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Im Maschinenbau kommen softe Faktoren auf Touren

Fabrik der Zukunft ist IT-gesteuert
Im Maschinenbau kommen softe Faktoren auf Touren

Von der Vorkalkulation und Planung über die Montage und Instandhaltung bis hin zur umweltgerechten Entsorgung muss der Datenfluss in der Fabrik durchgängig laufen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Dipl.-Ing. Achim Scharf ist Fachjournalist in München

Die Globalisierung hat eine nicht enden wollende Preisspirale nach unten in Gang gesetzt. In fast allen Industriestaaten untersuchten Betriebe im Rahmen von Re-Engineering-Projekten ihre Geschäftsprozesse auf Optimierungsmöglichkeiten hin. Vor allem als Reaktion auf rasch wechselnde Veränderungen des Umfeldes entstanden hochproduktive und sehr flexible Fertigungsorganisationen. Hier tragen IT-Techologien dazu bei, die verschiedenen Stufen der Produktion intelligent zu verknüpfen und die richtigen Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereit zu stellen.
Es kommt nicht mehr darauf an, Automatisierungssysteme einzeln zu optimieren, sondern Hard- und Software-Inseln durch Informationstechnik zur intelligenten Fabrik zu verbinden. Die Automobilbranche ist traditionell Vorreiter. Eine neue Runde von Produktivitätsverbesserungen ist nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie bereits eingeläutet. Einige Zulieferer haben darauf reagiert: „Um für unsere Kunden in dieser Branche weiterhin der bevorzugte Lieferant zu bleiben, müssen wir rechtzeitig Trends erkennen und diese in Produkte umsetzen, die zusätzlichen Kundennutzen bringen. Wir haben daher ein Competence Center Automotive installiert, das gemeinsam mit Partnern umfassende Automatisierungskonzepte für den Karosserierohbau und weitere Fertigungsbereiche entwickelt“, so Helmut Gierse, Vorsitzender des Siemens-Bereichs Automation & Drives (A&D auf der Hannover Messe in Halle 9, Stand A72). „Gemeinsam mit den Automobilherstellern und Anlagenlieferanten werden neue Automatisierungskonzepte auf ihre Produktivität optimiert, in Piloteinsätzen getestet und zur Serienreife geführt.“
Noch steht die Just-in-time-Produktion mit der Optimierung der Lieferkettenanbindung im Vordergrund. Die Aufträge werden über Electronic Data Interchange (EDI) abgewickelt. Eine manuelle Neueingabe der Daten entfällt. Über das Internet können Unternehmen das EDI-System besser nutzen, besonders wenn Aufträge mit kleinen Stückzahlen abgewickelt werden sollen. Dies zeigt sich besonders im Ersatzteil- und After-Sales-Geschäft. Allerdings werden bisher nur die vorhandenen Prozesse abgebildet, bei denen immer noch das Lager im Mittelpunkt steht. Künftig wird erst produziert, wenn der Auftrag des Kunden vorliegt und die Ware ihm auf kurzen Wegen direkt zugestellt werden kann.
Siemens entwickelte für die Just-in-time-Fertigung ein individuelles Produktionsleitsystem. Es umfasst die Materialfluss- und Logistiksteuerung vom Abruf bis hin zur Reihenfolge-gerechten Anlieferung von Kabelbäumen an die Verbauorte. Das System koordiniert Wareneingang, Nachschublager, Kapazitätspuffer, Kommissionierung, Fertigung und Warenausgang und ist auf den jeweiligen Automatisierungsgrad des Zulieferbetriebes angepasst.
