Startseite » Allgemein »

Im Sog des Roten Riesen

Südostasien: Wachstumsmärkte profitieren vom China-Boom
Im Sog des Roten Riesen

Während sich die Wirtschaftswelt ganz auf China zu konzentrieren scheint, treten die Länder Südostasiens aus ihrem Schattendasein heraus. Mit politischer Stabilität, Rechtssicherheit und niedrigen Arbeitskosten bieten sie interessante Investitionsalternativen.

Von unserem Redaktionsmitglied Jens-Peter Knauer jens-peter.knauer@konradin.de

Für Ulrich P. Hermani, Geschäftsführer des VDMA Baden-Württemberg, gehört Vietnam zu den interessantesten Märkten Asiens: „Während sich die Wirtschaftswelt ganz auf China konzentriert, wächst das Bruttoinlandsprodukt Vietnams seit mehreren Jahren mit einer Rate von fast konstant sieben Prozent“, erklärt er. Das Wachstum der Industrieproduktion sei sogar zweistellig. Damit gehört Vietnam nach Angaben der Weltbank seit mehreren Jahren zu den drei sich am dynamischsten entwickelnden Volkswirtschaften weltweit.
Ähnlich stabil entwickeln sich die anderen Länder Südostasiens. Seit der großen Wirtschaftskrise Mitte der 90er-Jahre geht es stetig aufwärts. Im Unterschied zu China droht die Konjunktur in den so genannten Tigerstaaten nicht zu überhitzen. Andererseits profitieren sie vom Sog des großen Nachbarn im Norden: Die Exportabhängigkeit von den USA wird durch den China-Boom deutlich reduziert.
Optimismus verbreiteten die rund 800 Teilnehmer der 10. Asien-Pazifik-Konferenz, die im November in Bangkok stattgefunden hat. Sie zeigten sich überzeugt, dass der Exportanteil der deutschen Industrie für diese Region bald die 15-%-Marke erreichen wird.
Unternehmen investieren bislang überwiegend in den Energiesektor, die Automobilindustrie, die Infrastruktur, die Telekommunikation, die Bekleidungsindustrie und den Anlagenbau. Auch der Mittelstand ist nicht untätig: Die Häfele GmbH & Co. KG aus Nagold beispielsweise unterhält in Thailand einen ihrer 30 Auslandsstandorte. Das schwäbische Familienunternehmen, das Beschlagteile für die Möbelindustrie produziert, hat von Anfang an darauf gesetzt, eigene Niederlassungen zu gründen statt Joint Ventures einzugehen. Mit dem Standort sei man hochzufrieden, sagt Volker Hellstern, Geschäftsführer von Häfele Thailand.
Größere Konzerne sind schon länger vor Ort und expandieren weiter: Erst im Dezember eröffnete Akzo Nobel eine neue Lackfabrik in der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt. „Am alten Standort war ein weiteres Wachstum nicht mehr möglich, denn er war voll ausgelastet“, erklärt DCI-Geschäftsführer Jan Andersson. Das Unternehmen produziert und verkauft seit 1992 Farben und Lacke in Vietnam.
„Wer in Asien erfolgreich sein will, muss in den Wachstumsmärkten investieren“, betont Ulrich P. Hermani. An China komme man ohnehin nicht vorbei, doch es lohne sich unbedingt, auch einen Blick in die Länder der Region zu werfen, die mit der Industrialisierung am weitesten vorangekommen sind.
Blickpunkt Thailand:
Die Regierung plant für 2005 einen realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 6 %. Die Investitionen legten in den ersten acht Monaten 2004 um über 16 % zu. „Insbesondere die Privat- und die ausländischen Direktinvestitionen weisen einen deutlichen Aufwärtstrend auf“, berichtet Udo-Peter Bartsch, Korrespondent der Bundesagentur für Außenwirtschaft (Bfai) in Bangkok. Wegen der guten Inlandskonjunktur und der lebhaften Exportnachfrage rechnet das Industrieministerium für 2005 mit einem Wachstum von 17 % im Verarbeitenden Gewerbe.
Die Regierung des Königreichs beabsichtigt, vor allem die Entwicklung der einheimischen Kfz-Industrie stärker als bisher zu fördern und knapp 1,2 Mrd. Baht (rund 24 Mio. Euro) bereitzustellen, um fünf Automobilvorhaben zu realisieren. Vorgesehen sind unter anderem, die Kfz-Teilefertigung auszubauen, ein neues Test-, Forschungs- und Entwicklungszentrum zu errichten sowie den Export von Kfz-Teilen stärker zu fördern. Bereits heute laufen in Thailand jährlich mehr als 900 000 Fahrzeuge vom Band – fast genauso viele wie in Indien.
