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High-Tech-Antriebe auch für China und Osteuropa

MDA: Globalisierung bestimmt die Antriebs- und Fluidtechnik
High-Tech-Antriebe auch für China und Osteuropa

Es gibt kaum einen Bereich der Leitmesse Motion, Drive & Automation (MDA), in dem der Einfluss des Auslands und insbesondere Chinas nicht spürbar würde. Dort sitzen neue Kunden mit eigenen Ansprüchen, dort entsteht Wettbewerb, und um den Stahlpreis kommt auch keiner herum – denn Ersatzwerkstoffe sind nicht in Sicht.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Charakteristisch für die Messe in Hannover sollten in diesem Jahr nicht die bunten Fahnen, sondern viele rote Teppiche sein: Am besten für jeden internationalen Besucher einer. Denn auch wenn führende Aussteller auf der Leitmesse Motion, Drive & Automation aus der Bundesrepublik stammen und Deutschland sowie Europa eine Quelle von High-Tech-Antrieben sind, kommt der wirtschaftliche Erfolg vor allem aus dem Ausland. So klar wie in diesem Jahr war das bislang selten zu hören
Für Reiner Leipold-Büttner, Technik-Vorstand der Bosch Rexroth AG, Lohr am Main, ist aber „die Hannover Messe nach wie vor die weltweit bedeutendste Industriemesse“ – eine Ansicht, die die übrigen vom Industrieanzeiger befragten Aussteller teilen. Vor allem die MDA mit Schwerpunkt Fluidtechnik und dem zweijährlichen Rhythmus sei eine sehr gute Plattform. Eine Einschränkung macht Leipold-Büttner jedoch: Die Messe werde nur „so lange Bedeutung und Ansehen behalten, wie sie internationales Publikum anlockt“.
Dass sowohl Veranstalter als auch Aussteller sich um Besucher aus aller Welt bemühen, zeigt die Gründung des MDA-Präsidiums. In diesem Gremium haben sich im vergangenen Herbst führende Aussteller der Leitmesse zusammengeschlossen, um das Profil der Veranstaltung zu schärfen. Laut Robert Schullan ist das durch Veränderungen im Vorfeld der diesjährigen Messe auch gelungen. Schullan, der die Geschäftsleitung der in Herzogenaurach und Schweinfurt ansässigen Schaeffler-Gruppe Industrie (Ina/FAG) innehat und Vorsitzender des MDA-Präsidiums ist, betont: „Wir haben eindeutige Ziele gesetzt: Wir wollen mehr internationale Besucher nach Hannover bringen und das komplette Leistungsspektrum der Branche präsentieren.“ Daher behält die Industriemesse für ihn die weltweite Spitzenposition – auch wenn jede Branche ihre eigenen Favoriten habe und vor allem in Asien wichtige neue Messen entstünden, beispielsweise die PTC in China. „Ob weitere Neuerungen und Maßnahmen für die Hannover Messe notwendig sind, werden wir aus den Ergebnissen von 2005 ableiten“, so Schullan.
Eine ganzheitliche Darstellung der Automatisierung würde dabei auf jeden Fall auf die Agenda gehören, meint Dr. Eberhard Veit, Vorstandssprecher der Esslinger Festo AG: „Zu wichtigen Themen sollte es übergreifende Präsentationen geben, wie es in diesem Jahr schon bei Sicherheit und Diagnosesystemen zu sehen ist“, sagt der Pneumatik- und Automatisierungsexperte. Auch Reiner Leipold-Büttner von Bosch Rexoth legt Wert darauf, dass das Anwendungswissen der Hersteller gewürdigt wird: Weil das auf einer Branchenmesse möglich sei, hätten Veranstaltungen wie die Bauma eine so große Bedeutung für die Hersteller.
Highlights aus der Produktentwicklung wird es aber auch in Hannover zu sehen geben. Den allgegenwärtigen Trend zu mehr Service und Zustandsüberwachung entsprechend haben die Aussteller zu ihren Produkten oft noch ein Extra parat. So zeigt beispielsweise die Igersheimer Alpha Getriebebau GmbH nicht nur Getriebe, sondern auch ein intelligentes System aus zwei Dichtungen: Tritt Leckage im Getriebe auf, wird die zweite Dichtung aktiv und meldet den Fehler, damit der Instandhalter seine Aktivitäten besser planen kann.