Für Klaus-Peter Marwinske ist jedes Auto „im Grunde genommen ein Unikat“. Grund: „Die verschiedenen Kundenwünsche bei elektrischen Optionen und der Motorisierung fordern die Just-in-time-Fertigung geradezu heraus. Moderne Produktionsplanungssysteme helfen hier, Zeit und Kosten zu sparen“, meint der Bereichsleiter in der Siemens-Sparte Anlagenbau und Technische Dienstleistungen (Halle 15, Stand A14). Marwinske stellt sich das so vor: „Mit dem Bestelleingang wird ein Fertigungsauftrag generiert, das Auto im Rohbau konzipiert und der Fertigungsauftrag elektronisch im EDI-Format in das PPS-System des Zulieferers eingespeist. Das System generiert daraus einen Fertigungsauftrag, der alle Spezialitäten berücksichtigt.“ Vorteil für den Automobilbauer: Er fertigt mit diesem System nicht mehr auf Verdacht, sondern nur noch entsprechend der eingehenden Kundenaufträge. Das große Plus dieses Vorgehens formuliert der Siemens-Manager so: „Änderungswünsche lassen sich unproblematisch und schnell einbringen. Probleme in der Logistik können frühzeitig erkannt werden, was mögliche Verzögerungen in der Produktion verringert.“
In produzierenden Unternehmen haben sich laut Klaus-Peter Marwinske sechs Verlustquellen herauskristallisiert: Anlagenausfälle, Rüst- und Einrichtzeiten, Leerlauf und organisatorische Kurzzeitstillstände, Performance-Verluste durch verringerte Taktzeiten, Anlaufschwierigkeiten und Inbetriebsetzung sowie mangelnde Qualität. „Aber erst die Kenntnis und Messbarkeit der Faktoren Verfügbarkeit, Performance, Qualität und Anlageneffektivität gestatten eine Verbesserung“, stellt Marwinske klar.
Erreicht werden soll dies mit Hilfe wissensbasierter Lösungen. Sie enthalten verschiedene Formen von Modellen, in denen vor allem Zusammenhänge zwischen technologischem Wissen und automatisierungstechnischem Wissen abgebildet sind. Entscheidend ist, dass diese Modelle beim Generieren von Schlussfolgerungen lernfähig sind. Diese Fähigkeit ermöglicht zum einen eine immer besser werdende Zuverlässigkeit der Schlussfolgerungen für die Instandhaltung und zum anderen eine gute Adaption an die Veränderungen innerhalb der Produktion. Alle vorhandenen Signale aus dem Automatisierungssystem lassen sich permanent aufzeichnen, bewerten und aus den Daten instandhaltungsrelevante Kenngrössen der aktuellen Situation ableiten.
Basis dieser Datenanalyseverfahren ist ein objektorientiertes Modell, das neben den technischen Komponenten auch technologische Zusammenhänge in Form von Regeln und/oder Constraints repräsentiert. Mit den verdichteten Daten lassen sich Instandhaltungsmaßnahmen zustandsorientiert planen und ausführen. „Das Nutzenpotenzial derartiger IT-Lösungen ist stark vom Automatisierungsgrad der Fertigung abhängig und kann zu einem Reduzieren der Instandhaltungsaufwendungen oder Erhöhen der Anlagenverfügbarkeit von 5 bis 15 Prozent führen“, hebt Siemens-Bereichsleiter Marwinske hervor.
Bei der Analyse des Informationsflusses der Daten und Dokumente im Anlagenlebenszyklus zeigt sich schnell, dass immer wieder gleiche Daten unter verschiedenen Gesichtspunkten benötigt werden. „Ist dies während der Errichtungsphase noch weitestgehend in der Hand des Anlagenbauers, muss spätestens beim Modernisieren bestehender Anlagen nach einer Integration in bestehende Systemlandschaften gesucht werden. Vorhandene Informationen müssen effizient genutzt werden, um Zusammenhänge richtig beurteilen zu können. Dabei fehlt häufig die Anbindung an Informationsbestände, die Wissen zu Maschinen und Teilen beinhalten. So sollte sich beispielsweise aus einer SAP-Bestellliste automatisch ein Handbuch zu dieser Bestellung generieren lassen, oder ein Service-Ingenieur über das Internet als Hilfe zu bestimmten Fehlern einer Maschine sofort die notwendigen tagesaktuellen Informationen erhalten“, fordert Klaus-Peter Marwinske.
