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Halle 4 – das Büro für Werkstoff-Fragen

Lösungen vom Walzprofil bis zum 3D-Bioplotter
Halle 4 – das Büro für Werkstoff-Fragen

Die Denker-Zone ist wieder eröffnet: Im „Innovationszentrum Ingenieurwerkstoffe” brennen 72 Aussteller darauf, mit den Besuchern gewitzte Lösungen auszuklügeln.

Unkonventionelle Lösungen für technische Probleme sind das Markenzeichen der Aussteller, die sich regelmäßig für die eine Woche im April zu einem Werkstoff-Kompetenzzentrum in Halle 4 der Hannover Messe zusammentun. Mit 72 Ausstellern ist der Gemeinschaftsstand E 34 des Veranstalters Abresch-Profair aus Montabaur wieder komplett ausverkauft. Jedes der meist kleinen Unternehmen deckt eine spezielle Werkstofftechnologie mit hoher Perfektion ab. Konstrukteure, die dieses Stelldichein für intensive Gespräche nutzen, sind gut beraten.

Völlig neue Technologien werden ebenso vermittelt wie alte, die mit neuen Ideen und Möglichkeiten daherkommen. So produziert etwa die Gersfelder Metallwaren GmbH, Gersfeld, den Schaltknüppel des VW Lupo als Drahtbiegeteil. Die HTI Maschinen- und Apparatebau GmbH in Annweiler/Trifels fertigt durch Rotationsformen nahtlose Zylinder für namhafte Pneumatikhersteller und daneben Airbag-Kaltgasbehälter. Bei ganz anderen, neuen Werkstoffen hingegen ist die Envision Technologies GmbH zuhause: Die Ingenieure aus Marl präsentieren einen Rapid-Prototyping-Plotter für den PC, der eines Tages in der Lage sein soll, ein menschliches Ohr nachzubauen.
Zunächst jedoch zu den „alten” Technologien: Drahtbiegeteile sind vielseitige Problemlöser. Nicht nur Bügel, Halter und andere Befestigungsteile lassen sich schnell und kostengünstig auf Großserienmaschinen herstellen. Selbst in kleinen Serien sind manche komplexe Teile durch Drahtbiegen wirtschaftlicher zu fertigen als mit anderen Verfahren, behaupten die Fachleute von Gersfelder Metallwaren. Sie empfehlen daher, sich frühzeitig beraten zu lassen, um die Möglichkeiten auszuloten. Wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, bieten sie komplette Lösungen einschließlich Spanen, Umformen, Verbinden und Montieren an.
Ebenso mit Stählen, aber auch mit Leicht-, Bunt- und Edelmetallen arbeitet die Biennaform-Walzprofil AG, Biel. Die Argumente der Schweizer klingen ähnlich wie die aus Gersfeld: Spanabhebend hergestellte Teile lassen sich häufig Kosten sparend durch Sonderprofile ersetzen, geben sie zu bedenken. Theoretisch seien alle denkbaren Formen ohne Hinterschneidungen als kostengünstige Kaltwalzprofile zu realisieren. Toleranzen von ±0,02 mm gelten ihnen als Standard für mittlere Profilquerschnitte. Bei kleinkalibrigen Profilen trauen sie sich ein Toleranzfeld von ±0,01 mm zu. Doch auch hier die Mahnung: Es empfiehlt sich eine frühzeitige Beratung. Denn wichtig ist, dass der Konstrukteur von Anfang an „in Profilen” denkt.
Schaltknüppel im VW Lupo ist ein Drahtbiegeteil
Dieser wiederkehrende Tipp verwundert nicht, handelt es sich doch bei allen im „Innovationszentrum Ingenieurwerkstoffe” angebotenen Produkten und Dienstleistungen um neue, beratungsintensive Technologien. Auch die elektrisch leitfähige E-CTFE-Beschichtung der Buser Oberflächentechnik AG in Wiler/Utzenstorf (Schweiz) macht da keine Ausnahme. Dabei handelt es sich um eine teflonähnliche Substanz, die millimeterdick aufgetragen wird, um vor Korrosion durch äußerst aggressive Medien zu schützen. Leitfähig muss die Schicht dann sein, wenn sie im Ex-Bereich eingesetzt wird. Das Neue: Während die elektrisch leitfähigen Schichten bisher grundsätzlich schwarz waren, kann sie Buser nun auch in hellen Tönen anbieten, ohne dass die Leitfähigkeit sinkt. Der Grund ist die verbesserte Dosierung und Mischung der Zusatzstoffe. Die bisherigen Anwendungsbereiche sind Rohrleitungen, Filterpressen und chemische Zentrifugen.
