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Kein Lufthauch zu viel und keiner zu wenig

Nur um ±10 mbar schwankt Druckluft für Abgasturbolader-Tests
Kein Lufthauch zu viel und keiner zu wenig

Borg Warner Turbo Systems benötigt Druckluft, die maximal um 10 mbar vom Solldruck abweicht – eine Genauigkeit, die normalerweise keine Kompressorenstation einhalten muss. Dennoch ist sie möglich. Boge Kompressoren konzipierte dafür eine maßgeschneiderte Lösung.

Der Autor, Ulrich Bierbaum, ist vor kurzem verstorben. Er war leitender Mitarbeiter bei der Boge Kompressoren GmbH & Co. KG in Bielefeld.

Jeder Druckluftanwender versucht, den Netzdruck konstant zu halten. Denn 1 bar Überverdichtung kostet fast 10 % mehr Energie. Was aber, wenn der Netzdruck nicht mehr als 0,01 bar schwanken soll, unabhängig vom Druckluftverbrauch? Das ist ein Hundertstel des Regelbereichs eines herkömmlichen Schraubenkompressors und ein Zehntel dessen, was frequenzgeregelte Maschinen üblicherweise schaffen. Eine solche Genauigkeit fordert die Borg Warner Turbo Systems GmbH für ihre Prüfstände in Kirchheimbolanden.
Borg Warner vertreibt weltweit ein breites Spektrum von Abgasturboladern für Personenwagen und Nutzfahrzeuge sowie für Industrie-, Lokomotiv- und Schiffsmotoren. Die Komponenten decken Motorleistungen von 20 bis 1000 kW ab. Alle thermodynamischen und mechanischen Tests werden auf den Brennkammer-Prüfständen im 5600 m² großen Entwicklungszentrum in Kirchheimbolanden durchgeführt. Medienströme wie Heißgas und Verdichterabluft, die auf die Prüfstände geleitet werden, müssen daher den großen Stellbereich der gesamten Abgasturbolader-Produktpalette abdecken. Damit keine Störungen auftreten, benötigen die Prüfstände einen exakten Druck – auf 10 mbar genau.
Ein Kernstück der Prüfstände bildet daher der Hochdruck-Heißgasgenerator, der den geforderten Abgasmassenstrom in weiten Temperatur- und Durchsatzbereichen erzeugt. Diese Kompressorstation versorgt die neun Brennkammer-Prüfstände mit der nötigen Verbrennungsluft.
Vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte führten zu der Forderung, alle Prüfstände aus einem Speicher in einem Druckluftnetz zu versorgen. Um jeden Prüfstand mit einer eigenen Station auszustatten, müsste man eine deutlich höhere Gesamt-Verdichterkapazität vorhalten. Ein großer Teil der Kompressoren würde dann die meiste Zeit im Leerlauf oder im unteren Teillastbetrieb und damit bei schlechtem Wirkungsgrad laufen. Denn bei der Auslegung gingen die Planer von einem empirisch ermittelten Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,5 aus, was bedeutet, dass maximal 50 % der installierten Prüfstandleistung angefordert werden kann.
Für die thermodynamischen Messaufgaben ist es bei dieser Konstellation unbedingt notwendig, dass die Prüfstände sich nicht durch Rückwirkungen im Druckluftnetz gegenseitig beeinflussen können: Das Starten eines neuen Prüfstandes darf einem bereits in Betrieb befindlichen Prüfstand nicht die Luft und den Druck wegnehmen. Deswegen muss die Anlage so ausgelegt sein, dass sie nur geringe Schwankungen zulässt.
