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Hologramme schützen das Original

Produktpiraterie: Erfolgreiche Produkte werden reihenweise nachgebaut
Hologramme schützen das Original

Die Investitionsgüterindustrie gerät immer häufiger ins Fadenkreuz von skrupellosen Fälschern und Raubkopierern. Herkömmliche Etiketten auf der Verpackung oder eine Seriennummer auf dem Produkt sind kein Hindernis für professionelle Plagiatoren. Wirklichen Schutz bietet nur ein Sicherheitsmanagement, das die gesamte Wertschöpfungskette umfasst.

Tatort Linqing City in der chineschen Provinz Shandong im Juli diesen Jahres. In mehreren Lagerräumen entdecken Ermittler palettenweise gefälschte Wälzlager mit dem Markenaufdruck FAG des Schweinfurter Herstellers Schaeffler. Der Händler erhält eine saftige Strafe, die Wälzlager landen auf dem Schrottplatz. „Leider kein Einzelfall“, sagt Robert Schullan, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) in Bayern und Vorsitzender der Geschäftsleitung Schaeffler Gruppe Industrie in Schweinfurt. Fast täglich hat das Unternehmen mit Fälschungen zu tun. „Eigentlich ist unser gesamtes Produktprogramm betroffen“, umreißt Schullan das Ausmaß.

