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Holpriger Weg vom Campus zur Werkhalle

AiF-Projekte helfen High-Tech-Gründern auf die Beine
Holpriger Weg vom Campus zur Werkhalle

Von der Uni zum eigenen Unternehmen: Das hat Steffen Albrecht mit seiner Dresdner Pretec GmbH geschafft. Dabei nutzte er das Netzwerk der AiF. Das gelang nicht ohne Probleme: Ein wichtiger Software-Partner musste inzwischen die Segel streichen.

Stefan Schroeter ist Journalist in Leipzig

Über Platzmangel kann bei der Pretec Schneidtechnologien GmbH niemand klagen. Die Produktionshalle im Süden von Dresden, in denen früher ein Mühlen-Hersteller zu Hause war, ist für größere Dimensionen ausgelegt. Die modernen CNC-Blechbearbeitungs-Maschinen nehmen nur einen kleinen Teil der Fläche ein. Die konventionellen und CNC-gesteuerten Dreh-, Bohr und Fräsmaschinen, die Pretec von dem Mühlen-Hersteller übernahm, stehen noch in der Nachbarhalle. „Sie werden demnächst hierher umziehen“, kündigt Pretec-Geschäftsführer Steffen Albrecht an. Auch dann bleibt noch genügend Platz für Zuwächse.
Den wird das Unternehmen sicher benötigen. Seit seiner Gründung 1995 ist der Blechbearbeitungs-Spezialist ständig gewachsen. Bei den jetzt 28 Mitarbeitern und 3,5 Mio. DM Jahresumsatz dürfte es deshalb nicht lange bleiben. Derzeit denkt Albrecht über den Kauf neuer Maschinen nach: „Wir arbeiten jetzt schon in drei Schichten. Da haben wir keine Reserven mehr.“
Pretec hat sich in der Branche inzwischen einen Namen als Spezialist für anspruchsvolle Laser- und Wasserstrahl-Zuschnitte gemacht. Die Halbleiter-Fabrikanten AMD und Infineon lassen dort Edelstahlteile für ihre Reinsträume fertigen. Diese müssen höchsten Ansprüchen an die Oberflächengüte gerecht werden. Geschäftsführer Albrecht fallen jede Menge Produkte ein, die er herstellt: Läufer- und Rotorbleche für Motorenhersteller, Teile für die Sitzmechanik in Mercedes-Bussen, aber auch Panzerglas für Bankgebäude und Stahlträger für das Glasdach am Lehrter Bahnhof in Berlin. In Berlin, Hannover und Shanghai fahren Metro-Wagen aus Aluminium-teilen, die bei dem Schneidspezialisten Pretec gefertigt wurden
„Wir machen keine Standard-Teile“, erklärt der Geschäftsführer. Gute Qualität und kurze Lieferzeiten führt er als Grund dafür an, dass inzwischen nicht nur sämtliche Maschinen- und Anlagenbauer der Dresdner Region zum Kundenstamm zählen, sondern die Hälfte des Umsatzes überregional erwirtschaftet wird. Bei monatlich rund 400 Aufträgen mit jeweils bis zu fünf unterschiedlichen Positionen spielt eine effizente Fertigungs-Organisation die entscheidende Rolle. Albrecht schwört dabei auf die von ihm mit entwickelte Software Top Cut. Damit lassen sich die Maschinen unterschiedlicher Hersteller schnell und einfach für neue Aufträge einrichten. Bei Auslastungs-Spitzen können die Aufträge auch zwischen den Maschinen ausgetauscht werden: Sind beispielsweise die Lasermaschinen ausgelastet und kann ein Auftrag auch mit einer Wasserstrahlmaschine bearbeitet werden, müssen nur die Dateien umgeleitet werden.
An dieser Software arbeitet Albrecht schon seit Anfang der 90er Jahre mit, als er noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität nach neuen Fertigungsmethoden forschte. Am Lehrstuhl Urform- und Umformtechnik war bereits zu DDR-Zeiten eine übergreifende Software für verschiedene Blech-Bearbeitungsmaschinen entwickelt worden. Später wurde daraus ein Forschungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsgemeinschaften AiF, in das auch das Berliner Softwarehaus Flexicon GmbH und das Institut für Informatik in Entwurf und Fertigung (IIEF) in Berlin mit einbezogen wurde.
Forschungsergebnisse mit Neugründung praktisch umsetzen
