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Keramik wächst über sich selbst hinaus

Technische Keramik: Blick in die Anwendungsforschung
Keramik wächst über sich selbst hinaus

Was heute technologisch möglich ist, demonstriert der Themenverbund Hochleistungskeramik an Beispielen, darunter Bügeleisen-Sohlen aus Keramik mit aufgedruckter Heizung, Diesel-Partikelfilter und transparente Keramik.

Die Technische Keramik ist ein Innovationsmotor für viele Bereiche der internationalen Wirtschaft. Der Boom der Stahl verarbeitenden Industrie bewirkt beispielsweise eine enorme Nachfrage nach sogenannten Feuerfestprodukten, einem klassischen Bereich der technischen Keramik. Von der Auskleidung der Hochöfen über Steuerschieber für Schmelzen reicht dieser Effekt bis hin zu Verschleißschutzelementen für den Sensor. Kein Wunder also, dass viele Keramikhersteller seit Jahren hervorragende Firmenergebnisse präsentieren. Erfreulicherweise erleichtert dies die Kooperation mit Forschungseinrichtungen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Arbeit des Themenverbundes Hochleistungskeramik. In seinem Demonstrationszentrum AdvanCer stellt er innovative Technologien und Werkstoffe vor und kooperiert dabei mit Herstellern aus dem Treffpunkt Keramik der Task GmbH, Dresden. Die grundlegende Problematik, dass bilaterale Forschungsergebnisse mit Firmen in der Regel vertraulich zu behandeln sind, löst AdvanCer durch die Präsentation eigenfinanzierter Demonstratoren. Dies hat sich in den letzten Jahren bewährt. Es wurde deutlich, dass Unternehmen schneller in Projekte investieren, wenn das Forschungskonsortium seine Leistungsfähigkeit in vergleichbaren Feldern nachgewiesen hat. Die Basis dafür sind saubere Regelungen, wie entstehendes Know-how vermarktet werden darf. In den meisten Fällen sind sehr spezielle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig, um neue Produkte zu entwickeln. Häufig werden Teilergebnisse neu kombiniert.
So dient ein keramisches Bügeleisen in doppelter Hinsicht als Demonstrator. Zum einen zeigt es, wie sich mit keramischen Werkstoffen ein niedriger Reibwert erreichen lässt. Zum anderen demonstriert es die Möglichkeit, Heizsysteme auf ein extrem verschleißfestes und gut wärmeleitendes Material mittels kostengünstiger Siebdrucktechnik aufzubringen. Erste Anwendungen gibt es bereits als beheizte Düsen und Sensoren – Details werden im Sinne der partnerschaftlichen Absprache dann aber vertraulich behandelt.
Für die breite Anwendung wird die Simulationsrechnung immer wichtiger. So wird beispielsweise die oben beschriebene Heizung mit ihren Temperaturprofilen, Dehnungen und Verbundspannungen vorab mit der FEM-Methode simuliert und ausgelegt. Das ist ein wichtiger Baustein, um künftig schneller zu technischen Lösungen zu kommen. Das Fraunhofer LBF führt derzeit verschiedenste Dauerfestigkeitsberechnungen durch. Ein begrenzender Faktor für die breite Anwendung dieser Rechenmodelle sind lediglich die noch nicht ausreichend verfügbaren exakten Werkstoffdaten, die hersteller- und anwendungsspezifisch ermittelt werden müssen.
Mit Hilfe von FEM-Berechnungen werden bereits große Umformwerkzeuge ausgelegt. Das Herstellen der Keramikrohlinge erfordert erhebliche Erfahrung. Mit ihrer Größe und Komplexität steigt die Anforderung an die Qualität. Wegen der hohen Bearbeitungskosten darf der Rohling in den Funktionsbereichen keine Fehlstellen aufweisen, wobei die kritische Größe einer Fehlstelle je nach Belastung deutlich unterhalb 100 µm liegt. Hieraus ergibt sich das Forschungsziel, bis zu 20 µm große Risse und Poren in oberflächennahen Bereichen möglichst sicher, schnell und kostengünstig zu erfassen. Innerhalb des Demonstrationszentrums arbeiten das Fraunhofer IKTS und das Fraunhofer IZFP an einem Röntgentomographen mit entsprechender Auflösung. Das System wird auf der Hannover Messe zu besichtigen sein. Neben fertig gesinterten Bauteilen untersucht diese Anlage auch so genannte Grünlinge.
Während Poren bei hochbeanspruchten Bauteilen möglichst vermieden werden müssen, sind sie bei modernen Filterwerkstoffen hochwillkommen. Das Optimierungspotential liegt im Herstellen möglichst gleichförmiger Werkstoffe. Die Filter sollen die Stickoxid- und Partikelemission in dieselmotorischen Abgasen mindern – ein hochaktuelles Arbeitsgebiet. Während es für kleine bis mittlere Pkw inzwischen befriedigende Lösungen gibt, um die geplanten Grenzwerte einzuhalten, stehen optimale Lösungen für Motoren von Offroad-Fahrzeugen, LKW-Motoren und Industrie-Motoren noch aus. Dasselbe gilt für die Nachrüstung älterer Motoren. Die 2008 beziehungsweise 2011 anstehenden gesetzlichen Vorgaben sind nur durch entsprechende Filter zu erreichen.
