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Initiativen treiben den Wissens- und Technologietransfer

Sachsen-Anhalt punktet mit findigen Maschinenbauern und Zulieferern
Initiativen treiben den Wissens- und Technologietransfer

Maschinenbau und Zulieferung sind die Schwergewichte im Wirtschaftsgefüge Sachsen-Anhalts. Automobilhersteller von Weltrang mit Produktionsstandorten ‚vor den Toren des Landes’ gehören zu den Kunden heimischer Zulieferbetriebe. Beispielsweise steckt fast unter jeder Motorhaube auf europäischen Straßen ein Gussteil aus dem Harz.

Viele Gründe sprechen dafür, dass der Maschinen- und Anlagenbau mit 11 000 Beschäftigten in weit über 200 Unternehmen und die 250 Zulieferunternehmen mit mehr als 18 500 Beschäftigten die bedeutendsten Industriebranchen in Sachsen-Anhalt darstellen. Über 150 Jahre Erfahrung hinterlassen Spuren: einst Schwermaschinenbau-Zentrum, heute Hightech-Produktion auf internationalem Spitzenniveau.

Während Persönlichkeiten wie Otto von Guericke und Hermann Gruson eng mit dem Standort Magdeburg verbunden sind, gründete sich im Harzort Alexisbad 1856 der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Noch heute sind Maschinenbau und Zulieferindustrie Schwergewichte im Wirtschaftsgefüge, die unter anderem durch den Zweckverband zur Förderung des Maschinen- und Anlagenbaus in Sachsen-Anhalt (Fasa) sowie durch das 1999 gegründete Kompetenznetzwerk Mahreg Automotive vielfältige Unterstützung finden.
Motivation und Zielsetzung beider Einrichtungen sind dabei, durch regen Informationsaustausch, Kooperationen in Forschung und Fertigung Wettbewerbsvorteile für die beteiligten Partner zu erlangen. So fährt beispielsweise in jedem Auto in Deutschland ein Stück Sachsen-Anhalt mit – sei es als Aluminium-Gussteil unter der Motorhaube, als Kunststoffprofil, Fahrwerkskomponente oder Elektronikbauteil. Ein sehr schönes Beispiel für Innovationskraft made in Sachsen-Anhalt ist das kabellose Tanksystem mit Abrechnungs-Software der ERO Edelstahl-Rohrtechnik GmbH aus Salzwedel-Dambeck: 2008 startete mit „e-mobility Berlin“ das weltweit größte Pilotprojekt für klimafreundliche Elektroautos. Mehr als 100 Elektroautos sind seitdem in der Hauptstadt unterwegs und tanken an rund 500 Solarladestationen Strom. Die dafür benötigten „Tanksäulen“ stammen größtenteils von ERO.
Mit dem „Institut für Kompetenz in AutoMobilität“ (Ikam) wurden Ende 2010 zudem die Voraussetzungen geschaffen, Elektroantriebs- und Speichertechnologien voranzutreiben. Sachsen-Anhalts Minister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Reiner Haseloff, sagte bei der Eröffnung des ersten Bauabschnitts des Ikam im Rahmen des 10. Innovationsforums des Automobilzulieferernetzwerkes Mahreg Automotive letzten November: „Im heute eröffneten Forschungsinstitut wird die Entwicklung zukünftiger Automobilität mit gestaltet. Als leistungsfähiger Forschungspartner soll es den vielen mittelständischen Zulieferern in Sachsen-Anhalt eigene Forschungsprojekte ermöglichen und damit die Innovationskraft der gesamten Branche stärken. Dabei wirkt die enge Verzahnung von Forschern und Produzenten als Katalysator für einen umfangreichen Wissens- und Technologietransfer.“ Ziel sei es, so Haseloff, Trends für das Auto von morgen zu setzen. Dadurch werde das Institut auch die Attraktivität Sachsen-Anhalts als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort insgesamt erhöhen.
Im dortigen Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) wurden im November 2010 der erste Bauabschnitt und damit vier der insgesamt zwölf modernen Entwicklungslabore offiziell in Betrieb genommen. Bis Ende 2011 sollen der zweite Ikam-Standort auf dem Campus der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie ein Technikum gegenüber dem IGZ im Technologiepark Ostfalen entstehen. Die volle Inbetriebnahme des Ikam ist für Anfang 2012 geplant. In das Leuchtturmprojekt zur Entwicklung zukunftsfähiger Automobiltechnologien fließen insgesamt 34,5 Mio. Euro. Die künftigen Arbeitsgebiete werden laut Ikam-Geschäftsführer Dr. Stefan Schünemann von den Zukunftsthemen der Automobilbranche wie umweltschonende Antriebstechnik, Leichtbau sowie Elektromobilität geprägt. „Wir werden uns dabei in unserem Institutsteil in Barleben insbesondere mit Technologien für Hochleistungswerkstoffe, mit Mess- und Prüftechnologien für Qualitätssicherungsprozesse sowie mit modernen Produktionstechniken befassen.“