Der Wälzlagerhersteller unterhält seit mehr als einem Jahr einen konzerninternen Arbeitskreis, um den Kampf gegen die Produktpiraterie zu koordinieren. Der Aufwand, den das Unternehmen zur Sicherung seiner Produkte vor Fälschern und Plagiatoren betreibt, ist hoch: Die Schäffler Gruppe jagt Fälscher mit Detektiven und eigenen Ermittlungsteams und arbeitet eng mit lokalen Polizeibehörden und dem Zoll zusammen. Zudem nutzen die Schweinfurter sichtbare und unsichtbare Sicherungsmarkierungen, mit denen sie ihre Wälzlager, Motorbauteile und anderer Anlagenkomponenten identifizieren.
Größere Wälzlager werden zum Beispiel mit einer so genannten Farbkipp-Effektfolie gekennzeichnet, die auch nach jahrelangem Einsatz des Produkts dokumentieren, dass es sich um ein Originalteil handelt. Diese maßgeschneiderte Produktmarkierung basiert auf einer nano-optischen Signatur, die direkt auf den Wälzlagern und nicht, wie bei Standardlösungen üblich, auf der Verpackung angebracht ist.
Anbieter dieser Sicherheitsinlays ist die Erlanger Identif GmbH. Das Unternehmen setzt eine spezielle Dünnschichttechnik ein, um derartige Sicherheitsmerkmale aufzubringen. Dieses so genannte Brandsealing besteht aus Farbschichten, die sich aus mikroskopisch kleinen Metallclustern zusammensetzen. Ändert sich der Sichtwinkel auf das Etikett, dann wechselt auch der Farbeindruck. Dieser Farbumschlag-Effekt, neudeutsch Color Switch, und die zugrunde liegenden Reflexionseigenschaften lassen sich bei der Herstellung genau definieren. Ein spezieller Handscanner liest die schillernde Farbschicht maschinell aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fälscher das ohne weiteres nachmachen können“, sagt Identif-Geschäftsführer Hans-Günther Bochmann.
Für das fälschungssichere Markieren gibt es eine Vielzahl von Verfahren. Unsichtbare Hologramme, Data-Matrix-Codierung und digitale Wasserzeichen sind nur einige Beispiele, mit denen Firmen bereits erfolgreich Produktpiraten abschrecken. Die Hamburger Tesa Scribos GmbH bietet klebbare Etikette, die neben einem sichtbaren Sicherungscode auch Daten speichern. Dieser so genannte „Holospot“ hat extrem hohe Haftungseigenschaften. Jeder Versuch, das Etikett mechanisch vom Untergrund zu entfernen, hinterlässt unübersehbare Spuren. Für die einwandfreie Identifizierung ist ein spezielles Lesegerät notwendig, das die verborgenen Daten zugänglich macht. Durch die Kombination aus sichtbarer und unsichtbarer Codierung verspricht Tesa ein hohes Maß an Kopierschutz.
Data-Matrix-Codierungen sind in der Elektronik- und Automobilindustrie immer häufiger anzutreffen. Der zweidimensionale Code unterliegt der internationalen Standardisierung nach ISO/EC und hat gegenüber dem Barcode einen entscheidenden Vorteil: Mit der maschinenlesbaren Markierung lassen sich auf derselben Fläche bis zu hundertmal mehr Informationen speichern als mit einem vergleichbaren Barcode. Mit dieser Datendichte lassen sich sehr detaillierte Informationen per Drucker oder Lasergravur auf einem Werkstück anbringen. Einige Hersteller, darunter die HPS GmbH aus Bernsheim, bauen Markier- und Lesestationen, mit denen sich auch sehr kleine Bauteile direkt beschriften lassen. Durch die Kombination aus Seriennummer und kundenspezifischen Informationen bietet der Data-Matrix-Code einen guten Schutz gegen Produktpiraten. Denn es ist unmöglich, durch nachträgliche Veränderungen am Code den Inhalt zu manipulieren.
Einen Schritt weiter gehen dreidimensionale Kennzeichnungen. Der Banknotenhersteller Giesecke & Devrient erzeugt mit einem speziellen Gravierverfahren ein dreidimensionales, optisch variables Bild, das auf Papier- oder Kartonverpackungen aufgebracht wird. Bei direkter Aufsicht erkennt man flächig das Motiv, mit dem Finger kann man die taktile Prägung fühlen. Durch Kippen der Verpackung erkennt der Betrachter das Relief der Prägung und die darin enthaltene Information. „Das Design ist nicht starr, sondern kann individuell nach Kundenwunsch gestaltet werden“, erklärt Oliver Paul, Projektmanager Produkt- und Markenschutz bei Giesecke & Devrient. Der Pharmakonzern Bayer beispielsweise markiert bestimmte Medikamente mit seinem Logo. Das Verfahren lässt sich aber auch in jeder anderen Branche einsetzen: „Es handelt sich um eine Kombination aus Druck- und Prägetechniken, die ohne großen Kostenaufwand in Fertigungslinien oder im Verpackungsbereich integriert werden kann“, sagt Paul.
Die Simons Druck GmbH aus Nottuln hat sich bei ihrem Produktsicherungssystem auf die Farbpigmentierung spezialisiert. Die Partikel, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind, bestehen aus Farbcodes, die sich aus verschiedenfarbigen Schichten eines extrem widerstandsfähigen Kunststoffs zusammensetzen. Anhand der Farbschichten lassen sich mit der Grundversion rund 4,3 Mrd. verschiedene Farbcodes definieren und einem bestimmten Produkt oder einem einzelnen Hersteller zuordnen. Die Zahl der möglichen Codes unterliegt keiner Begrenzung.
Hersteller, denen diese Verfahren zu aufwendig sind und die deshalb keine Vorkehrungen treffen, laufen Gefahr, dass ihre Produkte plötzlich auf den Angebotslisten fremder Firmen auftauchen. In Fachkreisen gilt längst die Regel, dass Nachahmer sofort zuschlagen, wenn es keine Barrieren gibt. „Erfolgreiche Produkte werden reihenweise nachgebaut“, betont Christine Lacroix, Geschäftsführerin der Plagiarius Consultancy GmbH. Dabei entstehen die Schäden nicht nur durch das entgangene Geschäft und die oft miserable Qualität der Fälschung. Über kurz oder lang leidet auch das Firmenimage unter dem Missbrauch der Marke. Die seit 1977 aktive Aktion Plagiarius kennt Fälle, in denen Firmen durch Verletzung gewerblicher Schutzrechte an den Rand des Ruins getrieben wurden. „Die Kopierer verdienen sich eine goldene Nase und der Originalhersteller bleibt auf seinen Entwicklungskosten sitzen“, mahnt Lacroix.
Andreas Beuthner Fachjournalist in Buchendorf
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