und innere Qualität in Übereinstimmung bringen.“
Gutes Industriedesign lässt den Erträgen auf der Verkaufsseite oft auch jene auf der Auszeichnungsseite folgen. Denn auch im Rahmen der Preisvergabe kann Design „als Mehrwert kommuniziert werden“, unterstreicht Sabine Lenk, Projektleiterin des Design Center Stuttgart, den Nutzen einer Teilnahme an den jährlichen Design-Preiswettbewerben. Weltweit, sagt Lenk, „gibt es kein anderes Land, in dem so viele Designpreise ausgeschrieben werden“. Als Ritterschlag in der Branche gilt, was mit dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in Gold ausgezeichnet wird. Begehrt in der Industrie sind auch der in Hannover vergebene iF Product Design
Award, der Red Dot Award des Design Zentrums NRW oder der Focus Internationaler Designpreis Baden-Württemberg.
Den Teilnehmern kommen die Auszeichnungen als eine Art Gütesiegel für die Produktqualität gleich. Wer den Preis im Markt kommuniziert, „zeigt außerordentliche Standards in der Produktentwicklung und belegt seine Innovationskraft“, weiß Lenk. Nicht zu unterschätzen sei aber auch die interne Dimension eines Designpreises. „Wer mit dem Entwicklungsprozess befasst ist, auf den kann ein Preis motivierend wirken, die Belegschaft selber identifiziert sich besser mit der Firma“, kennt Sabine Lenk die weiteren Effekte.
Oft ist bei der Umsetzung aber „noch Entwicklungsarbeit nötig“, weiß Jürgen R. Schmid. Schließlich gelte es nicht nur, etwas aus dem Bauch heraus anzustoßen. Vielmehr müssten die Unternehmen Voraussetzungen schaffen für ein Designmanagement, um die Aufgaben zielgerichtet zu fördern, sowohl bei der Umsetzung als auch bei Änderungen.
Methodik und Systematik bestimmen heute die Designstrategien. „Ohne das Ziel zu kennen, werden wir nicht ankommen“, formuliert Schmid sein Credo. „Die Kenntnisse vom Ziel“ sind auch für Thomas Maier wichtig. Der Wissenschaftler begegnet seinen Auftraggebern immer mit zwei Hauptmotiven: „Wir verkaufen nicht nur schönes Design durch schöne Verkleidung, sondern immer auch Nutzen in Bezug auf die Bedienung.“ Zu Beginn der Produktentwicklung bewerten die Ingenieure anhand einer Designanforderungsliste alles, was mit ergonomischen Grundanforderungen zu tun hat, mit Funktionsgestaltung, Interface-Schnittstelle und schließlich mit Verkleidung. Jürgen Schmid startet mit einem Kick-off-Meeting beim Kunden – und hakt auf einer Checkliste rund 120 Fragen ab. Sind diese beantwortet, „wissen wir oft mehr als der Geschäftsführer“, erläutert Schmid den Nutzen seiner Basisarbeit.
Design muss innere und äußere Qualität in Übereinstimmung bringen

„Design-Oscar“ für die 50 Besten

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„And the winner is …“ Jährlich am Eröffnungstag der Computermesse Cebit in Hannover schreitet Ralph Wiegmann zur Preisverleihung. Mit dem iF Product Design Award zeichnet der Geschäftsführer des „Industrie Forum Design Hannover“ die 50 Besten Produkte aus zwölf Kategorien aus. 50 goldene Skulpturen wandern an diesem Tag in die Hände der ausgezeichneten Designer, Firmenchefs und Marketingprofis. 688 weitere Produkte erhalten das begehrte iF-Gütesiegel.
Aus 1952 Einreichungen, die aus 37 Ländern kamen, bewertete eine internationale Jury das, was ihr als herausragende Designleistung erschien. Den aus acht Nationen stammenden Juroren stellten sich Produkte, „deren klare und schlichte Formensprache sowie intuitive Bedienung einen benutzerfreundlichen Weg aufzeigen“. Verstärkt in den Vordergrund trete der Wunsch nach Produkten, die für jeden handhabbar sind, gleich ob jung oder alt. Künftig wollen die iF-Juren stärker den Universal-Design-Gedanken berücksichtigen. Design soll die Bedürfnisse vieler Zielgruppen erfüllen.
Dem schnellen Trend-Styling, getrieben vom wachsenden Tempo des Neuen, erteilte der Jury-Vorsitzende Fritz Frenkel dagegen eine Absage. „Weniger Marketing, mehr Design“, forderte der Inhaber des Industrial-Design-Büros f/p aus Frankfurt/M., der früher in Diensten von Frogdesign, Wilkhahn und Deutsche Bahn stand.
Seit 1953 gibt es den iF Design Award. Gegründet wurde iF 1953 als eine Institution zur Designförderung, die mit einer ersten Sonderschau formgerechter Industrieerzeugnisse ihren Einstand gab. Heute lobt der Dienstleister fünf eigenständige Designwettbewerbe aus. Mitten auf dem Gelände der Hannover Messe, dem Pavillon gegenüber Halle 16, rückt die ständige Ausstellung die aktuellen Preisträger ins Licht.
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