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In zwei bis drei Tagen hat man das Fräsen gelernt

CAM: Wiederverwendbare Zyklen steigern die Produktivität
In zwei bis drei Tagen hat man das Fräsen gelernt

Dem Termindruck in der Automobilindustrie hält Zulieferer Hirschmann unter anderem mit einer geschlossenen CAD/CAM-Prozesskette stand. Catia-V5-Daten werden dabei mit den CAM-Lösungen Goélan und Top Solid/Electrode so zügig bearbeitet, dass auch die häufigen Produktwechsel kein Problem sind.

Michael Wendenburg ist Fachjournalist in Sevilla

War der Fahrer-Airbag vor ein paar Jahren noch ein Ausstattungsmerkmal von Fahrzeugen der Oberklasse, gehört inzwischen selbst der Seiten-Airbag schon fast zum Standard. Die Hirschmann Automotive GmbH aus Rankweil, Österreich, liefert dazu die Steckverbindungen und Kabelsätze. „Wir sind vorwiegend im sicherheitsrelevanten Bereich tätig, das heißt bei der Verkabelung von Achsen etwa für das ABS sowie bei Mikrogasgeneratoren für Rückhaltesysteme“, erläutert Manfred Lins, Leiter Werkzeugbau bei Hirschmann.
Je nach Einsatzgebiet produziert Hirschmann einzelne Kunststoffteile in Stückzahlen von mehreren Millionen pro Jahr. Die Fertigung erfolgt auch bei externen Werkzeugbauern, der Outsourcing-Anteil liegt derzeit bei etwa 60 %. „Wenn wir ein Projekt haben, für das acht bis zehn Werkzeuge benötigt werden, können wir bei den kurzen Fristen nicht alles selber machen“, berichtet Lins. „Das Umspritzen von Sensoren und anderen elektronischen, mechatronischen oder pyrotechnischen Teilen behalten wir aber in der Hand, weil das besonderes Know-how erfordert.“ Die dafür erforderlichen Spritzgieß-Werkzeuge werden mit dem CAD/CAM/CAE-System Catia V5 konstruiert, als CAM-Lösung kommt Goélan von Missler Software aus dem französischen Evry zum Einsatz. Damit erzeugen die Werkzeugbauer die CNC-Programme für das Fräsen von Werkzeugen und Elektroden, mit denen die Kavitäten senkerodiert werden.
Roland Konzett, einer der erfahrenen Anwender im Werkzeugbau bei Hirschmann, hat schon mit mehreren CAM-Systemen gearbeitet. „Für uns ist Goélan die optimale CAM-Lösung, weil sie sehr einfach zu erlernen und zu bedienen ist. In zwei, drei Tagen kann ich jemandem beibringen, damit zu fräsen.“ Andere Systeme erforderten schon einmal bis zu zwei Wochen Schulung.
Neben der einfachen Bedienung ist die Offenheit des Systems, was den Datenimport anbelangt, einer der Hauptgründe für ihren Einsatz bei Hirschmann. So können nicht nur Catia-V4- und -V5-Modelle eingelesen und für die Fräsprogrammierung aufbereitet werden, sondern auch 2D-Daten im DXF- oder DWG-Format. „Das ist für uns ganz wichtig, denn wir machen ja auch Reparaturen an bestehenden Werkzeugen, die früher mit Autocad und Genius konstruiert wurden“, erläutert Manfred Lins. Die Werkzeuge müssen nach dem Auslaufen einer Modellreihe noch zehn Jahre aufbewahrt werden, um Ersatzteile zu liefern.
Hirschmann nutzt die CAM-Software schon seit sechs Jahren für die werkstattnahe CAM-Programmierung. Derzeit ist sie auf sechs PC-Arbeitsplätzen im Werkzeugbau installiert, an denen im Schichtbetrieb auch Maschinenbediener CNC-Programme erstellen. „Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, programmieren wir heute alle Bearbeitungsschritte am CAM-Arbeitsplatz“, sagt Konzett.
Grundlage für die CNC-Programmierung sind die Catia-V5-Modelle aus der Werkzeugkonstruktion, die sich über eine entsprechende Schnittstelle direkt in Goélan laden lassen. Der Import der Volumenmodelle funktioniert einwandfrei – allerdings gehen Feature-Informationen und parametrische Beziehungen dabei verloren. „Wenn in der Werkzeugkonstruktion etwas geändert wird, müssen wir die Programme neu erstellen“, berichtet Konzett. Diese Arbeit sei aber sehr komfortabel, da Goélan die Möglichkeit biete, mehrere Bearbeitungsschritte zusammenzufassen und als wiederverwendbare Zyklen abzuspeichern. „Es gibt beispielsweise einen Prozess für das Zentrieren, Bohren und Gewindeschneiden“, erläutert CAM-Programmierer Andreas Bolter. „Ich brauche nur eine Bohrung anzuklicken und dem System zu sagen, finde alle Bohrungen mit dem entsprechenden Durchmesser, dann schreibt es das als Zyklus raus und erzeugt automatisch die entsprechenden Bohr- und Schnittprogramme.“
Die Kavitäten der Formnester werden grundsätzlich senkerodiert, um eine einheitliche Oberflächenbeschaffenheit der zu fertigenden Teile zu gewährleisten, wobei die Werkzeugbauer bei großen und komplexen Werkzeugaufbauten normalerweise mit Einsätzen arbeiten. Je nach Komplexität des Teils müssen für das Senkerodieren der Kavität bis zu 20 verschiedene Elektroden hergestellt werden. Generell kommt man heute allerdings durch den Einsatz der 5-Achsen-Fräszentren mit weniger Elektroden aus als früher, erläutert Konzett. Goélan sei zwar nicht tauglich für die 5-Achsen-Simultanbearbeitung, unterstützte aber das 3-Achsen-Fräsen mit angestelltem Kopf, was bei der Bearbeitung der Elektroden tiefere Eingriffe mit kleineren Radien erlaube.
Konstruiert wurden die Elektroden bis vor kurzem ebenfalls mit Goélan, das über entsprechende CAD-Funktionen verfügt. Früher, als die Werkzeuge noch überwiegend in 2D konstruiert wurden, erzeugten die Arbeitsvorbereiter die 3D-Grundkörper dafür mit dem CAD-Programm Autocad. Seit dem Umstieg auf Catia V5 können sie heute die Kavitäten direkt übernehmen.
Um die Elektrodenkonstruktion weiter zu vereinfachen, hat Hirschmann vor einigen Monaten einen Arbeitsplatz mit dem Grundpaket des CAM-Systems Top Solid sowie dem Modul Top Solid/Electrode von Missler eingeführt. Das Modul bietet Automatismen, um die Elektroden entsprechend der jeweiligen Arbeitsweise und Verfahrenstechnik aufzubauen, und enthält außerdem noch Funktionen für die tabellengestützte Verwaltung des Funkenspalts, die automatische Ableitung von 2D-Zeichnungslayouts und die visuelle Kontrolle von möglichen Kollisionen zwischen Formteil und dem Senkerodierwerkzeug. Alle für die Herstellung der Elektrode relevanten Infos werden übersichtlich verwaltet.
„Die Vorgehensweise bei der Elektrodenkonstruktion ist nicht wesentlich anders als in Goélan“, erläutert Konzett die Vorteile der neuen Software, „aber Top Solid/Electrode bietet durch die Automatismen eine bessere Unterstützung bei Operationen, die häufig vorkommen.“ Das Programm erkenne automatisch Hinterschnitte und erleichtere die Auswahl von bestimmten Bereichen der Elektrode.
Inzwischen erledigen die Mitarbeiter im Werkzeugbau die komplette Elektroden-Konstruktion und -Aufbereitung in Top Solid/Electrode und fräsen die 3D-Geometrien dann mit Goélan. Das neue Werkzeug fügt sich nahtlos in die Prozesskette bei Hirschmann ein, da es nicht nur über eine Direktschnittstelle zu Catia V5 verfügt, sondern auch gut in die bestehende CAM-Lösung integriert ist.
Die durchgängige Nutzung der 3D-Daten von der Werkzeug- über die Elektroden-Konstruktion bis zur Erzeugung der Bohr- und Fräsprogramme trägt nach Angaben von Manfred Lins maßgeblich dazu bei, dass Hirschmann heute mehr Werkzeuge im eigenen Haus fertigt als früher, und dass diese termingerecht fertiggestellt werden. Das hilft, dem wachsenden Termindruck in der Automobilindustrie Stand zu halten. „Die Durchlaufzeiten sind in den letzten fünf, sechs Jahren sicher um mindestens 50 Prozent kürzer geworden“, schätzt Lins. „Dazu hat Goélan einen wichtigen Beitrag geleistet.“