Solche Systeme sind laut Vertriebsleiter Dr.-Ing. Michael Fiedler ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Nicht umsonst säßen in Igersheim rund 12 % der Mitarbeiter in F+E-Abteilungen. Auch Karl-Heinz Lust, Geschäftsführer der Lahnauer Lust Antriebstechnik GmbH, betont, dass die Entwicklung der Branche vom „exzellenten Ingenieurnachwuchs“ abhänge. Fiedler zufolge ist es darüber hinaus eine Fehleinschätzung, wenn jemand davon ausgeht, dass auf den wachsenden Märkten in Osteuropa oder Asien ein großer Bedarf für die „abgetragene Garderobe“ aus Europa bestehe. Vielmehr gebe es ein ausgeprägtes Interesse an anspruchsvoller Antriebstechnik. Viele Kunden fragten nach mechatronischen Systemen. „In den nächsten Jahren werden unsere Hausaufgaben in Deutschland darin bestehen, das Niveau unserer Lösungen anzuheben“, so der Getriebeexperte.
Mechatronik gilt auch im Hause Ina-FAG als „absolutes Zukunftsthema“. Erste Produkte wie integrierte Lineardirektantriebe und Rundtischantriebe für Werkzeugmaschinen sollen in Hannover zeigen, wie die Mechanik-Konstrukteure mit ihren Kollegen aus der Elektromechanik die neuen Möglichkeiten nutzen. Das Fachwissen haben die Herzogenauracher im Suhler Tochterunternehmen Ina Drives & Mechatronics gebündelt. Daneben sieht Konzernchef Schullan jedoch auch Entwicklungsziele bei montagefreundlichen Baugruppen, im Condition Monitoring sowie in einer längeren Gebrauchsdauer der Produkte.
„Das Lager ist noch lange nicht ausgereizt“, sagt Schullan. Fortschritte in der Tribologie, verbesserte Fertigungsverfahren, neue Materialien und Beschichtungen sowie die Dichtungstechnik böten genug Ansatzpunkte, um zu wirtschaftlichen Lösungen zu kommen. „Natürlich arbeiten wir auch an intelligenten Einheiten, betrachten Sensortechnik, Teleservice und die Möglichkeiten der Nanotechnik. Vieles ist machbar – es muss aber auch ein Markt dafür vorhanden sein“, betont Schullan.
Aus der Sicht von Bosch Rexroth gibt es zwei weitere Bereiche, die die Entwicklung der Komponenten stark beeinflusst haben: die dezentrale Automatisierung, die eine feldbusfähige und einfach zu steuernde Hydraulik erforderlich machte und ein klares Ziel vorgibt. Für den Anwender muss es unerheblich sein, ob er einen elektrischen, pneumatischen oder hydraulischen Antrieb betreibt. Auch der Kundenwunsch nach niedrigeren Lebensdauerkosten zählt. Als Extra gilt das Branchenwissen: Dieses muss der Hersteller mit Software zur Verfügung stellen. Ein Beispiel dafür sind branchenspezfische Motion-Control-Lösungen, in die die Anforderungen von Kunststoffmaschinen einprogrammiert sind.
In der Pneumatik zeigt sich der Trend zur Dezentralisierung beispielsweise daran, dass Ventilinseln über Ethernet in die Automatisierung eingebunden werden. „Mit der Integration vorverarbeitender Logik haben wir seit zehn Jahren Erfahrungen gesammelt“, sagt Festo-Vorstandssprecher Dr. Veit. Diesen Weg werde das Unternehmen zukünftig weiter verfolgen.
Aber auch wenn ihre Technik noch so fortschrittlich ist, kommen die Anbieter am Einfluss der Entwicklungen in China nicht vorbei. Das zeigt sich unter anderem am weltweit steigenden Stahlbedarf, der zu einem großen Teil auf die Nachfrage aus der Volksrepublik zurückzuführen ist. Die höheren Rohstoff-Preise steigerten beispielsweise die Herstellkosten von Motoren in den vergangenen drei Jahren um rund 15 %, so dass sich die Hersteller laut ZVEI angesichts ihrer knappen Margen von etwa 3 % im Jahr 2003 gezwungen sehen, die Kosten an die Kunden weiterzugeben. Allerdings haben die europäischen Motorenhersteller einen Materialpreisindex eingeführt, um die Preisanpassungen auf eine „transparente und kalkulierbare Basis“ zu stellen (Infos unter www.cemep.com).
