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Keramik sticht, wo Metall versagt

Keramik-Zahnräder entstehen durch Spritzgießen
Keramik sticht, wo Metall versagt

Immer mehr Anwender nutzen die Möglichkeiten von technischer Keramik, wenn Metalle an ihre Grenzen stoßen. Der Industriezweig wächst seit Jahren entgegen dem allgemeinen Trend. Und das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Technische Keramik boomt. Kurioserweise ist dies einer der Gründe dafür, warum die Branche fast nur auf zwei Gemeinschaftsständen in Hannover zu finden ist: Dem des Verbandes der Keramischen Industrie (VKI) e.V., Selb, mit 16 Firmen und dem der Technologie-Agentur Struktur-Keramik (Task) GmbH, Dresden, mit 16 Ausstellern (darunter sieben Fraunhofer-Institute und das Fraunhofer-Demonstrationszentrum Advancer). Die Keramik-Aussteller sind in direkter Nachbarschaft zueinander in Halle 5 auf den Ständen E32, E34 und F34 untergebracht. Da die Auftragsbücher der Hersteller voll und die Kapazitäten gut ausgelastet sind, konzentrieren sie sich in diesem Frühjahr auf ihre Pflichtmessen Achema und Ceramitec.
Dies bedeutet aber gerade nicht, dass die technische Keramik uninteressant geworden wäre für Maschinenbau- und Zulieferunternehmen. Im Gegenteil. Nach der Studie „Vision Keramik 2006+“ von VKI, Task und dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), Dresden, ist die Produktion speziell für den Industriebedarf in den letzten Jahren enorm gestiegen: Von 1992 bis 2004 hat sich der Umsatz deutscher Firmen in diesem Bereich mehr als verdreifacht auf 328 Mio. Euro/Jahr. Die Zahlen machen deutlich, dass viele Anwender inzwischen den Nutzen von Bauteilen aus technischer Keramik entdeckt haben. Meist kommt er dort zum Tragen, wo metallische Werkstoffe an ihre Grenzen stoßen, etwa bei extremen abrasiven, thermischen oder chemischen Belastungen. Oder dort, wo hohe elektrische Isolierfähigkeit oder Biokompatibilität verlangt ist.
Der Boom der technischen Keramik spiegelt sich auch in den F+E-Aktivitäten wider. Nach der Studie Vision Keramik 2006+ betreiben fast 90 % der Unternehmen eigene Entwicklung und Forschung. Dr. Michael Zins, Geschäftsführer der Task GmbH und zugleich Bereichsleiter Struktur-Keramik beim Fraunhofer-IKTS, hält das Potenzial für längst nicht ausgeschöpft: „Die Kreativität bei Entwicklungen ist ungebrochen. Und die Möglichkeiten mit technischer Keramik sind noch immer viel zu wenig bekannt.“ Umso mehr sollten Fachbesucher die Gelegenheit wahrnehmen, sich in Halle 5 zu informieren.
Denn das Messe-Konzept der Keramik-Anbieter hat sich durchaus bewährt. „Unsere Aussteller decken das Keramikangebot der Industrie zu 99 Prozent ab“, erklärt Dr. Detlev Nicklas, Geschäftsführer des VKI im Bereich der technischen Keramik. „Auf der Hannover Messe wenden wir uns in erster Linie an Unternehmen, die mit technischer Keramik bisher noch nichts zu tun hatten.“ Bei den Gesprächen geht es oft um Grundsätzliches wie die Frage, ob und wie Keramik zu einer Problemlösung beitragen kann. Hier wird das Auftreten auf Gemeinschaftsständen zum Pluspunkt: Die Besucher finden ganz schnell zu demjenigen, der am besten weiterhelfen kann.
Häufig übernimmt der Keramik-Einsatz die Rolle einer Schlüsseltechnologie, die Problemlösungen überhaupt erst ermöglicht oder aber Leistungssprünge auslöst. Dann rechnen sich auch die höheren Kosten des Werkstoffes. Nicklas nennt ein einfaches Beispiel: Ist etwa ein stark scheuerndes Medium zu fördern, können sich keramische Rohrleitungen in kurzer Zeit amortisieren. Denn durch die mehrfach höhere Standzeit sinken die Kosten für zu häufige Wartungs- und Installationsarbeiten und die damit einher gehenden Produktionsunterbrechungen. „Keramik muss nicht teuer sein“, sagt Nicklas. Wichtig seien der werkstoffgerechte Einsatz und die Wahl der richtigen Fertigungstechnologie.
Eines der Verfahren, das die Fertigungskosten senken kann, ist das Spritzgießen. Komplex geformte Keramikteile lassen sich damit endkonturnah und mit 100%iger Materialausbeute fertigen, häufig ohne jegliche Nacharbeit. „Die Spritzgießtechnik ist das Segment, in dem die Keramik in den nächsten Jahre die höchsten Umsatzzuwächse generieren wird“, prophezeit Michael Zins von der Task. Auf dem Task-Stand wird das IKTS eine Mitteldruck-Spritzgussanlage der schwedischen Goceram AB präsentieren, die weniger als 1 m² Platz braucht und nur 150 kg wiegt.
Die MicroCeram GmbH, Meißen, gehört zu den Unternehmen, die sich auf den Keramik-Spritzguss spezialisiert haben. Sie stellt auf dem Stand des VKI aus. „Wir spritzgießen Keramik-Teile in allen Facetten“, erklärt technischer Leiter Aaron Makrlik. „Was in Kunststoff darstellbar ist, lässt sich – vereinfacht gesagt – auch in Keramik herstellen. Einschränkungen gibt es nur bei der Größe.“ Zu 99 % seien die Teile nach dem Sintern nicht mehr nachzubearbeiten. Im Niederdruck-Spritzguss, der relativ geringe Formkosten erfordert, realisieren die Fachleute von MicroCeram beispielsweise Bohrungen mit Durchmessern bis hinunter zu 0,1 mm. Im Hochdruck-Spritzguss können sie dafür sogar Genauigkeiten von ±0,01 mm „ohne Probleme“ garantieren. Typische, für das Spritzgießen in Frage kommende Teile sind etwa Zahnräder.
Als besondere Stärke wertet Makrlik, dass MicroCeram sämtliche Schritte der Prozesskette selbst abdeckt (Pulver aufbereiten, Spritzen, Sintern, Nachbearbeiten) und zugleich die wichtigsten Verfahrensvarianten im Programm hat. „Wir sind in der Lage, alle Phasen der Produkt-Weiterentwicklung zu betreuen“, erläutert er. „Beispielsweise kann es sinnvoll sein, den Prototypen durch Fräsen herzustellen. In der Markteinführungsphase mit kleineren Stückzahlen produzieren wir dann durch Niederdruckspritzgießen oder Heißgießen. Und sollte die Stückzahl später auf über 10 000 anwachsen, können wir auf Hockdruckspritzgießen umsteigen.“
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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