Während die Dresdner und Berliner Wissenschaftler die grundlegenden Funktionen des Programms entwickelten, war Flexicon für die benutzerfreundliche Bedien-Oberfläche zuständig. Um die Forschungsergebnisse praktisch umsetzen zu können, gründete Albrecht 1995 gemeinsam mit Flexicon und dem Berliner Blechbearbeitungsunternehmen Pretec Präzisionstechnologien GmbH die Pretec Schneidtechnologien GmbH Dresden. Zunächst vermittelte die Dresdner Pretec als Ingenieurunternehmen Fertigungsaufträge und wählte die Produktionsverfahren für die in Auftrag gegebenen Teile aus. 1996 konnte das Unternehmen aber schon eine kleine Hochdruck-Wasserstrahl-Schneidanlage kaufen und wurde damit selbst zum Produzenten. In den folgenden Jahren wuchs der Maschinenpark Schritt für Schritt weiter, so dass Pretec inzwischen komplette Baugruppen bis hin zur Farbgebung fertigen kann.
Dabei haben die Dresdner ständig gemeinsam mit Flexicon daran ge-arbeitet, die Top Cut-Software weiter zu entwickeln: „Wir haben die Beta-Versionen der Software getestet, sie an neue Maschinen angepasst und neue Funktionen bei der Flexicon in Auftrag gegeben“, beschrieb Steffen Albrecht den eigenen Beitrag. Das brachte den Dresdnern zwar jede Menge Arbeit ein, sicherte ihnen aber auch einen Vorsprung vor der Konkurrenz: „Wir konnten als erste die neuen Funktionen nutzen“, erklärt Geschäftsführer Albrecht einen Vorteil der Kooperation.
Auf ähnliche Weise lief der Austausch zwischen Flexicon und der Berliner Pretec bei dem Betriebs- und Fertigungsorganisationssystem BDO. Das Programm setzen auch die Dresdner ein. Dieser gegenseitige Austausch scheint nun aber beendet zu sein, nachdem die Flexicon Insolvenz beantragen musste. Albrecht rechnet jetzt damit, dass er sich langfristig nach einer neuen Software umsehen muss. „Wir können die Programme noch eine Zeit lang einsetzen. Aber die Weiterentwicklung ist nun nicht mehr gesichert.“ Auch ein jüngeres gemeinsames Forschungsprojekt unter den Fittichen der AiF hat jetzt eine ungewisse Zukunft: Ein neuartiges Gerät hatten sie geplant, das die Hälfte des beim Wasserstrahlschneiden verwendeten Abrasiv-Sandes wieder nutzbar machen kann.
Vom Aus der Flexicon sind auch andere betroffen: so die ATJ Autotechnik GmbH im erzgebirgischen Johanngeorgenstadt. Der Spezialist für leistungssteigernde Auspuffanlagen hatte gemeinsam mit den Berlinern ein Baukastensystem für seine Nachrüstsätze und ein Fertigungsverfahren entwickelt. Die AiF besorgte dabei nicht nur den Partner, sondern übernahm auch einen Teil der Entwicklungskosten. Das Resultat ist ein System, das ATJ weltweit wettbewerbsfähig macht. Mit standardisierten geometrischen Formen wird die Grundanlage an die unterschiedlichen Karossen angepasst. „Damit können wir die meisten Autotypen abdecken“, erklärt Geschäftsführer Siegfried Ott.
Wie schnell die Entwicklung neuer Auspuff-Typen damit geht, erklärt er am Beispiel der zuletzt entwickelten Anlagen für den Honda Civic Coupé und den Ford Mondeo 2001: Ganze drei Tage brauchten Ott und seine Leute dafür. Solche Schnelligkeit und Flexibilität wird auch im Ausland honoriert: Ein Viertel der Anlagen wird inzwischen nach Westeuropa, Japan und in die USA exportiert. Mit Flexicon und AiF-Unterstützung wollte Ott ein spezielles Vermessungs-system für die Auspuffanlagen entwickeln. Geschäftsführer Ott hat schon reagiert: „Inzwischen haben wir aber einen anderen Partner gefunden.“
Das AiF-Netzwerk
Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) sieht sich als Systemanbieter der Forschungs- und Entwicklungsförderung für den innovativen Mittelstand.
Sie verfügt über ein industriegetragenes Innovationsnetzwerk, das über 100 industriellen Forschungsvereinigungen mit etwa 50 000 Unternehmen, rund 800 eingebundene Forschungsstellen sowie zwei Geschäftsstellen der AiF in Köln und Berlin umfasst. Die AiF betreut als Partner des Bundes unterschiedliche Fördermaßnahmen und vergibt selbst rund 0,5 Mrd. DM öffentliche Mittel im Jahr.
Infos: www.aif.de
Steckbrief: Pretec
Firmierung: Pretec Schneidtechnologien GmbH Dresden
Leistungsspektrum: Spezialist für anspruchsvolle Laser- und Wasserstrahl-Zuschnitte. (Inzwischen kann das Unternehmen komplette Baugruppen bis hin zur Farbgebung fertigen.)
Umsatz: Jahresumsatz 2000 rund 3,5 Mio. DM, 28 Mitarbeiter
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