Die Stahlknappheit belastet auch das Geschäft der Lagerhersteller, die die Preisänderungen nicht komplett auf die Schultern der Anwender verlagern. Entkommen können sie dem globalen Trend nicht, denn laut Ina-FAG-Chef Robert Schullan „gibt es für uns keine Alternative zu Stahl“.
Auch indirekt beeinflusst das Geschehen in Asien die europäischen Antriebshersteller, wie Clemens Blum, Geschäftsführer der Berger Lahr GmbH & Co. KG, betont. „Ohne China wären wir nach dem Platzen der Internet-Blase in den USA und Europa in eine tiefe Rezession gestürzt“, sagt der Experte für elektrische Antriebstechnik. In den vergangenen Jahren sei rund ein Drittel des weltweiten Wachstums beim Bruttosozialprodukt auf China zurückzuführen gewesen. Dort gibt es laut Blum aber eben nicht nur den Markt, der auf den Import von Werkzeugmaschinen und Komponenten wartet, sondern auch eine wachsende eigene Produktion.
In Konkurrenz zu bisher etablierten Herstellern würden chinesische Anbieter ihre Maschinen auch in Japan, Europa und den USA auf den Markt bringen, so dass mit einer Verschiebung bisheriger Schwerpunkte zu rechnen sei: Einfachere Maschinen kommen laut Blum in nicht allzu ferner Zukunft aus China, weshalb japanische Anbieter sich stärker in das Segment komplexer Maschinen bewegen würden – in dem sich bisher die Europäer sehr zu Hause fühlten.
Längst nicht alle Komponentenanbieter würden diesen Wechsel unbeschadet überstehen. „Wenn sich die einheimischen Maschinenbauer neue Nischen im High-Tech-Bereich suchen, muss uns das auch als Antriebshersteller beschäftigen“, betont der Entscheider aus Lahr. Mehr Produkte, Varianten und Funktionen müssten in Zukunft angeboten und erheblich schneller als bisher verwirklicht werden. Gerade für die Antriebshersteller sei darüber hinaus wachsender Kostendruck absehbar, und komplexe Produkte könnten nur noch mit Support auf den Markt kommen.
Dass es Service und Beratung sein werden, die selbst unter Premium-Produkten zur Differenzierung führen, bestätigt auch Ina-FAG-Chef Schullan. Wittenstein-Vertriebsleiter Fiedler hält das im Hinblick auf die Globalisierung für besonders wichtig, weil hier das offene Auftreten gegenüber den internationalen Kunden zähle. Er räumt jedoch ein: „Für Mittelständler ist das eine besonders schwierige Aufgabe, da sie bei Auslandsaktivitäten nicht auf die Rückendeckung eines weltweit agierenden Konzerns hoffen können.“ Wenn diese Offenheit, kombiniert mit dem technischen Know-how, die Messe prägt, wäre das vielleicht der beste rote Teppich, den sich Aussteller und Veranstalter für die internationalen Besucher wünschen könnten.
Gut ist eine Messe, wenn sie Branchenwissen der Anwender zeigt
Stahlpreise machen sich bei Motoren und Lagern bemerkbar

Globalisierung

Prognose 2010
Hauptmarkt:
Asien, vor allem China
Techniktrend:
Niedrigere Kosten, wiederverwendbare Applikationssoftware

Hydraulik

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Prognose 2010
Hauptmarkt:
Europa, Asien (vor allem China)
Techniktrend:
Software, in der Anwendungs-Know-how abgelegt ist

Lager/Lineartechnik

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Prognose 2010
Hauptmarkt:
Asien (China, Indien)
Techniktrend:
Stärkere Integration von Sensoren und Funktionen

Pneumatik

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Prognose 2010
Hauptmarkt:
China, Russland, Indien
Techniktrend:
Vorsprung durch Technologie und Wissen, um Kundenwünsche zu erfüllen

Elektrische Antriebe

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Prognose 2010
Hauptmarkt:
China/Indien/Asien, Osteuropa
Techniktrend:
Industrieanzeiger
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