Zur Versorgung aller neun Brennkammerprüfstände sind zwei Druckluftnetze installiert, die auf unterschiedliche Druckniveaus geregelt werden können. Die Netze sind über Ventile so miteinander verbunden, dass Druckluft aus dem 6-bar-Netz in das 4-bar-Netz überströmen kann. Aus wirtschaftlichen Gründen werden die standardisierten Messaufgaben aus dem 4-bar-Netz beschickt. Das 6-bar-Netz bedient Messaufgaben mit höherem Druck. Das zweite Druckluftnetz hat den Vorteil, dass für Dauerläufe mit schnellen Durchsatzänderungen auf ein separates Netz zugegriffen werden kann. So gibt es keine Rückkopplungen zu anderen Prüfständen.
Die Grundlast decken drei starr geregelte, wassergekühlte Boge-Schraubenkompressoren S 220 mit einem individuell zu wählenden Höchstüberdruck von 7 oder 5 bar und einem Volumenstrom von je 1764 m³/h ab. Vier weitere frequenzgeregelte, wassergekühlte Boge-Schraubenkompressoren SF 220 mit regelbaren Volumenströmen von 445 m³/h bis 1764 m³/h gleichen als Spitzenlastkompressoren die unterschiedlichen Druckluftanforderungen aus. Die Leistung aller sieben Kompressoren wird bedarfsabhängig auf die zwei Druckluftnetze verteilt, so dass sich eine gleichmäßige Auslastung ergibt. Der Höchstüberdruck der Kompressoren liegt dabei immer 1 bar über dem tatsächlichen Netzdruck, um die unvermeidlichen Druckverluste im Leitungsnetz ausgleichen zu können.
Jedem Netz ist als Puffer ein 5-m³-Behälter zugeordnet, der ein zu starkes Absinken des Druckes bei erhöhtem Bedarf verhindert, hier mit einer Toleranz von ± 0,1 bar. Hinter den Behältern befinden sich Regelventile, die den Druck vollends mit der engen Toleranz von ±10 mbar ausregeln. Beide Toleranzen hängen voneinander ab und müssen eingehalten werden: Schaffen die Kompressoren die 0,1 bar nicht, können auch die Druckregler die 0,01 bar nicht halten.
Boge konfigurierte speziell für den Bedarfsfall bei Borg Warner Turbo Systems eine intelligente übergeordnete Steuerung, die alle komplizierten Abläufe regelt: Einer der Prüfstände fordert seinen Druckluftbedarf abgestuft in drei Volumenstromvarianten an und wählt eines der beiden Netze an. Nun ist die übergeordnete Boge-MCS-7-Steuerung von Siemens gefordert. Sie entscheidet, welcher Kompressor oder welche Kompressorkombination für diesen Druckluftbedarf bereit gestellt wird. Erst nach Bereitstellung erteilt das Prüffeld die Freigabe zur Druckluftförderung. Die ausgewählten Maschinen laufen an und regeln sich auf den gewünschten Druckluftbedarf ein, wobei die vier frequenzgeregelten Maschinen die Feinabstimmung der Liefermenge übernehmen. Dann stellen sie das gewünschte Druckniveau her. Die Kompressoren gehen also exakt auf die vom Prüfstand geforderten Bedingungen ein.
Auch für die Bereitstellung gelten Zeitvorgaben. Das ist notwendig, um Einschaltstromspitzen – gerade bei den ungeregelten Verdichtern – durch gleichzeitiges Zuschalten von zwei und mehr Kompressoren zu vermeiden. Weiterhin wird Zeit benötigt, bis die Kompressoren selbst bereit gestellt sind und der Druckausgleich in den Leitungen erfolgt ist. Außerdem darf die Druckluftanforderung der Prüfstände nicht so plötzlich erfolgen, dass trotz des 5-m³-Behälters der Netzdruck von der engen Toleranz ±10 mbar abweicht.
Betrieben wird die Druckluftanlage von der Siemens AG. Ein Mess- und Regeltechniker von Siemens betreut die Anlage vor Ort und betreibt die Instandhaltung zusammen mit den Technikern der Boge-Niederlassung Mannheim. Borg Warner Turbo Systems kann sich also ganz aufs Kerngeschäft konzentrieren – per Contracting kauft der Kunde eine 100%ige Verfügbarkeit.
Borg Warner lässt die Anlage durch Contracting betreiben
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