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In Spanien rosten keine Sägen mehr

Zentrales Lager sichert Lieferfähigkeit bei Handwerkzeug
In Spanien rosten keine Sägen mehr

Papier- und beleglos bearbeiten die Kommissionierer im Bahco-Logistik-Zentrum Helmond die Aufträge. Der Computer und regelmäßige Besprechungen der Mitarbeiter führten die Fehlerquote auf unter ein Prozent.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Früher konnte es schon mal angehen, daß in Deutschland Sägeblätter nachgefragt wurden, aber nicht verfügbar waren. Dann wurde nachproduziert. Im spanischen Lager rostete derweil eine andere Charge vor sich hin. Diese Redundanz ist nun vorbei: Aus seinen 17 Lagern hat Sandvik Saws and Tools, das seit diesem Jahr als Bahco Belzer firmiert, zwei gemacht.
Von Helmond/Niederlande und dem schwedischen Sandviken aus bedient Bahco heute seine gesamte Nachfrage nach Handwerkzeug aus Europa und Übersee. Neues Verteilungskonzept, NDC, nennen die Schweden die Reorganisation, die Anfang des Jahrzehnts begann und fast zur Perfektion gereift ist. „Wir wollten der beste Lieferant der Branche werden“, beschreibt Jürgen Giesen, Marketing-Chef der Bahco Belzer GmbH in Wuppertal, den hehren Anspruch des Unternehmens. Und fügt hinzu: „Heute sind wir hundertprozentig lieferfähig bei den schnelldrehenden A-Produkten.“ Das bedeutet: Die am häufigsten nachgefragten Artikel befinden sich mit Sicherheit im Lager und können bei heutiger Bestellung morgen geliefert werden. Bei den B- und C-Teilen, die seltener umgeschlagen werden, erreicht das Logistik-Zentrum Helmond immerhin eine Lieferfähigkeit zwischen 95 und 98 Prozent.
Mit dem Distributionskonzept hat Bahco nicht nur die Anzahl der Standorte reduziert und die Strukturen vereinfacht. Vor allem liegen nun weder in den zuliefernden Fabriken noch in den Verkaufsstellen Fertigprodukte herum. Und in Helmond lagern die Produkte heute im Schnitt 93 Tage, vor der Zentralisierung waren es etwa 140.
Fast 190 000 Aufträge mit 1,65 Millionen Positionen fallen jedes Jahr an. Für die Produktverwaltung, die Lagerwirtschaft und die Kundenverwaltung wurde damals ein neues EDV-System angeschafft. In Sandviken steht ein Zentralrechner, über den alle Aufträge und Dateien laufen. Nur 20 min dauert es, bis der Lagerbestand im Zentralrechner nach einer Änderung – Ein- oder Auslagerung – wieder mit dem in den Regalen übereinstimmt. „Heute steuern die Aufträge die Produktion“, führt Jürgen Giesen aus. „Sobald ein kritischer Lagerbestand erreicht ist, fordert der Zentralrechner an einem der Produktionsstandorte Nachschub an.“
Wenn die Ware Helmond erreicht, klebt ein Etikett der herstellenden Fabrik darauf. Ein Strichcode beinhaltet Produkttyp, Menge, Datum, Lieferfabrik und Fertigungsnummer. So läßt sich die Ware stets lokalisieren und identifizieren. Falls es sich um einen speziellen Kundenauftrag handelt, daß etwa jemand grüne Sägen bestellt statt der Bahco-Hausfarbe Orange, wird dieser direkt weitergeleitet zum Versand. Alle anderen Produkte werden eingebucht und ins Hochregallager, in den Palettenpuffer oder die Shelf Area, ein kleines Regal für Einzelprodukte, befördert.
Neue Strichcodes identifizieren Produkt und Liegeplatz. Beim Etikettieren der Paletten unterstützt natürlich auch der Rechner. Sammeln die Kommissionierer Artikel für einen Auftrag ein, müssen sie das Etikett scannen. Stehen sie in der falschen Lagerstraße oder wählen das falsche Produkt, so zeigt ein Bildschirm am Stapler den Fehler an. Auf diesem Screen sieht der Fahrer auch, welches Produkt er überhaupt picken muß und wo es sich befindet. Wie ein Armaturenbrett ist der Bildschirm hinter dem Lenkhebel angebracht. Mit Hilfe des Computers können die Mitarbeiter Aufträge von vier Kunden gleichzeitig bearbeiten.