„Dem kräftig wachsenden Stahlverbrauch will Thailand mit dem Bau eines riesigen Eisenverhüttungskomplexes begegnen“, weiß der Bfai-Experte. Dieses Werk wäre nach seiner vollständigen Fertigstellung im Jahr 2019 mit einer Gesamtkapazität von 30 Mio. t pro Jahr einer der größten Stahlerzeuger der Welt.
Aufgrund der guten Geschäftsaussichten sind die meisten Unternehmen in Thailand wieder bereit, höhere Löhne und Gehälter zu bezahlen. „Für 2005 ist mit einem Anstieg von 6,1 % zu rechnen“, prognostiziert Bartsch. Die Arbeitslosenquote von 1,5 % hat aber auch ihre Schattenseiten: „Die thailändische Wirtschaft“, gibt der Bfai-Experte zu bedenken, „wird immer stärker mit dem Mangel an Fachkräften konfrontiert.“
Blickpunkt Malaysia:
Konjunkturexperten rechnen in Malaysia in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 6 %. „Angespornt durch eine stärkere Inlands- sowie eine rege Auslandsnachfrage, hat sich die Dynamik der malaysischen Wirtschaft beschleunigt“, berichtet Dr. Günther Zell, Bfai-Korrespondent in Kuala Lumpur. „Voraussichtlich wird es erneut die verarbeitende Industrie sein, die das Wachstum vorantreibt.“
Für die malaysische Automobilindustrie bringt das Jahr 2005 wichtige Veränderungen: „Durch die Umsetzung des AFTA-Freihandelsabkommens der Asean-Staaten wird sich der Konkurrenzkampf für die nationalen Autobauer verschärfen“, prognostiziert Zell.
Dem heimischen Maschinenbau misst die Regierung große Bedeutung bei. „Der Staat hat deshalb eine Reihe von Anreizen für solche Unternehmen eingeführt, die bestimmte Maschinenbauprodukte fertigen“, erklärt Zell. Interesse bestehe unter anderem an Werkzeugmaschinen, Kunststoffmaschinen, Verpackungsmaschinen, Maschinen zum Materialtransport sowie an Robotern und Automatisierungslösungen. „Einige deutsche Maschinenbauer haben sich bereits in Malaysia niedergelassen, um dort zu produzieren.“
In ihrem Bestreben, in Malaysia zu einer so genannten Leistungskultur zu kommen, setzt sich die Regierung für ein Lohnsystem ein, das sich an der Entwicklung der Produktivität orientiert. Weiterhin will sie die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte ändern, um die Abhängigkeit von diesen Beschäftigten zu vermindern. Insgesamt sind in Malaysia mehr als zwei Millionen ausländische Arbeitskräfte tätig.
Blickpunkt Vietnam:
Mit einem Anteil von 28 % am vietnamesischen Handel mit der EU ist Deutschland innerhalb der EU der größte Handelspartner Vietnams. Die deutschen Maschinenausfuhren beispielsweise haben sich seit dem Jahr 2000 nahezu verdreifacht.
Die Regierung rechnet 2005 mit einem BIP-Anstieg von 7,5 %. „Vor allem der anhaltend starke Inlandskonsum hat der Wirtschaft merklichen Auftrieb gegeben“, erklärt Bfai-Korrespondent Bartsch. Viele Betriebe erweitern und modernisieren ihre Kapazitäten, die Privatisierung von Staatsunternehmen schreitet voran.
Auch die Bedingungen für ausländische Investoren stimmen: „Politische Stabilität bei gleichzeitig niedrigen Arbeitskosten und einer hohen Leistungsbereitschaft der Bevölkerung bilden eine Konstellation, die in Asien nur selten anzutreffen ist“, schildert Ulrich P. Hermani seine in Vietnam gewonnenen Eindrücke. Hinzu kommen Traditionen und Fähigkeiten in der Metall verarbeitenden Industrie: Nordvietnam war einst ein bedeutender Hersteller von Werkzeugmaschinen.
„Mit seinem großen Potenzial an deutschsprachigen Fachkräften“, so Hermani weiter, „hat Vietnam einen weiteren Trumpf im Ärmel.“ Hintergrund: Viele Vietnamesen haben einst in der DDR gearbeitet oder studiert. „Allein im Großraum Hanoi leben rund 4000 deutschsprachige Ingenieure, die man beim Markteintritt sehr gut einsetzen kann.“
China-Boom reduziert Exportabhängigkeit von den USA
Großes Potenzial an deutschsprachigen Fachkräften