Als Exoten möchten sich die sechs Mitarbeiter von Envisiontec Technologies nicht bezeichnen lassen, die in Hannover den Bioplotter vorstellen. Denn das Standbein ihres Start-up-Unternehmens ist der Rapid-Prototyping-Plotter Perfactory, der auch für Maschinenbau-Konstrukteure gedacht ist. „Wir bieten PC-gestützte Modellbaugeräte für Endanwender kreativer Branchen an”, erläutert Hendrik John, Geschäftsführender Gesellschafter. „Perfactory können Sie wie einen Drucker direkt an den Computer anschließen. Das Gerät ist auch so einfach zu bedienen wie ein Drucker. Und für den Preis von ungefähr 50 000 Euro ist es deutlich kostengünstiger als vergleichbare Geräte.” Nur der Umgang mit den Chemikalien sei etwas komplizierter, räumt John ein.
Entstanden ist die Neuentwicklung auf der Basis eines BMBF-geförderten Forschungsprojektes. Das Jungunternehmen teilt das Patent mit einem Materialforschungsinstitut. Der Rapid-Prototyping-Prozess basiert auf der Stereolithographie, arbeitet aber mit sichtbarem Licht anstelle von UV-Licht. Die Abmessungen der herzustellenden Teile betragen maximal 256 x 192 x 250 mm. Für die Auflösung gibt Envisiontec in den Produktunterlagen 100 dpi in XY-Richtung und mindestens 300 dpi in Z-Richtung an.
Bei dem 3D-Bioplotter handelt es sich um eine Variante für medizinische und pharmazeutische Anwendungen. „Mit dem Prozess erstellen wir aus CAD-Daten eine dreidimensionale Trägerstruktur für menschliche Zellen”, erklärt Hendrik John. „Wir bieten den Zellen eine Struktur an, auf der sie wachsen können.” Zunächst hilft die Methode dabei, Systeme zur Medikamenten- und Wirkstoff-Abgabe zu entwickeln. Ziel sei es aber schon, eines Tages Organe nachbilden zu können. Wenn alles klappt, will John in Hannover den Plot eines künstlichen Ohres vorführen.
Vor diesem Hintergrund mag Technische Keramik nicht unbedingt als „neuer” Werkstoff erscheinen – birgt aber doch ein immenses Innovationspotenzial für den Maschinenbau. Dies wird spätestens an den hydrostatischen Gleitlagern aus Verbundkeramik klar, welche die MAN Technologie AG, Augsburg, für die Luft- und Raumfahrt entwickelt hat. Sie werden für kryogene Medien bei Temperaturen bis –180 °C getestet und könnten speziellen Pumpsystemen zugute kommen. Die Verbundkeramik SiC/SiC ist auf Metall aufgeschrumpft und steht bei Raumtemperatur unter Zugspannungen von über 150 MPa.
Mit herkömmlichen Lagern eher zu vergleichen sind die Komponenten der Ceratec B.V. in Geldermalsen. Die Niederländer bauen präzise, chemisch resistente Lager und Maschinenelemente aus Edelstählen und technischen Keramiken, beispielsweise für Pumpen, Schieber, Verschlüsse und andere Baugruppen. Sie widerstehen Säuren, Laugen, Lösemitteln oder Slurries. Auf Abdichtungen kann häufig verzichtet werden, und Schmierungen entfallen, wenn das Medium die Schmierfunktion übernimmt.
Zu welchen Höchstleistungen miniaturisierte Sinterlager fähig sind, zeigt die Schunk Sintermetalltechnik GmbH, Heuchelheim, am Beispiel eines CD-Players: Mit seinem sprunghaften Anfahren belastet der Laser die Lager, die genauer sein müssen als der Abstand zwischen den Spuren von weniger als 2 µm. Geräusch- und verschleißarmer Betrieb sowie Wartungsfreiheit sind gefordert. Keines der herkömmlichen Sintergleitlager erfüllte das Pflichtenheft, berichtet Schunk. Erst eine spezielle Oberflächentextur brachte den Durchbruch. Dieses Sinterlager soll nun leistungsfähiger sein als geplant und findet sich mittlerweile auch in DVD-Playern wieder. os
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