Seit der Wende haben sich in Sachsen-Anhalt vor allem kleine und mittlere Unternehmen in der Zulieferindustrie etabliert, die Teile und Systeme für alle namhaften Autohersteller fertigen. Fast unter jeder Motorhaube auf europäischen Straßen steckt ein Gussteil aus dem Harz. VW, BMW oder Mercedes-Benz setzen etwa bei Lenkungs- und Getriebeteilen, Leichtmetallkarosserien und Innenausstattungen auf Know-how aus Sachsen-Anhalt. Galt Sachsen-Anhalt einst als Ostblock des Schwermaschinenbaustandortes, so folgte nach der Wende der totale Zusammenbruch. „In der Tat stand insbesondere der Maschinenbau in Sachsen-Anhalt vor einem historischen Neustart“, so Haseloff. „Die Branche, die vor der Wende mit hohen Beschäftigtenzahlen und einer Vielzahl an Zulieferbetrieben die Region Magdeburg prägte, hatte damals die größten Arbeitsplatzverluste zu verzeichnen. So war zehn Jahre nach der Wende nur noch jeder Zehnte einstmals im heimischen Maschinenbau Beschäftigte in dieser Branche tätig. Der Umsatz halbierte sich nahezu, der Auslandsumsatz reduzierte sich um zwei Drittel. Heute gehört der Maschinenbau mit aktuell rund 11 100 Beschäftigten wieder zu den fünf wichtigsten Industriebranchen unseres Landes.“
Aus diesem „historischen Neustart“ resultierte eine zweigliedrige Entwicklung. Während sich ein Teil der Schwermaschinenbauer auf den spezialisierten Sondermaschinen- und Anlagenbau konzentrierten, verfolgte der andere Teil die Entwicklung in Richtung Automotive-Industrie. Zwischen beiden Segmenten besteht jedoch heute eine enge Verzahnung in der Zusammenarbeit, beispielsweise in der Produktion oder im Kunden- und Abnehmerkreis. Die Entwicklungen dieser Branchen waren stets an Innovationen gebunden, und so verwundert es nicht, dass die von immer neuen Produkten und Verfahren bestimmte Automobilzulieferindustrie in Sachsen-Anhalt zahlreiche Standorte fand.
Heute erweist sich die Branche als industrieller Wachstumsträger. Dazu Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Haseloff: „Der Bereich Maschinen- und Anlagenbau und Automotive zählt zu den Innovationsschwerpunkten des Landes. Dies spiegelt sich auch in der Förderung von Projekten zur Forschung und Entwicklung wider. Ein Beleg dafür: In der aktuellen EU-Strukturfondsperiode fließt fast ein Drittel der bewilligten Fördermittel in diesen Bereich – seit 2007 waren dies mehr als 25 Millionen Euro, um die Innovationsfähigkeit vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen zu unterstützen.“ Dem kann Thomas Reuther, Mitglied des Vorstandes der in Harzgerode ansässigen Trimet Aluminium AG, nur beipflichten: „Die Zusammenarbeit zwischen der in Sachsen-Anhalt ansässigen Industrie und dem Land funktioniert aufs Beste, pragmatisch und zukunftsorientiert.“
Die Automobilzulieferindustrie hat dabei in den zurückliegenden zehn Jahren eine sehr erfolgreiche Entwicklung vollzogen. Heute sind rund 18 500 Beschäftigte in circa 250 Unternehmen im Bereich Automotive tätig. Automobilhersteller von Weltrang mit Produktionsstandorten ‚vor den Toren des Landes’ gehören zu den Kunden heimischer Zulieferbetriebe, die wie die komplette Supply Chain die Krise und ihre Auswirkungen in den letzten zwei, drei Jahren zu spüren bekamen. „Die Krise hat bei allen Firmen Spuren hinterlassen, wenn auch in unterschiedlichem Maße“, meint dazu Friedrich Fahlberg, Geschäftsstellenleiter des Netzwerkes Mahreg Automotive. Durch Kurzarbeit konnten die Firmen Fachkräfte halten. Während einige Zulieferer noch immer Umsatzrückgänge zu verkraften hätten, würden andere Unternehmen ihre Geschäfte bereits wieder deutlich ausweiten und auch wieder investieren.
Weiterhin haben viele Unternehmen ihre Kräfte bei Forschung und Entwicklung gebündelt, um im harten Wettbewerb bestehen zu können. Dabei arbeiteten sie eng – nicht nur im Mahreg-Cluster – mit anderen ostdeutschen Zulieferern zusammen. Ziel wären unter anderem leichtere Fahrzeuge mit hoch belastbaren Bauteilen. Aufgrund der Umbrüche in der Branche während der vergangenen Jahrzehnte hätten viele Unternehmen eine gewisse Krisenerfahrung, so Fahlberg weiter. „Ein Vorteil der Unternehmen in Sachsen-Anhalt ist auch ihre geringere Spezialisierung. Sie haben oft mehrere Standbeine und produzieren beispielsweise auch für den Landmaschinenbau und die Medizintechnik“, fasst Mahreg-Chef Fahlberg zusammen.
Tino Böhler Fachjournalist in Dresden
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