Malaysia
  • Staatsform: Föderale Monarchie
  • Fläche: 329 847 km²
  • Bevölkerung: 25,7 Millionen Ew.
  • Währung: Ringgit (1 Euro = 4,90 R)
  • Wirtschaftswachstum: 7,0 %
  • BIP/Kopf: 3904 US-$
  • Arbeitslosigkeit: 3,7 %
  • Industrie: Nahrungsmittel, Kfz-Teile, Elektronik, Automobilindustrie
  • Einfuhr aus Deutschland: elektronische Bauelemente, Maschinen, Fahrzeuge, Eisenwaren
  • Ausfuhr nach Deutschland: Elektrotechnik, Büromaschinen, Kautschukprodukte, Bekleidung

  • Thailand
    • Staatsform: Königreich
    • Fläche: 513 115 km²
    • Bevölkerung: 63,8 Millionen Ew.
    • Währung: Baht (1 Euro = 50 Baht)
    • Wirtschaftswachstum: 6,5 %
    • BIP/Kopf: 2327 US-$
    • Arbeitslosigkeit: 1,5 %
    • Industrie: Automobilindustrie, Elektronik, Computertechnik, Textilindustrie, Erdölprodukte, Zinn und Stahl
    • Einfuhr aus Deutschland: Maschinen, Anlagen, Werkzeuge, Kraftfahrzeuge, chemische, elektrische und elektronische Produkte
    • Ausfuhr nach Deutschland: Büromaschinen, Bekleidung, elektrische und elektronische Komponenten

    • Vietnam
      • Staatsform: Sozialistische Republik
      • Fläche: 331 114 km²
      • Bevölkerung: 80,9 Millionen Ew.
      • Währung: Dong (1 Euro = 20 000 D)
      • Wirtschaftswachstum: 7,5 %
      • BIP/Kopf: 475 US-$
      • Arbeitslosigkeit: 5,8 %
      • Industrie: Nahrungsmittel, Textilindustrie, Maschinenbau, Chemie
      • Einfuhr aus Deutschland: Maschinen, Elektrotechnik, Fahrzeuge, komplette Anlagen, Elektronikprodukte
      • Ausfuhr nach Deutschland: Bekleidung, Kaffee, Möbel, Fahrräder

      • Web-Tipps
        • www.bfai.de Die Bundesagentur für Außenwirtschaft informiert über Länder, Märkte, Branchen, Investitions- und Entwicklungsvorhaben, Ausschreibungen und Geschäftswünsche
        • www.oav.de Der Ostasiatische Verein fördert die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zur Asien-Pazifik-Region und unterstützt beim Auf- und Ausbau von Geschäftsbeziehungen
        • www.germancentre.com Die German Centres der LBBW helfen beim Aufbau eines eigenen Stützpunktes in zukunftsträchtigen Märkten
        • Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de