Der Anwender
Die Hirschmann Automotive GmbH entwickelt Steckverbindungen und Kabelsätze für elektronische Komponenten in Fahrwerk, Motorraum und Karosserie. Dazu zählen hochintegrierte Steckverbindungen, die neben Kabeln, Kontaktträgern und Dichtungen oft auch elektronische oder mechatronische Bauteile enthalten.
Seit über 20 Jahren konzentriert sich die 1959 gegründete österreichische Firma auf die Entwicklung und Fertigung von Verbindungstechnik für die Automobilindustrie, vorwiegend im sicherheitsrelevanten Bereich.
Hirschmann hat seinen Hauptsitz in Rankweil in Vorarlberg und unterhält seit dem Jahr 2002 einen zweiten Fertigungsstandort in Tschechien. Dadurch hat sich die Mitarbeiterzahl von 600 auf über 900 erhöht. Im letzten Geschäftsjahr erwirtschaftete die Firma, die bis vor einiger Zeit zur Rheinmetall AG gehörte, einen Umsatz von 71 Millionen Euro.
Die wichtigsten Kunden sind die Automobilhersteller Daimler Chrysler, BMW und Audi, aber auch große Systemlieferanten wie Bosch, Delphi oder TRW. Hirschmann bietet ihnen die komplette Prozesskette von der Produktentwicklung bis zur Serienfertigung der einbaufertigen Kabelsätze.

Die CAM-Lösung
Goélan ist ein werkstattorientiertes CAM-System, das speziell für Anwender in der Fertigung konzipiert wurde, die keine umfassenden Software-Kenntnisse haben und auch nicht ständig am Computer arbeiten. Die Software soll ihnen eine schnelle und intuitive Programmierung der Dreh- und Fräsbearbeitung sowie des Drahterodierens ermöglichen, ausgehend von selbst erstellten oder importierten Draht-, Volumen- und Flächenmodellen. Online-Hilfe, Tutorials und elektronische Assistenten (Wizzards) leiten auch den ungeübten Anwender durch alle Schritte der CNC-Programmierung.
Industrieanzeiger
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