Dieselpartikelfilter bestehen zum Beispiel aus extrudierten Parallelkanalelementen mit wechselseitig verschlossenen Kanälen. Herkömmliche Systeme werden aus quadratischen Elementen verklebt und unter hohem Materialverlust durch Nachbearbeiten in die ansonsten günstige, zylindrische Form gebracht. Zusammen mit der CDC GmbH entwickelt das Fraunhofer IKTS derzeit die Werkstoff- und Technologiegrundlagen, um flexibel nutzbare Grundelemente herzustellen und kostengünstig in ein Filtersystem zu integrieren. So können Filter ein rundes oder ovales Housing erhalten oder auch einen quadratischen oder rechteckigen Querschnitt bilden.
Bei der Herstellung der Filter werden SiC-Massen in einem Extruder verarbeitet. Dieser Prozess belastet die unterschiedlichen Maschinenteile extrem. Da die Partikel unter teilweise sehr hohem Druck verarbeitet werden, verursachen sie hohe Ausfallzeiten an normalen Maschinen. Um die Situation zu verbessern, ist ein ganzheitlicher Blick gefragt: Neue Maschinenkonzepte sind ebenso das Thema begleitender Projekte wie neue Beschichtungen, vollkeramische Schnecken und Hartmetallmundstücke. Viele dieser Arbeiten sind interdisziplinär angelegt und lassen sich nur durch Kooperationsvorhaben realisieren.
Das gezielte Kombinieren von Expertenwissen bildet einen wesentlichen Baustein für schnellen Erfolg. Derzeit ist ein Schwerpunkt der Keramikforschung die Herstellung möglichst defektfreier Werkstoffe. Ein besonderes Gewicht liegt auf dem Entwickeln von transparentem Material. Mögliche Anwendungen reichen von kratzfesten Optiken bis zum ballistischen Schutz. Bei der transparenten Keramik mindern die Reflexionen an der Oberfläche die Gesamt-Transmission, wobei der Brechungsindex die entscheidende Kenngröße ist. So ergibt sich bei Korund durch den Verlust des reflektierten Lichts eine theoretisch maximal mögliche Transparenz von 84 %. Durch Beschichten mit SiO2 in einem Sol-Gel-Verfahren am Fraunhofer ISC ließen sich die Verluste deutlich reduzieren. Werkstoffoptimierungen zusammen mit der Antireflex-Beschichtung ermöglichten es bei einer 0,8 mm dicken Korundscheibe, die Transmission von etwa 60 % auf 77 % zu steigern. Das derzeitige Entwicklungsstadium erlaubt es bereits, Muster und Prototypen zu erstellen und mit Anwendern neue Produkte zu entwickeln.
In vielen Bereichen fehlt es derzeit nicht an der Nachfrage. Das limitierende Element für Wachstum ist der Mangel an geeignetem Personal. Dieser Faktor wird immer bedeutender, da die Zeitfenster für eine erfolgreiche Entwicklung immer kürzer werden. Wer den Markt nicht fristgerecht bedienen kann, läuft im internationalen Wettbewerb Gefahr, von anderen verdrängt zu werden. Umso wichtiger ist es, die Ausbildung nicht zu vernachlässigen. Mit Weiterbildungsangeboten und Seminarreihen leisten das Demonstrationszentrum AdvanCer und der Verband der Keramischen Industrie VKI derzeit eine wichtige Arbeit, um die Technische Keramik in weitere Anwendungsbereiche zu verbreiten. Darüber hinaus ist es ungeheuer wichtig, Studenten und sogar Schüler für die ingenieurtechnischen Ausbildungsgänge zu begeistern. In Dresden wurde im Rahmen der Veranstaltung „Stadt der Wissenschaft“ in vielen öffentlichen Veranstaltungen für die technische Keramik geworben. Hier bleibt ein weites Feld offen für zukünftige Kooperationen zwischen Herstellern, Forschungseinrichtungen und Projektträgern, um ein nachhaltiges Wachstum der Branche zu sichern.
Dr. Michael Zins Stellvertretender Leiter des Fraunhofer IKTS und Geschäftsführer der Task GmbH, Dresden

Neue Technologien
Ein Schlaglicht aus der Keramikforschung: Dass der Werkstoff besonders verschleißfest und hitzebeständig ist, war bisher ein Vorteil und ein Nachteil zugleich. Denn wie sollen Heizleiter in das harte Material eingebracht werden, ohne dass die Kosten explodieren? Forscher vom Themenverbund Hochleistungskeramik (HLK) lösen das Problem, indem sie die Heizleiter per Siebdruck aufbringen. Das ist für die Anwendung hochinteressant wie viele weitere Forschungsergebnisse des HLK. Ein heißer Tipp: In Form von Demonstratoren sind sie auf der Hannover Messe einzusehen.
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