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In Nürnberg und Zerbst fing es an

Innovative Impulse aus Deutschland
In Nürnberg und Zerbst fing es an

Das Spritzgießen von Kunststoffen hat seit der Entwicklung der Einschnecken-maschine rasch ein außergewöhnlich hohes technisches Niveau erreicht.

Klaus Diebold ist Fachjournalist in Schwarzenbruck-Gsteinach

Die Weltkarriere des modernen Spritzgießens beginnt in Deutschland. Genauer: im Ankerwerk Gebr. Goller, Nürnberg, wo 1956 Herbert Goller und sein Konstrukteur Richard Herbst die Idee der Schneckenplastifizierung von Hans Beck (BASF, 1943) in die erste Spritzgießmaschine mit Schneckenkolben umsetzen. Die Innovationen in der Spritzgießtechnik reichen in Deutschland aber noch weiter zurück: Die ersten serienmäßig gefertigten Kolben-Spritzgießmaschinen werden bereits in den 20er und 30er Jahren von Eckert & Ziegler GmbH (damals Nürnberg) und der Franz Braun AG (Zerbst, Sachsen-Anhalt) hergestellt.
Ein ganzes Jahrzehnt braucht die gegenüber dem Kolben in jeder Hinsicht leistungsfähigere Schnecke, um sich an die Spritzgießmaschine und an „kolben-untaugliche” sowie neue Kunststoffe anzupassen. Auch die gesamte übrige Maschine geht konstruktiv auf die Anwendungen ein. So können bereits Anfang der 60er Jahre Schließ- und Spritzeinheit in zahlreiche unterschiedliche Arbeitsstellungen gebracht werden; die Spritzeinheit wird sogar „zweifarbig”.
In dieser Zeit beginnt auch die Entwicklung der Antriebsvarianten für die sechs Bewegungen der Maschine. Dabei setzen sich bis Anfang der 80er Jahre zwei elektrohydraulische Versionen durch:
– Die vollhydraulische Maschine, bei der auch die Werkzeugbewegung direkt hydraulisch, ohne mechanische Übertragungsglieder ausgeführt wird, und
– die Kniehebel-Schließeinheit mit einem hydraulisch angetriebenen, „energielos” zuhaltenden Kniehebel.
Um den hohen Energieaufwand für die Zuhaltung bei der vollhydraulischen Schließeinheit zu reduzieren, werden häufig zusätzliche mechanische Verriegelungen oder hydraulische Druckkissen eingesetzt.
Alternativ zum hydraulischen Antrieb der Schneckenrotation werden seit 1990 drehzahlgeregelte Drehstrom-Servomotoren eingesetzt (Hybridmaschine).
Anfang der 80er Jahre haben Nissei und Fanuc (beide Japan) die elektromechanische, „vollelektrische” Spritzgießmaschine vorgestellt. Europäische Firmen ziehen nach. Von den deutschen Herstellern bieten die Battenfeld GmbH, Meinerzhagen, mit den CDK-SE-Typen und Ferromatik Milacron, Malterdingen, eine komplette Reihe dieser Antriebsvariante.
So heißt die Frage heute: „(Voll-)Hydraulisch, hybrid oder vollelektrisch?”. Die Demag Ergotech GmbH, Schwaig, zeigt seit der K‘98 wie die hybride Lösung der Zukunft aussehen kann: Zusätzlich zur zentralen Speicherhydraulik , notwendig für das schnelle Einspritzen, und dem E-Antrieb der Schnecke, verfügt die Ergotech El-Exis für die Werkzeugbewegung über einen elektrohydraulischen Einzelantrieb, einen frequenzgeregelten, wassergekühlten E-Motor mit hydrostatischem Getriebe.
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt ist die Steuerungstechnik. 1969/70 werden einige Spritzgießmaschinen bereits elektronisch gesteuert: Maurer, heute Ferromatik Milacron, Malterdingen, setzt erstmals eine Steuerung mit Transistor-Transistor-Logik ein. Die Hydraulik wird zunehmend in Blockbauweise ausgeführt und erhält Cartridge-Ventile.