Der Bildschirm zeigt sieben Positionen: die Kundenbuchstaben A bis D, die Paketgröße, Positionenanzahl, Volumen und Gewicht der Aufträge sowie ein eventuelles manuelles „Special Treatment“, eine spezielle Art der Behandlung. Das können Preisetiketten sein, wie sie Baumärkte zuweilen verlangen, ein spezieller Diebstahlschutz oder das Verschicken in Behältern, die der Kunde zur Verfügung stellt. Eine letzte Zeile auf dem Bildschirm bleibt für Kommentare, etwa „x Pakete von Produkt A mit y Teilen von Produkt B zusammenpacken“. Der Rechner schlägt auch die Paketgröße für jeden einzelnen Auftrag vor.
Die Zahl der Lagerartikel in Helmond beläuft sich auf 9100. Etwas mehr als die Hälfte entfällt auf das Hochregallager, der Rest liegt in der Shelf-Picking-Zone. Hier hat Methode, was zunächst irritiert: Gleichartige Produkte sind nicht nahe beieinander zu finden, sondern räumlich weit getrennt. M-6-Bohrer liegen also nicht neben M-8-Bohrern. Zwar muß der Kommissionierer jedes Produkt scannen, aber wenn er mehrere gleiche Päckchen einsammeln muß, scannt er vielleicht nur einmal und greift für die weiteren Pakete daneben. Seit der Umorganisation jedenfalls sind die Fehler gesunken.
Nur der Lieferschein erinnert noch an alte Zeiten
Auch der Verzicht auf Papier reduzierte die Fehlerzahl: Beleglos kommissionieren die Mitarbeiter Langsamdreher im Pre-Picking, Schnelldreher aus der A-Zone und den kleinen Regalen im vorderen Bereich sowie Großaufträge palettenweise. Beim Verpacken prüft ein Computer Menge und Gewicht des ganzen Pakets, und wenn der Lieferschein dazugelegt wird, ist dies das einzige Stück Papier, das auf dem ganzen Logistikweg noch an alte Zeiten erinnert.
Aber auch das wollen schon manche Kunden nicht mehr. Sie profitieren von der einfacheren Struktur: Sie bestellen per Telefon, Fax oder über Computer-Direktleitung bei einer Bahco-Verkaufsniederlassung und haben auch nur mit dieser Kontakt. Die leitet den Auftrag an den zentralen Computer in Sandviken weiter, von dort geht die Bestellung innerhalb 1 min an eines der Distributionszentren in Helmond oder Sandviken. Wollte es der Kunde, er könnte über seine Verkaufsniederlassung laufend den Status seines Auftrags abfragen.
Jeden Tag treffen elf Lkw zu bestimmten Zeitpunkten in Helmond ein, holen die Paletten ab und bringen sie zu sogenannten „Explosionspunkten“ in den Zielländern. In Deutschland ist das Duisburg. Von einem solch zentralen Ort werden alle Städte im jeweiligen Land beliefert. Die meisten Sendungen erreichen den Kunden am folgenden Tag. Im Lager in Helmond steht für alle sichtbar eine Tafel mit den Länderkürzeln und der jeweils spätesten Abholzeit. Daraus ergibt sich eine Rangfolge, welcher Auftrag als erster erledigt sein muß.
„Mit den meisten Kunden haben wir einen bestimmten Liefertag pro Woche ausgemacht“, sagt Jürgen Giesen. „Das organisiert die Vertriebseinheit des jeweiligen Landes.“ So lassen sich die Orders bestimmter Regionen zusammenfassen. Der Kunde kann trotzdem laufend bestellen, die Aufträge werden in Helmond gesammelt. Die Ware erhält er dann am Tag der Absprache.
Um der beste Lieferant zu bleiben, ist eine halbe Stunde pro Woche für Besprechungen reserviert. Außerdem redet das Management mit jedem über Fehler, um die Qualität weiter zu erhöhen. Damit keine Informationen auf der Strecke bleiben, ist der Betrieb flach organisiert: Zwischen Kommissionierern und Geschäftsleitung gibt es nur eine Ebene. Damit tragen die Mitarbeiter eine hohe Verantwortung. So ist es wohl kein Zufall, daß unter den 95 Lager-Beschäftigten nicht wenige Uni-Absolventen sind, die über eine Zeitarbeitsfirma hier begannen und dann hängenblieben.
Weitere 30 Mitarbeiter sind in der eigenen Bandsäge-Schweißerei tätig. Hier stutzen sie 76 m lange Sägeblätter – die einzigen Produkte, die nicht fertig aus den Fabriken kommen – auftragsbezogen auf 1,2 bis 23 m zurecht und fügen sie zu Bandsägeblättern. Zeit zum Rosten haben die nicht mehr.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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