Die Fabrik der Zukunft müsse deshalb mit dem etablierten Bringprinzip brechen, das häufig zu einer Datenüberflutung führe, ohne die entscheidenden Informationen an den richtigen Adressaten zu übermitteln. Das Holprinzip hingegen ermöglicht laut Marwinske eine bedarfsgerechte Versorgung mit Informationen. In einem abgestuften Informationsmanagement erhalte ein Manager dann nur die für die jeweilige Situation relevanten Informationen. So würden intelligente Systeme in der Fertigung marktrelevante Daten (etwa Bestellgröße oder Sonderwünsche) mit fertigungstechnischen Daten (Restriktionen der Produktion oder Kapazität der Pufferlager) verdichten und sie in Beziehung setzen.
Mit der Verknüpfung aller prozessrelevanten Parameter mit dem Endprodukt und der Repräsentation dieser Daten in einem geeigneten Modell lassen sich beim Auftreten von Qualitätsmängeln die Ursachen für diese Abweichungen aufdecken. Ein weiterer Informationsfilter kann Entscheider mit Informationen über zentrale Unternehmenskenngrössen wie Produktions-, Stillstands-, Warte- und Liegezeiten sowie Ausstoß, Maschinenausnutzung, Auslastung oder Produktionsengpässe versorgen. Wissensbasierte Maintenance-Systeme liefern Informationen über Verfügbarkeit, Performance, Qualität und Effektivität. „Unser Bereich setzt IT-Technologie offensiv ein, auch für Internet-Anwendungen. Wir machen Industrieautomatisierung zu einem guten Beispiel für die True Economy, der New Economy mit Substanz“, formuliert Helmut Gierse die A&D-Philosophie. Bereits heute könnten Maschinen selbst per E-Mail oder via SMS Service-Techniker anfordern. Künftig würden Service-Fachleute von einer Zentrale aus über Internet Wartungskräfte mit Augmented-Reality-Datenbrillen bei Reparaturen unterstützen können. Die Zielsetzung ist klar: „Wir wollen damit die Voraussetzungen für E-Manufacturing schaffen“, gibt Gierse die Marschrichtung vor.
Das IT-Angebot auf der Messe: Schöne neue Fabrikwelt
Wer hätte das gedacht: Maschinensoftware kommuniziert über das WAP-fähige UMTS-Handy mit der beim Softwareprovider installierten Anwendungssoftware. Schöne neue Fabrikwelt. Kein anderes Marktsegment verändert sich so rasch und nachhaltig wie die Software- und IT-Branche – auch oder gerade im industriellen Umfeld, wo Fertigung, Konstruktion, Vertrieb und die Pflege der Kundenbeziehung zu einer Einheit zusammenwachsen müssen.
Wenige Wochen nach dem IT-Spektakel Cebit wird auf der Hannover Messe die Anwendung von Software in Konstruktion, Produktion, Lagerverwaltung, Arbeitsvorbereitung und Konvergenz gezeigt. Gemeint ist die durchgängige Anwendung von Standards, Schnittstellen und Funktionen, die eine immer wichtigere Rolle spielen. Das Zusammenwachsen von Sprache und Daten wird sowohl in der Telekommunikation als auch in der IT-Welt so bedeutsam, dass aktuelle und künftige Software-Komponenten, Netzwerke und Server-Plattformen schon heute Integrations-Portalen und -Plattformen entsprechen müssen.
Teure und störanfällige Strippen entfallen mehr und mehr zugunsten von Datenfunkstrecken in zellularen Netzen oder LAN (Local Area Network), wie sie derzeit im Mobilfunk angewandt werden. Ergänzt wird die Datenübermittlung durch die zentimetergenaue Ortung von Gütern über GPS-Systeme.
Die Fachmesse Industrial IT & Software in Halle 14 und 15 wendet sich gezielt an Praktiker. Mehr als 300 Aussteller zeigen ERP- und PPS-Programme, Netzwerke, Datenfunk sowie Management-Informationssysteme und Datenbanklösungen.
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