  • 1971 entsteht die erste programmierbare Spritzgießmaschine der Welt, zeitgleich mit einer Schweizer Entwicklung (Bühler AG, St. Gallen); dabei werden die Daten noch über Lochstreifen eingelesen.
  • 1975 tauchen schließlich die ersten speicherprogrammierbaren Mikroprozessor-Steuerungen auf, allerdings noch ohne Bildschirm, der 1979 folgt.
In der ersten Hälfte der 70er wird in Nürnberg die Digitalhydraulik entwickelt, die die Mengen und Drücke dual in Stufen einstellbar sowie exakter als bisher möglich reproduzierbar macht. Mit energiesparenden Regelpumpen, wie der DFE-Pumpe von Mannesmann Rexroth mit eigener präziser Mengen- und Druckregelung, lassen sich heute formteilabhängig unterschiedliche Dynamiken der Regelung erreichen.
Mitte der 80er wandert die Bedieneinheit der Steuerung als intelligentes Bedienterminal mit LC-Display aus dem Schaltschrank an die Maschine in unmittelbare Nähe des Werkzeugs.
Moderne Steuerungen zeigen echte Prozeßdaten und Zyklusgrafiken auf farbigen Displays an, enthalten Software-Module für MDE, BDE, SPC, Zyklusanalyse, Werkzeugschutz, Selbstdiagnose, Anfahr- und Abschaltprogramm sowie Schnittstellen für die Peripherie und den Anschluß an übergeordnete Kommunikationssysteme – der virtuelle Spritzgießprozeß ist im Entstehen.
Auch die Schließeinheit ist Gegenstand ständiger Innovation. So bei der Entwicklung der Zweiplatten-Maschine – mit in einer Platte lösbaren und wieder verriegelbaren Säulen; wobei unter anderem die Aufstellfläche der Maschine verkleinert wird.
Bis heute haben sich von den deutschen Firmen HPM Hemscheid, Schwerin, und Ferromatik Milacron, Malterdingen, mit ihren Maxima-Typen sowie Krauss-Maffei mit der C- und MC-Reihe zu diesem platzsparenden Plattenverzicht entschlossen.
Die Automatisierung des Spritzgießbetriebs startet verstärkt in den 80er Jahren. Neben den bereits genannten Software-Modulen werden Systeme für den automatischen Werkzeugwechsel entwickelt. Materialförder- und Trocknungssysteme versorgen ganze Spritzgieß-Fabriken. Komplette Formteil-Fertigungszellen nehmen ihre Arbeit auf, die mit Spritzgießmaschine, Handlinggerät, Montage- und Prüfeinrichtungen bis zur Transport-Übergabeeinheit eine Spritzgießfabrik im kleinen sind. Mehr und mehr Geisterschichten werden gefahren, die mannlose, zumindest mannarme Produktion hält Einzug in die Spritzgießfertigung.
Neben den klassischen Verfahren, wie Duroplast- und Elastomerverarbeitung oder Mehrkomponenten-Spritzgießen, gibt es heute eine Fülle von Sonderverfahren, die zunehmend Standard werden, wie
– Verarbeitung von Flüssigsilikon, flüssig-kristalliner Polymere, Keramik, Metall/ Polymer-Pulver oder Leichtmetall;
– Hybridtechnik (Metall-Kunststoffverbunde);
– Hinterspritzen (wie Textil-/ Folien-Hinterspritzen/prägen, In-Mould-Labeling);
– Gas-Injektions-Technik (GIT);
– Mikro-Spritzgießen;
– 3D-MID-Technologie (räumliche, spritzgegossene Schaltungsträger);
– die Herstellung von Optical Discs und Smart-Cards;
– das Spritzgießen von PET-Vorformlingen.
Wilhelm Schröder, Vorsitzender der Geschäftsführung der Krauss-Maffei Kunststofftechnik GmbH, München: „Die Innovationskraft und das verfahrens- und maschinentechnische Know-how der deutschen Maschinenhersteller werden auch in Zukunft weltweit entscheidenden Anteil an der Weiterentwicklung des Spritzgießens haben.“
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